Ein Prophet von Rainer Maria Rilke
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Ausgedehnt von riesigen Gesichten, |
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hell vom Feuerschein aus dem Verlauf |
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der Gerichte, die ihn nie vernichten, — |
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sind die Augen, schauend unter dichten |
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Brauen. Und in seinem Innern richten |
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sich schon wieder Worte auf, |
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nicht die seinen (denn was wären seine, |
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und wie schonend wären sie vertan) |
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andre, harte: Eisenstücke, Steine, |
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die er schmelzen muß wie ein Vulkan, |
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um sie in dem Ausbruch seines Mundes |
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auszuwerfen, welcher flucht und flucht; |
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während seine Stirne, wie des Hundes |
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Stirne, das zu tragen sucht, |
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was der Herr von seiner Stirne nimmt: |
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Dieser, Dieser, den sie alle fänden, |
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folgten sie den großen Zeigehänden, |
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die Ihn weisen, wie Er ist: ergrimmt. |
Details zum Gedicht „Ein Prophet“
Rainer Maria Rilke
4
18
105
1918
Moderne
Gedicht-Analyse
Das vorliegende Gedicht ist von Rainer Maria Rilke, einem deutschen Lyriker der literarischen Moderne. Er schrieb es an irgendeinem Punkt zwischen 1875 und 1926.
Auf den ersten Blick macht das Gedicht einen stark bildhaften Eindruck. Es wird die Figur eines Propheten beschrieben, der von visionären Bildern erfüllt ist und Botschaften offenbart, die er nicht selbst zu kontrollieren scheint.
In einfachen Worten dreht sich das Gedicht um den Innen- und Außenblick eines Propheten. Er hat visionäre Eindrücke („riesige Gesichte“), die ihn nie vernichten, trotz ihrer Kraft. Aus seinem Inneren kommen Worte hervor - aber es sind nicht seine eigenen, sondern harte, eiserne und steinige Worte, die er wie ein Vulkan schmelzen und auswerfen muss. Die physische Anstrengung des Propheten wird betont, und schließlich wird deutlich, dass seine Botschaft auf Gott verweist („der Herr“), der beschrieben wird als zornig („ergrimmt“).
Das lyrische Ich scheint aus der Perspektive des Propheten zu sprechen und gibt eine tiefgehende Erfahrung des religiösen und prophetischen Daseins wieder. Die inneren Visionen, das Ausdruckgeben göttlicher Worte, die Last der Botschaft – all dies wird einprägsam und lebendig vorgestellt.
Das Gedicht besteht aus vier Strophen mit unterschiedlicher Verszahl (6,4,4,4). Es gibt keinen offensichtlichen Reimschema. Rilke verwendet eine hochsymbolische Sprache, um die außergewöhnliche Existenz und die schweren Aufgaben des Propheten darzustellen. Er bedient sich starken Bildern und Vergleichen (Prophet als Vulkan), um die Stärke und Gewalt der Visionen und Worte zu verdeutlichen, die durch den Propheten fließen. Ein ergrimmter Gott als bestimmendes Bild deutet auf die Ernsthaftigkeit der Botschaft und die Spannung zwischen dem Propheten und dem Göttlichen hin.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass „Ein Prophet“ von Rilke ein eindringliches Porträt eines Propheten als Mittler göttlicher Botschaften ist, der unter der Last und Intensität seiner Visionen und Offenbarungen steht. Mit starken Bildern und Metaphern beschreibt Rilke die Erfahrung des Propheten als etwas Gewaltiges und Einschneidendes.
Weitere Informationen
Das Gedicht „Ein Prophet“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Rainer Maria Rilke. Im Jahr 1875 wurde Rilke in Prag geboren. Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1918. Erschienen ist der Text in Leipzig. Eine Zuordnung des Gedichtes zur Epoche Moderne kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Rilke ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das 105 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 18 Versen mit insgesamt 4 Strophen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Rainer Maria Rilke sind „Abend“, „Abend in Skaane“ und „Absaloms Abfall“. Zum Autor des Gedichtes „Ein Prophet“ haben wir auf abi-pur.de weitere 338 Gedichte veröffentlicht.
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