Ein Maulwurf von Wilhelm Busch

Die laute Welt und ihr Ergötzen,
Als eine störende Erscheinung,
Vermag der Weise nicht zu schätzen.
 
Ein Maulwurf war der gleichen Meinung.
Er fand an Lärm kein Wohlgefallen,
Zog sich zurück in kühle Hallen
Und ging daselbst in seinem Fach
Stillfleißig den Geschäften nach.
 
Zwar sehen konnt er da kein bissel,
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Indessen sein getreuer Rüssel,
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Ein Nervensitz voll Zartgefühl,
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Führt sicher zum erwünschten Ziel.
 
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Als Nahrung hat er sich erlesen
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Die Leckerbissen der Chinesen,
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Den Regenwurm und Engerling,
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Wovon er vielfach fette fing.
 
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Die Folge war, was ja kein Wunder,
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Sein Bäuchlein wurde täglich runder,
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Und wie das häufig so der Brauch,
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Der Stolz wuchs mit dem Bauche auch.
 
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Wohl ist er stattlich von Person
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Und kleidet sich wie ein Baron,
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Nur schad, ihn und sein Sammetkleid
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Sah niemand in der Dunkelheit.
 
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So trieb ihn denn der Höhensinn,
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Von unten her nach oben hin,
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Zehn Zoll hoch, oder gar noch mehr,
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Zu seines Namens Ruhm und Ehr
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Gewölbte Tempel zu entwerfen,
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Um denen draußen einzuschärfen,
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Daß innerhalb noch einer wohne,
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Der etwas kann, was nicht so ohne.
 
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Mit Baulichkeiten ist es mißlich.
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Ob man sie schätzt, ist ungewißlich.
 
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Ein Mensch von andrem Kunstgeschmacke,
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Ein Gärtner, kam mit einer Hacke.
 
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Durch kurzen Hieb nach langer Lauer
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Zieht er ans Licht den Tempelbauer
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Und haut so derb ihn übers Ohr,
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Daß er den Lebensgeist verlor.
 
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Da liegt er nun, der stolze Mann.
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Wer tut die letzte Ehr ihm an?
 
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Drei Käfer, schwarz und gelb gefleckt,
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Die haben ihn mit Sand bedeckt.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (27 KB)

Details zum Gedicht „Ein Maulwurf“

Anzahl Strophen
12
Anzahl Verse
44
Anzahl Wörter
249
Entstehungsjahr
nach 1848
Epoche
Biedermeier,
Junges Deutschland & Vormärz,
Realismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Ein Maulwurf“ wurde von Wilhelm Busch geschrieben, der von 1832 bis 1908 lebte. Er ist vor allem durch seine bildergeschichten und Illustrationen bekannt, die oft einen sarkastischen und kritischen Blick auf menschlichen Verhaltensweisen und die Gesellschaft bieten. „Ein Maulwurf“ wurde vermutlich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts geschrieben, in der Hochphase von Buschs Schaffenskarriere.

Auf den ersten Blick wirkt das Gedicht humorvoll und verspielt, wobei die Wahl eines Maulwurfs als zentrales Thema ungewöhnlich ist. Inhaltlich handelt das Gedicht von einem Maulwurf, der in seiner unterirdischen Welt lebt, von Lärm und Hektik der oberirdischen Welt nichts hält und seine Geschäfte still und fleißig nachgeht, ohne dabei gesehen zu werden. Doch mit der zunehmenden Zufriedenheit über sein Leben und Arbeit wächst auch sein Stolz und er möchte, dass andere seine Leistungen anerkennen. Er beginnt, sichtbare Spuren an der Oberfläche zu hinterlassen, was schließlich sein Untergang ist.

Busch benutzt den Maulwurf in diesem Gedicht als Metapher für individuelle und gesellschaftliche Verhaltensweisen. Mit „laute Welt und ihr Ergötzen“ könnte er die Gesellschaft und ihre Vergnügungssüchtigkeit kritisieren, der der Maulwurf, der hier möglicherweise für einen Weisen oder Denker steht, sich entzieht. Das Streben des Maulwurfs nach Anerkennung und Stolz könnte eine Kritik am Overstatement und der Überheblichkeit der Menschen sein, was letztlich zu ihrem eigenen Untergang führt.

In Bezug auf die Form hat das Gedicht eine wechselnde Vers- und Strophenanzahl ohne festes Reimschema. Die Sprache ist einfach und verständlich gehalten. Busch verwendet humorvolle und bildliche Ausdrücke, wie „Stolz wuchs mit dem Bauche“ oder „kleidet sich wie ein Baron“. Die Ausdrucksweise ist in einer bildlichen und leicht ironischen Sprache gehalten, wodurch der kritische Ton des Gedichts spielerisch verpackt wird.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass „Ein Maulwurf“ ein humorvolles und kritisches Gedicht ist, in dem Wilhelm Busch menschliches Verhalten und gesellschaftliche Konventionen auf eine ironische Weise beleuchtet. Mit einem Maulwurf als Protagonist zeigt er, wie Überheblichkeit und das Streben nach Anerkennung zu unserem eigenen Untergang führen können.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Ein Maulwurf“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Wilhelm Busch. Im Jahr 1832 wurde Busch in Wiedensahl geboren. Zwischen den Jahren 1848 und 1908 ist das Gedicht entstanden. Wiesbaden u. Berlin ist der Erscheinungsort des Textes. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text den Epochen Biedermeier, Junges Deutschland & Vormärz, Realismus, Naturalismus oder Moderne zugeordnet werden. Vor Verwendung der Angaben zur Epoche prüfe bitte die Richtigkeit. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen und daher anfällig für Fehler. Das Gedicht besteht aus 44 Versen mit insgesamt 12 Strophen und umfasst dabei 249 Worte. Weitere Werke des Dichters Wilhelm Busch sind „Befriedigt“, „Beiderseits“ und „Beschränkt“. Zum Autor des Gedichtes „Ein Maulwurf“ haben wir auf abi-pur.de weitere 208 Gedichte veröffentlicht.

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