Eine Fenster-Betrachtung von Heinrich Kämpchen

Von meinem Fenster seh’ ich sie im Trott
Tagtäglich hier vorüberzieh’n; laut klirrt
Der schwere Bergschuh auf dem Straßenstein,
Wie Hufestritt. – Das ist die Köhlerschar! –
So geht den Weg zur Zeche sie, so kehrt,
Nur müder, sie davon zurück nach Haus,
Zur kurzen Rast – um wieder dann auf’s neu
Zum Joch zu ziehen – und so fort und fort. –
Ihr sagt: Gewohnheit – und – sie spüren’s nicht.
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Von Jugend an sind sie daran gewöhnt
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Die Muskeln zu gebrauchen, dafür hat
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Der Kopf auch Ruhe, braucht mit Denken nicht
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Sich zu beschweren, wenn die Hand nur schafft. –
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Ihr sprecht es aus – gewiß, so wär’s euch recht!
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Nur schuften soll der Knapp’, die Denkarbeit
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Wollt ihr besorgen schon – das Kohlenhau’n,
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Das Felsensprengen und die Wetternot
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Im tiefen Schacht für ihn – jedoch die Last
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Der Dividenden wollt ihr großmutsvoll
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Auf eure Schultern nehmen und auch noch
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Des „Denkens Schwere“, die dazu gehört. –
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Das wär’ ein Pakt! Nur schade drum, daß wir
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Es nicht so wollen und die Harmonie
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(Wenn’s eine gibt bei Arbeit und Nichtstun)
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Zum Mißklang wird in solchem Teilkonzert. –
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Nein, liebe Herren, nicht so soll es sein!
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Auch uns hat die Natur mit Kopf und Hirn
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Bedacht wie euch, und auch das Denken ist
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Nicht ganz so fremd uns, wie wir’s schon gezeigt
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Zu vielen Malen euch, vergeßt es nicht. –
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Einlullen läßt der Bergmann sich nicht mehr –
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Er will sein Recht, er kämpft dafür und wird
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Erhalten es, ob über kurz ob lang. –
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.6 KB)

Details zum Gedicht „Eine Fenster-Betrachtung“

Anzahl Strophen
1
Anzahl Verse
33
Anzahl Wörter
247
Entstehungsjahr
1909
Epoche
Moderne

Gedicht-Analyse

Das vorliegende Gedicht ist von Heinrich Kämpchen und wurde vermutlich im Kontext einer industriellen Gesellschaft im 19. oder frühen 20. Jahrhundert verfasst.

Beim ersten Eindruck entfaltet das Gedicht eine nüchterne und aufgewühlte Stimmung. Es kontrastiert das tägliche Bild der Bergarbeiter, die in der Früh zur Zeche gehen und abends erschöpft zurückkehren, mit den Überlegungen des lyrischen Ichs über soziale Gerechtigkeit.

Inhaltlich geht es in „Eine Fenster-Betrachtung“ um die körperlich strenge Arbeit der Bergarbeiter. Sie werden vom lyrischen Ich als eine Gruppe von Menschen dargestellt, die hart arbeiten, aber kaum von ihrer Arbeit profitieren. Es wird kritisch auf die Meinung eingegangen, dass diese Menschen nur körperlich arbeiten und keine Gedankenarbeit leisten sollten. Das lyrische Ich lehnt diese Meinung ab und betont, dass auch die Bergarbeiter denken können und dass sie ihre Rechte erkennen und um diese kämpfen werden.

Die Form des Gedichts kann als freier Vers bezeichnet werden, da es keine festgelegte metrische Struktur oder Reimschema zeigt. Die Sprache ist direkt und unverschnörkelt, mit kurzen, prägnanten Ausdrücken und einem belehrenden Ton. Es nimmt einen kritischen Ton an, wenn es die Haltung der privilegierten Klasse gegenüber der Arbeiterklasse parodiert.

Insgesamt greift Kämpchen soziale Themen auf und benutzt die harte Arbeit der Bergleute als Allegorie für soziale Ungerechtigkeit, und zwar gegen die weit verbreitete Ansicht seiner Zeit, dass Arbeiter nur körperlich arbeiten und nicht denken sollten. Es ist ein Appell für Arbeitsrechte und soziale Gleichheit.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Eine Fenster-Betrachtung“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Heinrich Kämpchen. Der Autor Heinrich Kämpchen wurde 1847 in Altendorf an der Ruhr geboren. Im Jahr 1909 ist das Gedicht entstanden. Erscheinungsort des Textes ist Bochum. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text der Epoche Moderne zugeordnet werden. Die Angaben zur Epoche prüfe bitte vor Verwendung auf Richtigkeit. Die Zuordnung der Epoche ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Da sich die Literaturepochen zeitlich teilweise überschneiden, ist eine reine zeitliche Zuordnung fehleranfällig. Das vorliegende Gedicht umfasst 247 Wörter. Es baut sich aus nur einer Strophe auf und besteht aus 33 Versen. Heinrich Kämpchen ist auch der Autor für Gedichte wie „Am Kochbrunnen in Wiesbaden“, „Am Marienbrönnlein“ und „Am Rhein“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Eine Fenster-Betrachtung“ weitere 165 Gedichte vor.

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