Ein Doge von Rainer Maria Rilke

Fremde Gesandte sahen, wie sie geizten
mit ihm, und allem, was er tat;
während sie ihn zu seiner Größe reizten,
umstellten sie das goldene Dogat
 
mit Spähern und Beschränkern immer mehr,
bange, daß nicht die Macht sie überfällt,
die sie in ihm (so wie man Löwen hält)
vorsichtig nährten. Aber er,
 
im Schutze seiner halbverhängten Sinne,
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ward dessen nicht gewahr und hielt nicht inne,
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größer zu werden. Was die Signorie
 
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in seinem Innern zu bezwingen glaubte,
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bezwang er selbst. In seinem greisen Haupte
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war es besiegt. Sein Antlitz zeigte wie.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24 KB)

Details zum Gedicht „Ein Doge“

Anzahl Strophen
4
Anzahl Verse
14
Anzahl Wörter
90
Entstehungsjahr
1918
Epoche
Moderne

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Ein Doge“ stammt von dem österreichischen Lyriker Rainer Maria Rilke, der von 1875 bis 1926 lebte. Es ist also in die literarische Epoche des literarischen Impressionismus einzuordnen, zu der auch Rilkes Schaffen zählt. Das Gedicht erzählt in beklemmender und dichter Atmosphäre vom Dilemma eines Dogen in Venedig, der in der politischen Intrige und Machtspiel seiner Umgebung gefangen ist.

Thematisch konzentriert das Gedicht sich auf das Bild eines mächtigen, alten Herrschers (Doge), der trotz seiner Machtposition von den Menschen um ihn herum manipuliert wird. Obwohl man ihn zu „Größe“ ermutigt und anstachelt, ist klar, dass sie ihn auch gleichzeitig in Schach halten wollen, aus Angst vor seiner Macht. Sie umgeben ihn mit Spähern und Beschränkern, um ihre Kontrolle über ihn sicherzustellen. Trotz ihrer Intrigen bemerkt der Doge jedoch nichts davon und hört nicht auf zu versuchen, noch größer und mächtiger zu werden.

Formal betrachtet ist das Gedicht in vier Strophen unterteilt, von denen die ersten beiden jeweils vier und die letzten beiden jeweils drei Verse haben. Es gibt kein konsequentes Reimschema. Rilkes Sprache ist metaphorisch und bildhaft, was typisch für den Symbolismus der Epoche ist. Er benutzt majestätische und zugleich bedrohliche Bilder, wie den Vergleich des Dogen mit einem Löwen, um den Kontrast zwischen seiner augenscheinlichen Stärke und der Kontrolle, die andere über ihn haben, zu unterstreichen.

Insgesamt gelingt es Rilke durch seine gekonnte Kombination von Inhalt und Form, ein mögliches Porträt eines mächtigen, aber gleichzeitig verletzlichen Herrschers zu zeichnen. Das lyrische Ich bleibt dabei objektiver Beobachter und enthält sich jeglicher Bewertung oder Stellungnahme, was dem Leser die Interpretation überlässt. Dadurch wird das Unbehagen und die Spannung, die der Doge erleben muss, noch eindringlicher vermittelt.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Ein Doge“ ist Rainer Maria Rilke. 1875 wurde Rilke in Prag geboren. 1918 ist das Gedicht entstanden. Leipzig ist der Erscheinungsort des Textes. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text der Epoche Moderne zugeordnet werden. Bei Rilke handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das 90 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 14 Versen mit insgesamt 4 Strophen. Rainer Maria Rilke ist auch der Autor für Gedichte wie „Advent“, „Allerseelen“ und „Als ich die Universität bezog“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Ein Doge“ weitere 338 Gedichte vor.

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