Als die Holsteinische Gesellschaft von Astrachan von Paul Fleming

Gehabe dich itzt wol, du Grenzstadt der Nagaien,
die hin und wieder sich in Horden hin zerstreuen,
und deiner Reußen auch, die dich mit strenger Hand
den Tartern abgejagt und ihnen zugewandt!
Gehabe dich itzt wol mit deinen schönen Mauren,
die um den Tagmurlan noch itzund frölich trauren,
nach dem ihr Steinwerk heißt! Du königliche Stadt,
die durch drei Wochen uns gnung Lust verschaffet hat,
gehabe dich itzt wol! Wir haben nun vernommen,
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was für ein güldnes Land du hier hast überkommen,
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das Ceres düngt und baut, Pomona liebt und hegt,
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das Bacchus um und um mit Reben überlegt.
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Der Himmel ist dir Freund, der dieses dein Gefilde
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mit reicher Fruchtbarkeit so hat gemachet milde.
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Du machst, daß fast mein Sinn sein Vaterland vergißt,
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mit dem du liegst gleich hoch und gleiche fruchtbar bist,
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nur daß dus nicht auch bist. Ich danke deiner Floren,
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in welcher Kräuterschoß ich oftmals mich verloren
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und mancher langen Tag mir habe kurz gemacht,
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so daß ich nicht ward gewar, als bis er war verbracht.
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Oft hast du an den Strand dein' edlen Archimacken,
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die frech von Schenkeln sind und tragen stolz die Nacken,
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uns lassen ziehen vor, bist mit uns ausspaziert,
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und hast uns an der Hand um und in dich geführt,
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das Völklein lassen sehn, das anders keine Hilfe
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für Frost und Hitze hat als unter dürrem Schilfe,
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das strenge lebt und stirbt, und den nur arm sein dünkt,
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der Reichtum Reichtum heißt, und köstlich ißt und trinkt.
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Auch hast du uns erzählt, wie nah' an deinen Gränzen
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der Kainkover-Strand von Salze solle glänzen
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und die Westover-See, wie durch der Sonnen Glut
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zu Salze wird gekocht der Mozakovsker Flut,
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auch wie die Jaike fleußt, das Wohnhaus der Kalmücken,
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die manchen reichen Raub dir aus der Hand entrücken,
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die Jaike, die sich auch in den Hyrkau ergeußt
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und dieser deiner Rha fast wie zu Trutze fleußt.
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Da hast uns Lust geschafft mit Wind- und Federspielen,
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zu Land' und auf der Flut, auf Bergen und in Pfülen.
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Bald warest du bei uns, bald waren wir bei dir.
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Du bist uns feindlich nie, stets freundlich kommen für.
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Gehabe dich itzt wol mit allen diesen Lüsten,
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mit aller deiner Zier! Das Heil der deutschen Christen
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und dein selbsteigner Nutz gebeut uns ferner auf;
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er will vollführet sein, der edle schöne Lauf
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des edlen schönen Tuns, das auf der Famen Wagen
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bis über den Saturn wird hin und her getragen;
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das der ersuchte Herr des Himmels selbsten treibt
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und in sein Sternenbuch mit güldner Dinte schreibt.
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Der günstige Nordost, der bläst aus vollen Backen
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die holen Segel auf, er jagt die hohen Flacken
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auf die Gualesker-See, auf die vor unsrer Zeit
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kein deutscher Dannenbaum zu schwimmen war befreit.
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Es fügt uns Wind und Stern auf Terky der Zirkassen;
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sein fürstlicher Mutschal reist vor, uns zu umfassen
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in seiner Landesstadt. Wir kommen auf Bachu,
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auf Derbent, auf Gilan und wo wir denken zu.
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Gehabe dich itzt wol, o Astrachan, du werte,
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die uns vor kurzer Zeit zu sehen so begehrte,
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die ganz an ihren Strand vor ihre Tore lief
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und ihr Glück zu! Glück zu! in unsre Salven rief!
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Der Knall und das Geschrei von euch und unsern Stücken
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vermengten Furcht und Lust. Nun siehst du unserm Rücken
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mit stillem Sehnen nach, schickst manches feuchtes Ach
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uns bis auf deine See, bis gar in Persen nach.
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Es müsse der dein Strom so sicher ewig fließen
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und mit gefreiter Flut sein Ufer überschießen!
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Für das, daß er uns dir so wol hat zugeführt,
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so soll er stets mit Dank und Ehren sein geziert,
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wie denn auch du mit ihm! So bleibe denn gewogen!
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Wir ziehen einen Weg, den Niemand ist gezogen,
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den der selbst mit uns tut, dem nichts nicht mißgelingt,
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der allem Glücke selbst sein rechtes Glücke bringt.
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Kein Glück' ist Glück' ohn' ihm. Wir sind getroster Sinnen.
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Was gilts, wir wollen noch der Ehren Lob gewinnen,
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daß die Vergessenheit auch unser denken soll.
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Du aber, edle Stadt, gehabe dich itzt wol!

Details zum Gedicht „Als die Holsteinische Gesellschaft von Astrachan“

Autor
Paul Fleming
Anzahl Strophen
1
Anzahl Verse
76
Anzahl Wörter
663
Entstehungsjahr
1636
Epoche
Barock

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Als die Holsteinische Gesellschaft von Astrachan“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Paul Fleming. 1609 wurde Fleming in Hartenstein (Sachsen) geboren. Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1636. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text der Epoche Barock zugeordnet werden. Der Schriftsteller Fleming ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche.

Die Literaturepoche des Barock folgt auf die Epoche des Humanismus und der Renaissance und umfasst den Zeitraum von circa 1600 bis 1720. Der Begriff leitet sich aus dem Portugiesischem ab. Der Begriff stammt aus der Juweliersprache und bedeutet so viel wie„schiefrunde, seltsam geformte Perle“. Durch die Pest starben ca. 30 % der Bevölkerung. Auch der Dreißigjährige Krieg führte zu einem sozialen, wirtschaftlichen und politischen Verfall in Deutschland. Dennoch lebten die Fürsten einen ausschweifenden und überaus luxuriösen Lebensstil vor. Sie nutzten das Durcheinander nach dem Dreißigjährigen Krieg, um eine Neuordnung der Gebiete vorzunehmen und ihre Macht auszubauen. Vornehmlich Krieg und Pest im Barock zeigen auch ein besonderes Merkmal auf: der Gegensatz. Zum einen Armut, Tod und Elend, zum anderen Macht, Prunk und Glanz. So lebte die einfache Bevölkerung in Armut, während Adelige einen verschwenderischen Lebensstil bevorzugten. Im Barock löste die deutsche Sprache das Lateinische ab. Zu den bedeutenden Lyrikern der Literaturepoche des Barocks zählen beispielsweise: Casper von Lohenstein, Martin Opitz, Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen, Andreas Gryphius, Caspar Ziegler, Paul Fleming, Angelus Silesius und Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau.

Das vorliegende Gedicht umfasst 663 Wörter. Es baut sich aus nur einer Strophe auf und besteht aus 76 Versen. Weitere Werke des Dichters Paul Fleming sind „Tanzlied“, „Ein getreues Herz zu wissen“ und „In allen meinen Thaten“. Zum Autor des Gedichtes „Als die Holsteinische Gesellschaft von Astrachan“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 366 Gedichte vor.

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