Ein Stück Rheinfahrt von Joachim Ringelnatz

Ich habe nach dem langweiligen Rhein
Und den kitschigen Burgschutthaufen
Gar nicht gesehn, zog es vor, zu saufen –
Nein: wir tranken einen vorzüglichen Wein.
 
Wir benahmen uns auf jeder Station
Am Fenster wie Gesindel,
Schimpften in ordinärem Ton
Über angebliches Kindergewindel.
Und infolgedessen
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Und berechnenderweise
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Haben wir während der ganzen Reise
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Allein im Kupee gesessen.
 
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Und was ergibt dann sich?
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Ach, ein Loch im Strumpf kann sich
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Durch alle Größen
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Bis in ein randloses Glück auflösen.
 
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Das Glück schlägt manchen Kegelpurz.
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Die Reise war zu kurz.
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Der Rhein und die Burgen gähnten.
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Wir wähnten
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Beide Prinzen zu sein.
 
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Unbestreitbar ausgezeichnet ist der Wein.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.6 KB)

Details zum Gedicht „Ein Stück Rheinfahrt“

Anzahl Strophen
5
Anzahl Verse
22
Anzahl Wörter
103
Entstehungsjahr
1928
Epoche
Moderne,
Expressionismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht mit dem Titel „Ein Stück Rheinfahrt“ stammt von Joachim Ringelnatz, einem deutschen Schriftsteller und Bildenden Künstler, der von 1883 bis 1934 lebte. Aufgrund des Lebenszeitraums des Autors ist dieses Gedicht in der Zeit der Weimarer Republik einzuordnen.

Im ersten Eindruck wirkt das Gedicht eher humorvoll und locker, vielleicht sogar ein wenig subversiv. Es bricht mit klassischer Lyrik und scheint eine etwas absurde und rebellische Handlung darzustellen.

Inhaltlich geht es um das lyrische Ich und seine Gesellschaft, vermutlich auf einer Reise am Rhein. Statt sich auf die landschaftlichen Schönheiten des Rheinlandes und seine historischen Burgruinen zu konzentrieren, entscheidet sich das lyrische Ich dafür, Wein zu trinken und sich ungehobelt zu benehmen. Infolgedessen verbringt es die gesamte Reise in seinem eigenen Abteil. Gleichzeitig scheint das lyrische Ich in diesem scheinbar trivialen und randständigen Verhalten eine gewisse Erfüllung oder sogar Glück zu finden, denn es löst sich „in ein randloses Glück“ auf und wähnt sich, zusammen mit seiner Begleitung, als Prinzen.

Beim genaueren Betrachten der Form und der Sprache des Gedichtes fällt auf, dass es keine durchgehende Reimstruktur gibt. Die Versform ist frei und die Wortwahl ist umgangssprachlich, teilweise sogar derb („saufen“, „Gesindel“). Darin spiegelt sich der nonkonformistische Charakter des lyrischen Ichs wider und vermittelt einen Hauch von Anarchie und Rebellion gegen gesellschaftliche Konventionen.

Die letzte Strophe steht alleine und schließt das Gedicht mit der simplen und scheinbar bedeutungslosen Feststellung über die Qualität des Weins ab. Doch vielleicht liegt gerade in dieser Absurdität und Einfachheit die Stärke des Gedichts und die wirkliche Botschaft des lyrischen Ichs: Das Leben, so wie es von anderen erwartet und geformt wird, spielt keine Rolle. Stattdessen sind es die einfachen Vergnügen und kleinen Rebellionen, die wirklich zählen und Glück bringen.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Ein Stück Rheinfahrt“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Joachim Ringelnatz. 1883 wurde Ringelnatz in Wurzen geboren. Im Jahr 1928 ist das Gedicht entstanden. Erscheinungsort des Textes ist Berlin. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text den Epochen Moderne oder Expressionismus zugeordnet werden. Der Schriftsteller Ringelnatz ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen. Das Gedicht besteht aus 22 Versen mit insgesamt 5 Strophen und umfasst dabei 103 Worte. Weitere Werke des Dichters Joachim Ringelnatz sind „Alone“, „Alte Winkelmauer“ und „Alter Mann spricht junges Mädchen an“. Zum Autor des Gedichtes „Ein Stück Rheinfahrt“ haben wir auf abi-pur.de weitere 560 Gedichte veröffentlicht.

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