Mondscheinlied von Ludwig Tieck

Träuft vom Himmel der kühle Tau,
tun die Blumen die Kelche zu,
Spätrot sieht scheidend nach der Au,
flüstern die Pappeln, sinkt nieder die nächt'ge Ruh'.
 
Kommen und gehn die Schatten,
Wolken bleiben noch spät auf
und ziehn mit schwerem, unbeholfnem Lauf
über die erfrischten Matten.
 
Kommen die Sterne und schwinden wieder,
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blicken winkend und flüchtig nieder,
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wohnt im Wald die Dunkelheit,
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dehnt sich Finsternis weit und breit.
 
13 
Hinterm Wasser wie flimmernde Flammen,
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Berggipfel oben mit Gold beschienen,
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neigen rauschend und ernst die grünen
16 
Gebüsch die blinkenden Häupter zusammen.
 
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Welle, rollst du herauf den Schein,
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des Mondes rundfreundlich Angesicht?
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Er merkt's, und freudig bewegt sich der Hain,
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streckt die Zweig' entgegen dem Zauberlicht.
 
21 
Fangen die Geister auf den Fluten an zu springen,
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tun sich die Nachtblumen auf mit Klingen,
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wacht die Nachtigall im dicksten Baum,
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verkündet dichterisch ihren Traum,
25 
wie helle, blendende Strahlen die Töne niederfließen,
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am Bergeshang den Widerhall zu grüßen.
 
27 
Flimmern die Wellen,
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funkeln die wandernden Quellen,
29 
streifen durchs Gesträuch
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die Feuerwürmchen bleich. —
 
31 
Wie die Wolken wandelt mein Sehnen,
32 
mein Gedanke, bald dunkel, bald hell,
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hüpfen Wünsche um mich wie der Quell,
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kenne nicht die brennenden Tränen.
 
35 
Bist du nah, bist du weit,
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Glück, das nur für mich erblühte?
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Ach! daß es die Hände biete
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in des Mondes Einsamkeit.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.7 KB)

Details zum Gedicht „Mondscheinlied“

Autor
Ludwig Tieck
Anzahl Strophen
9
Anzahl Verse
38
Anzahl Wörter
212
Entstehungsjahr
1773 - 1853
Epoche
Romantik

Gedicht-Analyse

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Mondscheinlied“ des Autors Ludwig Tieck. Tieck wurde im Jahr 1773 in Berlin geboren. In der Zeit von 1789 bis 1853 ist das Gedicht entstanden. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zur Epoche Romantik zu. Bei dem Schriftsteller Tieck handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche.

Die Romantik ist eine kulturgeschichtliche Epoche, die vom Ende des 18. Jahrhunderts bis weit in das 19. Jahrhundert hinein dauerte und sich insbesondere auf den Gebieten der bildenden Kunst, der Literatur und der Musik äußerte. Auch die Gebiete Geschichte, Philosophie und Theologie sowie Naturwissenschaften und Medizin waren von ihren Auswirkungen betroffen. Die Frühromantik lässt sich zeitlich bis in das Jahr 1804 einordnen. Die Hochromantik bis 1815 und die Spätromantik bis in das Jahr 1848. Die Gesellschaft des 18. Jahrhunderts galt im Allgemeinen als wissenschaftlich und aufstrebend, was hier vor allem durch die einsetzende Industrialisierung deutlich wird. Die damalige Gesellschaft wurde zunehmend technischer, fortschrittlicher und wissenschaftlicher. Diese Entwicklung war den Romantikern zuwider. Sie stellten sich in ihren Schriften gegen das Streben nach immer mehr Gewinn, Fortschritt und das Nützlichkeitsdenken, das versuchte, alles zu verwerten. Wesentliche Motive in der Lyrik der Romantik sind die Ferne und Sehnsucht sowie das Gefühl der Heimatlosigkeit. Weitere Motive sind das Fernweh, das Nachtmotiv oder die Todessehnsucht. So symbolisierte die Nacht nicht nur die Dunkelheit, sondern auch das Geheimnisvolle, Mysteriöse und galt als Quelle der Liebe. Typische Merkmale der Romantik sind die Hinwendung zur Natur, die Weltflucht oder der Rückzug in Traumwelten. Insbesondere ist aber auch die Idealisierung des Mittelalters aufzuzeigen. Architektur und Kunst des Mittelalters wurden von den Romantikern wieder geschätzt. Die äußere Form von romantischer Dichtung ist völlig offen. Kein starres Schema grenzt die Literatur ein. Dies steht ganz im Gegensatz zu den strengen Normen der Klassik. In der Romantik entstehen erstmals Sammlungen so genannter Volkspoesie. Bekannte Beispiele dafür sind Grimms Märchen und die Liedersammlung Des Knaben Wunderhorn. Doch bereits unmittelbar nach Erscheinen der Werke wurde die literarische Bearbeitung (Schönung) durch die Autoren kritisiert, die damit ihre Rolle als Chronisten weit hinter sich ließen.

Das Gedicht besteht aus 38 Versen mit insgesamt 9 Strophen und umfasst dabei 212 Worte. Weitere bekannte Gedichte des Autors Ludwig Tieck sind „Mondbeglänzte Zaubernacht“, „Schmerz“ und „Liebesgegenwart“. Zum Autor des Gedichtes „Mondscheinlied“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 18 Gedichte vor.

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