Draußen schneit’s von Joachim Ringelnatz
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Wir hatten ein Schaukelpferd vorher gekauft. |
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Aber nachher kam gar kein Kind. |
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Darum hatten wir damals das Pferd dann Bubi getauft. – |
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Weil nun die Holzpreise so unerschwinglich sind; |
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Und ich nun doch schon seit Donnerstag |
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Nicht mehr angestellt bin, weil ich nicht mehr mag; |
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Haben wir’s eingeteilt. Und zwar: |
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Die Schaukel selbst für November, |
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Kopf und Beine Dezember, |
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Rumpf mit Sattel für Januar. |
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Ich gehe nie wieder in die Fabrik. |
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Ich habe das Regelmäßige dick. |
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Da geht das Künstlerische darüber abhanden. |
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Wenn die auch jede Woche bezahlen, |
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Aber nur immer Girlanden und wieder Girlanden |
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Auf Spucknäpfe malen, |
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Die sich die Leute doch nie begucken, |
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Im Gegenteil noch darauf spucken, – – |
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Das bringt ja ein Pferd auf den Hund. |
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Als freier Künstler kann ich bis mittags liegen |
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Bleiben. – Na und die Frau ist gesund. |
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Es wird sich schon was finden, um Geld beizukriegen. |
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Anna und ich haben vorläufig nun |
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Erst mal genug mit dem Bubi zu tun. |
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Rumpf zersägen, Beine rausdrehn, |
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Nägel rausreißen, Fell abschälen. |
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Darüber können Wochen vergehn. |
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Das will auch gelernt und verstanden sein, |
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Sonst kann man sich daran zu Tode quälen. |
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Solches Holz ist härter als Stein. |
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Dann spalten und Späne zum Anzünden schneiden |
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Und tausenderlei. |
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Aber das tut uns gut, uns beiden, |
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Sich mal so körperlich auszuschwitzen. |
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Außerdem kann man ja dabei |
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Ganz bequem auf dem Sofa sitzen; |
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Raucht seine Pfeife, trinkt seinen Tee, |
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Und vor allem: Man ist eben frei! |
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Man hat sein eigenes Atelier. |
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Man hat seinen eigenen Herd; |
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Da wird ein Feuerchen angemacht – |
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Mit Bubipferd –, |
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Daß die Esse kracht. |
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Und die Anna singt, und die Anna lacht. |
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Da können wir nach Belieben |
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Die Arbeit auf später verschieben. |
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Denn wenn man das Gas uns sperren läßt |
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Oder kein Bier ohne Bargeld mehr gibt, |
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Dann kriechen wir gleich nach Mittag ins Nest |
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Und schlafen, solange es uns beliebt. |
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Freilich: Der feste Lohn fällt nun fort, |
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Aber die Freiheit ist auch was wert. |
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Und das mit dem Schaukelpferd |
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Ist jetzt unser Wintersport. |
Details zum Gedicht „Draußen schneit’s“
Joachim Ringelnatz
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325
1933
Moderne,
Expressionismus
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Draußen schneit’s“ wurde von dem deutschen Dichter und Schriftsteller Joachim Ringelnatz verfasst, der zwischen 1883 und 1934 lebte. Der Zeitpunkt, an dem das Gedicht verfasst wurde, ist nicht genau definiert, aber anhand des Lebensdatums von Ringelnatz lässt sich vermuten, dass das Gedicht Anfang des 20. Jahrhunderts entstand.
Auf den ersten Eindruck scheint das Gedicht die Geschichte eines Paares zu erzählen, das sich für ein Leben jenseits der traditionellen Arbeitswelt entschieden hat. Der Inhalt des Gedichts dreht sich um den tagtäglichen Kampf und die kleinen Freuden des Paares, das aus einer Not heraus das gekaufte Schaukelpferd stückweise als Brennholz verwendet, da Holzpreise hoch sind und sie kein festes Einkommen mehr haben.
Im Laufe des Gedichts wird deutlich, dass die Hauptperson, das lyrische Ich, ein Mann ist, der gerne Künstler wäre, aber das regelmäßige und einförmige Arbeiten in der Fabrik satt hat. Er und seine Partnerin, Anna, kämpfen mit den Herausforderungen der Arbeitslosigkeit und Armut, aber auch die Freuden des freien Lebens werden thematisiert. Trotz aller Schwierigkeiten finden sie ihre Freiheit und Unabhängigkeit als unbezahlbar und genießen sie. Das Zersägen des Schaukelpferds, das ursprünglich für ein Kind gekauft wurde, das nie kam, wird zum Symbol ihrer Freiheit und zur Quelle von Wärme in den kalten Winter.
Im Hinblick auf die Form des Gedichts gibt es eine sichtbare Struktur: Das Gedicht besteht aus acht Strophen mit unterschiedlichen Anzahl von Versen. Die Sprache des Gedichts ist einfach und wirkt oft umgangssprachlich. Ringelnatz verwendet eine direkte, fast prosaische Sprache und vermittelt so eine realistische Darstellung des Lebens des Paares. Er verwendet auch Humor und Ironie, um die ernste Situation abzuschwächen, was für die Werke von Joachim Ringelnatz typisch ist.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass „Draußen schneit's“ ein lebendiges Bild der Kämpfe und kleinen Freuden im Leben eines Paares bietet, das sich gegen ein regelmäßiges Arbeitsleben entschieden hat. Das Gedicht ist auch eine Huldigung an die Freiheit und Unabhängigkeit, selbst unter widrigen Bedingungen.
Weitere Informationen
Der Autor des Gedichtes „Draußen schneit’s“ ist Joachim Ringelnatz. Ringelnatz wurde im Jahr 1883 in Wurzen geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes geht auf das Jahr 1933 zurück. Erscheinungsort des Textes ist Berlin. Eine Zuordnung des Gedichtes zu den Epochen Moderne oder Expressionismus kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Der Schriftsteller Ringelnatz ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen. Das vorliegende Gedicht umfasst 325 Wörter. Es baut sich aus 8 Strophen auf und besteht aus 54 Versen. Joachim Ringelnatz ist auch der Autor für Gedichte wie „Afrikanisches Duell“, „Alone“ und „Alte Winkelmauer“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Draußen schneit’s“ weitere 560 Gedichte vor.
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