Ein licht- und duftverklärter Sonnentag von Marie Eugenie Delle Grazie

Ein licht- und duftverklärter Sonnentag
Du Riesenbau, den ich auf deinen Mauern
Verträumt, läßt heute noch mein Herz erschauern,
Erregt noch heute meiner Pulse Schlag:
 
In wolkenloser Bläue wölbt sich weit
Der Himmel über dir und Roma’s Zinnen,
Von Zittersttahlen flirrt es außen, innen
Und ringsum – eine gold’ne Seligkeit!
 
In meiner Brust auch wird es plötzlich laut,
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Wie süße Stimmen längst begrab’ner Wonnen,
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Und Sterne glaube ich zu seh’n und Sonnen,
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Die früher nie mein trübes Aug geschaut...
 
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Wie heilig dieses Sonnentages Gluth!
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Sie läßt so ahnung-süß mein Herz erschauern,
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Verklärt selbst dich und küßt von deinen Mauern
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Mit warmem Glanz die Frevel und das Blut;
 
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Und wo ihr gold’ner Strahl am hellsten lag,
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Erweckte sie ein Blümchen – o Entzücken!
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Zwar schwankt’s auf losem Stein, doch muß ich’s pflücken,
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Es hat ja Theil an diesem Sonnentag!
 
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An ihm und Allem, was mein Herz empfand,
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Und hier genoß – ja Holde, laß dich brechen,
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Noch fern’ sollst du von diesem Tag mir sprechen,
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Und siegesfroh streck ich danach die Hand –
 
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Da bröckelt aus der Mauer sich der Stein
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Und rollt zu andern Trümmern in die Tiefe –
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Dumpf schlägt er auf – nur aber ist, als riefe
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Des Echo’s Hohn: „Dies mag ein Bild dir sein!“
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.5 KB)

Details zum Gedicht „Ein licht- und duftverklärter Sonnentag“

Anzahl Strophen
7
Anzahl Verse
28
Anzahl Wörter
210
Entstehungsjahr
1892
Epoche
Realismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Ein licht- und duftverklärter Sonnentag“ wurde von der österreichischen Dichterin Marie Eugenie Delle Grazie verfasst, die von 1864 bis 1931 gelebt hat. Sie war eine Vertreterin der literarischen Strömung des Naturalismus und des Impressionismus, die sich in der zweiten Hälfte des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts durchsetzte.

Beim ersten Lesen des Gedichts fallen sofort die intensiven sinnlichen Beschreibungen auf, die fast schon wie Gemälde anmuten und Bilder im Kopf des Lesenden erzeugen. Es handelt sich bei diesem Gedicht um eine emotionale Beschreibung einer Landschaft und der Gefühle, die diese Landschaft beim lyrischen Ich auslöst.

Das lyrische Ich beschreibt einen Sonnentag, der durch Licht und Duft gekennzeichnet ist, und verbindet diesen mit einer starken emotionalen Reaktion. Offenbar betrachtet das lyrische Ich ein großes Gebäude oder eine Stadt (möglicherweise Rom), denn es ist von „Roma's Zinnen“ die Rede. Das lyrische Ich ist von der Schönheit des Tages und der Umgebung überwältigt und empfindet eine Art Glückseligkeit.

In Bezug auf die Form ist das Gedicht in sieben Strophen zu je vier Versen aufgebaut. Es hat ein regelmäßiges Reimschema (Abab) und hält sich weitgehend an den jambischen Fünfheber, eine gängige Versform in der deutschen Lyrik.

Die Sprache des Gedichts ist geprägt von einem hohen poetischen Ton und reichen sinnlichen Beschreibungen. Der Dichter verwendet eine Fülle von Adjektiven und bildhaften Ausdrücken, um die Schönheit und Erhabenheit des beschriebenen Tages zu vermitteln. Die Sprache ist dabei sowohl emotional als auch etwas altertümlich gehalten, was dem Gedicht einen romantischen und fast schon entrückten Charakter verleiht.

Aus dem Gedicht geht hervor, dass Delle Grazie eine große Verehrung für die Schönheit der Natur und der Architektur hat und diese in ihr lyrisches Werk einfließen lässt. Es scheint, als würde die Dichterin durch die Worte des Gedichts versuchen, die Erhabenheit und Schönheit des beschriebenen Tages einzufangen und für den Leser erlebbar zu machen.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Ein licht- und duftverklärter Sonnentag“ der Autorin Marie Eugenie Delle Grazie. 1864 wurde Delle Grazie in Weißkirchen (Bela Crkva) geboren. Im Jahr 1892 ist das Gedicht entstanden. Der Erscheinungsort ist Leipzig. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten der Autorin her der Epoche Realismus zuordnen. Bei der Schriftstellerin Delle Grazie handelt es sich um eine typische Vertreterin der genannten Epoche. Das 210 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 28 Versen mit insgesamt 7 Strophen. Weitere bekannte Gedichte der Autorin Marie Eugenie Delle Grazie sind „Abschied“, „Addio“ und „Addio a Capri“. Zur Autorin des Gedichtes „Ein licht- und duftverklärter Sonnentag“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 71 Gedichte vor.

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