Ein- und dreijährig von Rudolf Lavant
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Daß in zwei Jahren der Soldat |
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Das lernt, was ihm zu lernen nöthig, |
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Ist selbst der Generale Rath |
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Uns einzuräumen halb erbötig, |
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Sie fühlen wohl der Wahrheit Wucht, |
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Doch sagen sie mit strenger Miene: |
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„Es fordern Disziplin und Zucht, |
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Daß jeder Bengel drei Jahr’ diene.“ |
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Zwei Jahre also braucht der Mann, |
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Um den Paradeschritt zu storchen; |
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Im dritten Jahr erlernt er dann |
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Die Zucht, die Ordnung, das Gehorchen, |
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Die aber sind des Pudels Kern, |
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Denn, wie Caprivi sie uns schildert, |
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Sind diese zwanzigjähr’gen Herrn |
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Auf schauerliche Art verwildert. |
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Schon in der Schule, aufgehetzt |
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von schändlich list’gen Demokraten, |
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Ist man mit zwanzig Jahren jetzt |
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Ein ausgemachter Teufelsbraten. |
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Um das Gefühl für Zucht und Pflicht |
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Per Korporal an ihm zu wecken, |
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Muß man den zügellosen Wicht |
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Drei Jahre in die Jacke stecken. |
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So hat der Kanzler uns geklagt |
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Mit ernsten, sorgenvollen Mienen, |
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Doch hat kein Wörtchen er gesagt |
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Von denen, die ein Jahr nur dienen. |
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Wann ernten sie die edle Frucht? |
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Sobald ihr Haupthaar kurz geschoren? |
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Wie, wären Disziplin und Zucht |
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Bei ihnen etwa angeboren? |
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Soll sich des Ungehorsams Sucht |
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In dieser Jugend niemals rühren |
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Und sitzen Disziplin und Zucht |
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In bunten Achselklappen-Schnüren? |
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Hier hat das Wort die Polizei! |
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Wenn sie nur will, wird sie gestehen, |
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Mit dieser deutschen Jugend sei |
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Besonders schwierig umzugehen. |
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Hier freilich heißt es stets: „Was thut’s? |
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Es gährt der Most sich klar zur Tugend. |
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Das Vorrecht „heitren Uebermuths“ |
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Gewähren wir der goldnen Jugend.“ |
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Dort ist es „Geist der Rebellion,“ |
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Wofür man drei Jahr’ Stechschritt wandelt; |
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Hier, bei dem feinen „höhern Sohn,“ |
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Wird es als „witz’ger Ulk“ behandelt. |
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Und da man nicht vergleichen darf, |
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Was ewig ungleich ist auf Erden, |
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Muß der Plebejer schneidig-scharf |
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Drei Jahre lang erzogen werden; |
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Doch wer die Schnüre sich ersaß, |
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Der braucht nicht Fuchtel noch Kandare, |
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Der lernt – und noch dazu mit Spaß – |
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Den ganzen Kram in einem Jahre. |
Details zum Gedicht „Ein- und dreijährig“
Rudolf Lavant
7
56
310
1890
Realismus,
Naturalismus,
Moderne
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Ein- und dreijährig“ ist von Rudolf Lavant, einem deutschen Dichter, der von 1844 bis 1915 lebte. Das Gedicht ist somit in die Epoche des Realismus einzuordnen, in dem gesellschaftliche Themen und Alltagserfahrungen oft im Fokus standen.
Beim ersten Lesen fällt auf, dass es sich um ein sehr kritisches und gesellschaftspolitisches Gedicht handelt, das sich intensiv mit der Rolle des Militärs und der Disziplinierung junger Menschen auseinandersetzt.
Das lyrische Ich bringt im Gedicht seine Kritik an der Wehrpflicht und insbesondere an der dreijährigen Dienstzeit zum Ausdruck. Es thematisiert die seiner Meinung nach unnötige Länge dieser Dienstzeit und stellt sie in Bezug zu den nur ein Jahr dienenden „höhern Söhnen“. Damit skizziert Lavant eine soziale Ungleichheit, bei der die privilegierten Söhne der Oberschicht einem weniger strengen Regiment unterliegen als die Söhne der Arbeiterschaft. Die Kritik besteht auch darin, dass die Soldaten zu Disziplin und Gehorsam erzogen werden, was das lyrische Ich satirisch und ablehnend kommentiert.
Die Form des Gedichts ist geprägt von mehreren Strophen zu jeweils acht Versen. Der Reim ist durchgehend gehalten und führt zu einem flüssigen Lesefluss. Die Sprache des Gedichts ist klar und direkt, mit starken Bildern und einer bissigen Ironie, die die Kritik des lyrischen Ichs unterstützt.
Insgesamt ist „Ein- und dreijährig“ ein Gedicht, das auf soziale Ungerechtigkeit und die negative Rolle des Militärs hinweist, wobei der Dichter seine Kritik in eine klare Form und eine satirische Sprache verpackt. Es zeugt von der kritischen Haltung Lavants gegenüber Militarismus und Klassismus, die er in vielen seiner Werke zum Ausdruck bringt.
Weitere Informationen
Der Autor des Gedichtes „Ein- und dreijährig“ ist Rudolf Lavant. 1844 wurde Lavant in Leipzig geboren. 1890 ist das Gedicht entstanden. Der Erscheinungsort ist Stuttgart. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text den Epochen Realismus, Naturalismus oder Moderne zugeordnet werden. Bitte überprüfe unbedingt die Richtigkeit der Angaben zur Epoche bei Verwendung. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Das Gedicht besteht aus 56 Versen mit insgesamt 7 Strophen und umfasst dabei 310 Worte. Die Gedichte „An unsere Gegner“, „An la belle France.“ und „Bekenntnis“ sind weitere Werke des Autors Rudolf Lavant. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Ein- und dreijährig“ weitere 96 Gedichte vor.
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