Glosse von Ludwig Tieck

Liebe denkt in süßen Tönen,
denn Gedanken stehn zu ferne,
nur in Tönen mag sie gerne
alles, was sie will, verschönen.
 
Wenn im tiefen Schmerz verloren
alle Geister in mir klagen
und gerührt die Feunde fragen:
„Welch ein Leid ist dir geboren?"
kann ich keine Antwort sagen,
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ob sich Freuden wolle finden,
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Leiden in mein Herz gewöhnen;
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Geister, die sich liebend binden,
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kann kein Wort niemals verkünden:
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Liebe denkt in süßen Tönen.
 
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Warum hat Gesangessüße
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immer sich von mir geschieden?
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Zornig hat sie mich vermieden,
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wie ich auch die Holde grüße.
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So geschieht es, daß ich büße,
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Schweigen ist mir vorgeschrieben,
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und ich sage doch so gerne,
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was dem Herzen sei sein Lieben!
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Aber stumm bin ich geblieben,
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denn Gedanken stehn zu ferne.
 
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Ach, wo kann ich doch ein Zeichen,
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meiner Liebe ew'ges Leben
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mir nur selber kundzugeben,
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wie ein Lebenswort erreichen?
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Wenn dann alles will entweichen,
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muß ich oft in Trauer wähnen,
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Liebe sei dem Herzen ferne.
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Dann weckt sie das tiefste Sehnen,
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sprechen mag sie nur in Tränen,
34 
nur in Tönen mag sie gerne.
 
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Will die Liebe in mir weinen?
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Bringt sie Jammer, bringt sie Wonne?
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Will sie Nacht sein oder Sonne?
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Sollen Glückessterne scheinen?
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Tausend Wunder sich vereinen:
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Ihr Gedanken, schweiget stille;
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denn die Liebe will mich krönen,
42 
und was sich an mir erfülle,
43 
weiß ich das, es wird ihr Wille
44 
alles, was sie will, verschönen.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.6 KB)

Details zum Gedicht „Glosse“

Autor
Ludwig Tieck
Anzahl Strophen
5
Anzahl Verse
44
Anzahl Wörter
230
Entstehungsjahr
1773 - 1853
Epoche
Romantik

Gedicht-Analyse

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Glosse“ des Autors Ludwig Tieck. Tieck wurde im Jahr 1773 in Berlin geboren. Im Zeitraum zwischen 1789 und 1853 ist das Gedicht entstanden. Eine Zuordnung des Gedichtes zur Epoche Romantik kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Bei Tieck handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche.

Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in das 19. Jahrhundert hinein dauerte die kulturgeschichtliche Epoche der Romantik an. Ihre Auswirkungen waren in der Literatur, der Kunst aber auch der Philosophie und Musik spürbar. Die Literaturepoche der Romantik (ca. 1795–1848) lässt sich in Frühromantik (bis 1804), Hochromantik (bis 1815) und Spätromantik (bis 1848) aufgliedern. Die Romantik entstand in Folge politischer Krisen und gesellschaftlicher Umbrüche. In ganz Europa fand ein Übergang von der feudalen zur bürgerlichen Gesellschaft statt. Gleichzeitig bildete sich ein bürgerliches Selbstbewusstsein heraus. Industrialisierung und technologischer Fortschritt sind prägend für diese Zeit. In der Romantik gilt das Mittelalter als das Ideal und wird verherrlicht. Die Kunst und Architektur der Zeit des Mittelalters werden geschätzt, gepflegt und gesammelt. Übel und Missstände dieser Zeit bleiben unberücksichtigt und scheinen bei den Schriftstellern in Vergessenheit geraten zu sein. So ist die Verklärung des Mittelalters ein zentrales Merkmal der Romantik. Außerdem sind die Weltflucht, die Hinwendung zur Natur und die romantische Ironie weitere zentrale Merkmale dieser Epoche. Die grundsätzlichen Themen der Epoche waren Seele, Gefühle, Individualität und Leidenschaft. In der Literatur wurden diese Themen unter anderem durch Motive der Sehnsucht, Todessehnsucht, Fernweh oder Einsamkeit in der Fremde manifestiert. Die Stilepoche kennzeichnet sich vor allem durch offene Formen in Gedichten und Texten. Phantasie ist für die Romantiker das Maß aller Dinge. Die Trennung zwischen Wissenschaft und Poesie, zwischen Wirklichkeit und Traum soll durchbrochen werden. Die Schriftsteller der Romantik streben eine Verschmelzung von Kunst und Literatur an. Ihr Ziel ist es letztlich, alle Lebensbereiche zu poetisieren.

Das Gedicht besteht aus 44 Versen mit insgesamt 5 Strophen und umfasst dabei 230 Worte. Weitere Werke des Dichters Ludwig Tieck sind „Zeit“, „Nacht“ und „Mondbeglänzte Zaubernacht“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Glosse“ weitere 18 Gedichte vor.

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