Die ägyptische Maria von Rainer Maria Rilke

Seit sie damals, bettheiß, als die Hure
übern Jordan floh und, wie ein Grab
gebend, stark und unvermischt das pure
Herz der Ewigkeit zu trinken gab,
 
wuchs ihr frühes Hingegebensein
unaufhaltsam an zu solcher Größe,
daß sie endlich, wie die ewige Blöße
aller, aus vergilbtem Elfenbein
 
dalag in der dürren Haare Schelfe.
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Und ein Löwe kreiste; und ein Alter
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rief ihn winkend an, daß er ihm helfe:
 
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(und so gruben sie zu zwein.)
 
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Und der Alte neigte sie hinein.
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Und der Löwe, wie ein Wappenhalter,
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saß dabei und hielt den Stein.
Arbeitsblatt zum Gedicht
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Details zum Gedicht „Die ägyptische Maria“

Anzahl Strophen
5
Anzahl Verse
15
Anzahl Wörter
91
Entstehungsjahr
1918
Epoche
Moderne

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Die ägyptische Maria“ wurde von Rainer Maria Rilke verfasst, einem bedeutenden deutschsprachigen Lyriker des frühen 20. Jahrhunderts. Da Rilke im Jahr 1926 starb, kann dieses Gedicht in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts eingeordnet werden.

Das Gedicht hinterlässt zunächst einen eher düsteren, rätselhaften Eindruck und erfordert eine eingehende Interpretation. Der Titel sowie bestimmte Schlüsselwörter weisen auf religiöse Thematiken hin. Maria ist eine zentrale Figur des Christentums, während Ägypten eine wichtige Rolle in der biblischen Geschichte spielt.

Im Hinblick auf den Inhalt scheint das lyrische Ich die Wandlung einer Frau von einer sündigen Existenz hin zu einer heiligen zu erzählen. Die Identifizierung der weiblichen Figur als „die Hure“ verweist auf eine sündhafte Vergangenheit. Ihre Flucht über den Jordan, ein biblisches Symbol der Reinigung, deutet auf eine geistige Veränderung hin.

Das lyrische Ich beschreibt, wie diese Frau („Maria“) vollständig dem „Herz der Ewigkeit“ (Gott) hingegeben wurde und dadurch in Größe gewachsen ist. Sie wird in der Form eines aus Elfenbein geschnitzten Bildes dargestellt, was auf ihre Heiligkeit hinweist. Ein anderer Charakter, der „Alte“, scheint dabei zu helfen, ihr Grab zu graben, während ein Löwe, ein traditionelles christliches Symbol für Kraft und Auferstehung, Wache hält.

Formal besteht das Gedicht aus fünf Strophen mit unterschiedlicher Versanzahl. Seine Sprache ist bildreich und von starken Metaphern geprägt, die die mystische und spirituelle Atmosphäre des Gedichts unterstützen. Die Verwendung altertümlicher Ausdrücke steigert die erhabene, fast biblische Tonart des Gedichts. Insgesamt unterstreicht Rilkes Sprachgebrauch das Thema der geistigen Transformation und Reinigung.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Die ägyptische Maria“ ist Rainer Maria Rilke. Rilke wurde im Jahr 1875 in Prag geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes geht auf das Jahr 1918 zurück. Der Erscheinungsort ist Leipzig. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text der Epoche Moderne zugeordnet werden. Bei Rilke handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das 91 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 15 Versen mit insgesamt 5 Strophen. Der Dichter Rainer Maria Rilke ist auch der Autor für Gedichte wie „Am Kirchhof zu Königsaal“, „Am Rande der Nacht“ und „An Julius Zeyer“. Zum Autor des Gedichtes „Die ägyptische Maria“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 338 Gedichte vor.

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