Ein neues Trinklied von Otto Ernst

Ich hatt' ein Tönnlein Freud' im Haus,
Da kamen Gesellen in Haufen.
Ich kriegt' ein Oxhoft Leid ins Haus,
Das durft' ich selber saufen.
Da hat sich hell mir aufgetan
die Zecherregel feine:
Mit Freunden teil' ich meine Lust;
Mein Leid trink ich alleine.
 
Da sinkt mein Auge tief hinab
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In kühle Dämmerungen,
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Und leise spricht der Sinn der Welt
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In wunderbaren Zungen.
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Und steigt das trunkenvolle Herz
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Aus Bechers Grund zum Lichte,
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Dann sind ihm Mensch und Fels und Hain
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Umleuchtete Gesichte.
 
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So trank ich denn in mancher Nacht
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Von manchen herben Weinen
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Und stand nach jedem Bacchanal
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Nur fester auf den Beinen.
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Und wenn das stumme Fest gewährt
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Bis an die frühe Sonne,
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Dann war das dunkle Weh verweht
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Vor einer klaren Wonne.
 
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Auch hab' ich ja in weiter Welt
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So viele Trinkgesellen.
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Ich hör' sie wohl und seh' sie wohl
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In ihren stillen Zellen.
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Durch's Dunkel fand ich ihren Blick,
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Wenn unterm Abendsterne
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Ich leise sprach: Ich bring' es euch,
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Ihr Brüder in der Ferne.
 
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Nur ein – ein lieblicher Kumpan
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Sitzt lebend mir zur Seite
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Und heischt den schlimmst' und schwersten Wein
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Und zecht mit mir im Streite.
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Von seinem Durst und seiner Treu
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Ach, Wunder wollt' ich künden –
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Doch singt ein rechter Ritter nichts
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Von seiner Dame Sünden.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.6 KB)

Details zum Gedicht „Ein neues Trinklied“

Autor
Otto Ernst
Anzahl Strophen
5
Anzahl Verse
40
Anzahl Wörter
212
Entstehungsjahr
1907
Epoche
Moderne

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Ein neues Trinklied“ wurde von Otto Ernst geschrieben, einem deutschen Schriftsteller, der von 1862 bis 1926 lebte. Damit lässt sich das Gedicht zeitlich in der Epoche des Naturalismus verorten, einer literarischen Strömung des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts.

Auf den ersten Blick handelt das Gedicht von Trinkgelagen und Menschlichkeit, von Freundschaft und dem Prozess des Trinkens, sowohl in Gesellschaft als auch in Einsamkeit. Dabei ist das Gedicht metaphorisch aufgebaut und nutzt das Trinken als eine Allegorie für den Umgang mit Freude und Leid im Leben.

Im Detail verfolgen wir das lyrische Ich durch verschiedene Stadien des Trinkens, von einem fröhlichen Beisammensein mit Freunden zu Zeiten der Freude, über Momente der Einsamkeit und der innere Reflexion in Zeiten des Leids, bis hin zu einem Ausdruck der Solidarität mit anderen „Trinkgesellen“ in der Ferne. Das lyrische Ich drückt die Idee aus, dass Freude geteilt und Leid allein getragen werden sollte. Darüber hinaus deutet das lyrische Ich an, dass es durch diese Prozesse fester aufsteht und eine klare Freude erreicht, auch nach der Verarbeitung von Schmerzen und Sorgen.

Die Form des Gedichts ist geprägt durch eine klare Struktur mit einheitlicher Strophen- und Versanzahl. Der Reim verfolgt das Muster ABAB. Die Sprache ist schlicht, ohne extravagante Metaphern oder ungewöhnliche Tropen, was den Lesefluss erleichtert und das Verständnis für den Leser nicht unnötig erschwert. Dennoch findet sich in der Sprache eine hohe Emotionalität und Ausdruckskraft, die durch die Anwendung von Alliterationen und Assonanzen unterstützt wird.

Zusammenfassend bringt der Autor durch das Trinklied die menschliche Erfahrung von Freude und Leid nachvollziehbar zum Ausdruck. Er unterstreicht die Bedeutung von Gemeinschaft und Solidarität, gleichzeitig aber auch die Unvermeidlichkeit und Notwendigkeit von Alleinsein in der Bewältigung von Leid.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Ein neues Trinklied“ ist Otto Ernst. 1862 wurde Ernst in Ottensen bei Hamburg geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes geht auf das Jahr 1907 zurück. Erschienen ist der Text in Leipzig. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her der Epoche Moderne zuordnen. Die Zuordnung der Epoche ist ausschließlich auf zeitlicher Basis geschehen. Bitte überprüfe unbedingt die Richtigkeit der Angaben bei Verwendung. Das vorliegende Gedicht umfasst 212 Wörter. Es baut sich aus 5 Strophen auf und besteht aus 40 Versen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Otto Ernst sind „Auflösung“, „Aus einer Nacht“ und „Ausflug“. Zum Autor des Gedichtes „Ein neues Trinklied“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 64 Gedichte vor.

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