Das Lied vom jungen Grafen (Deutsch) von Johann Gottfried Herder
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Ich steh auf einem hohen Berg, |
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seh' 'nunter ins tiefe Tal, |
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da sah ich ein Schifflein schweben, |
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darin drei Grafen saß'n. |
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Der allerjüngst', der drunter war, |
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die in dem Schifflein saß'n, |
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der gebot seiner Liebe zu trinken |
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aus einem venedischen Glas. |
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„Was gibst mir lang zu trinken? |
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Was schenkst du mir lang ein? |
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Ich will jetzt in ein Kloster gehn, |
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will Gottes Dienerin sein." |
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„Willst du jetzt in ein Kloster gehn, |
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willst Gottes Dienerin sein, |
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so geh in Gottes Namen; |
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deins gleichen gibt's noch mehr!" |
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Und als es war um Mitternacht, |
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dem jung'n Graf träumt's so schwer, |
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als ob sein allerliebster Schatz |
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ins Kloster gezogen wär', |
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„Auf, Knecht, steh auf und tummle dich; |
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sattl' unser beide Pferd! |
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Wir wollen reiten, sei Tag oder Nacht: |
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Die Lieb ist Reitens wert!" |
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Und da sie vor jen's Kloster kamen, |
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wohl vor das hohe Tor, |
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fragt er nach jüngst' der Nonnen, |
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die in dem Kloster war. |
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Das Nönnlein kam gegangen |
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in einem schneeweißen Kleid; |
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ihr Härl' war abgeschnitten, |
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ihr roter Mund war bleich. |
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Der Knab', er setzt' sich nieder, |
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er saß auf einem Stein; |
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er weint' die hellen Tränen, |
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brach ihm sein Herz entzwei. |
Details zum Gedicht „Das Lied vom jungen Grafen (Deutsch)“
Johann Gottfried Herder
9
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193
1744 - 1803
Sturm & Drang,
Klassik
Gedicht-Analyse
Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Das Lied vom jungen Grafen (Deutsch)“ des Autors Johann Gottfried Herder. Im Jahr 1744 wurde Herder in Mohrungen (Ostpreußen) geboren. Das Gedicht ist in der Zeit von 1760 bis 1803 entstanden. Eine Zuordnung des Gedichtes zu den Epochen Sturm & Drang oder Klassik kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Bei Herder handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen.
Zwischen den Epochen Empfindsamkeit und Klassik lässt sich in den Jahren zwischen 1765 und 1790 die Strömung Sturm und Drang einordnen. Geniezeit oder zeitgenössische Genieperiode sind häufige Bezeichnungen für diese Literaturepoche. Der Literaturepoche des Sturm und Drang geht die Epoche der Aufklärung voran. Die Ideale und Ziele der Aufklärung wurden verworfen und es begann ein Auflehnen gegen die Prinzipien der Aufklärung und das gesellschaftliche System. Die Vertreter der Epoche des Sturm und Drang waren häufig Schriftsteller im jungen Alter, die sich gegen die vorherrschende Strömung der Aufklärung wandten. Die Autoren versuchten in den Gedichten eine geeignete Sprache zu finden, um die subjektiven Empfindungen des lyrischen Ichs zum Ausdruck zu bringen. Die Nachahmung und Idealisierung von Autoren aus vergangenen Epochen wie dem Barock wurde abgelehnt. Die alten Werke wurden dennoch geschätzt und dienten als Inspiration. Es wurde eine eigene Jugendkultur und Jugendsprache mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Wiederholungen und Halbsätzen geschaffen. Die Epoche des Sturm und Drang endete mit der Hinwendung Schillers und Goethes zur Weimarer Klassik.
Goethe (* 28. August 1749 in Frankfurt am Main; † 22. März 1832 in Weimar) ist einer der populärsten Dichter der Weimarer Klassik. 1786 unternahm Goethe eine Italienreise, diese wird als Beginn der Weimarer Klassik angesehen. Das Ende der Literaturepoche ist im Jahr 1832 auszumachen. Ausgangspunkt und literarisches Zentrum der Weimarer Klassik (kurz auch oftmals einfach nur Klassik genannt) war Weimar. Die Klassik geht von einer Erziehbarkeit des Individuums zum Guten aus. Ihr Bestreben ist die Humanität, die wahre Menschlichkeit (das Schöne, Gute, Wahre). Die Vertreter der Klassik gingen davon aus, dass Gott den Menschen Vernunft und Gefühle gibt und die Menschen damit dem Leben einen Sinn geben. Der Mensch ist also von höheren Mächten bestimmt. In der Lyrik haben die Dichter auf Gestaltungs- und Stilmittel aus der Antike zurückgegriffen. Beispielsweise war so die streng an formale Kriterien gebundene Ode besonders populär. Darüber hinaus verwendeten die Dichter jener Zeit eine gehobene, pathetische Sprache. Die Hauptvertreter der Klassik sind Johann Wolfgang von Goethe, Friedrich Schiller, Johann Gottfried Herder und Christoph Martin Wieland. Einen künstlerischen Austausch im Sinne einer gemeinsamen Arbeit gab es jedoch nur zwischen Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller.
Das vorliegende Gedicht umfasst 193 Wörter. Es baut sich aus 9 Strophen auf und besteht aus 36 Versen. Weitere Werke des Dichters Johann Gottfried Herder sind „An die Freundschaft“, „Apollo“ und „Bilder und Träume“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Das Lied vom jungen Grafen (Deutsch)“ weitere 412 Gedichte vor.
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