Die schweizerischen Geschichtsforscher von Karl Rudolf Hagenbach
(1843.)
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Vereint sind wir zum schönen Werke, |
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Es schlingt sich freudig Hand in Hand, |
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Der Freiheit Hort ist unsre Stärke, |
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Und unser Stolz – das Vaterland. |
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Ihm weihen wir die schönsten Stunden |
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Und unsrer Jahre beste Kraft, |
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Sein Thun und Leiden auszukunden |
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Ist, Brüder! unsre Wissenschaft. |
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Und ob auch Andre Andres treiben |
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Im gleichen vaterländ’schen Sinn, |
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Geschichte muß Geschichte bleiben |
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Und unverkümmert ihr Gewinn. |
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Ob in des Gletschers rauhe Firne |
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Des kühnen Forschers Auge dringt, |
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Dort wo sich um der Jungfrau Stirne |
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Des Eises Demantkrone schlingt, |
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Und ob auf hoher Alpen Triften |
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Sie trinken süßer Blumen Duft – |
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Indeß der Moder alter Schriften |
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Uns anweht aus der feuchten Gruft; |
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Wir feiern dennoch unsre Lenze, |
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Auch uns erschließt sich die Natur, |
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Und unerwelklich blühn die Kränze |
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Im Geisterreich der Freiheit nur. |
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Meint Ihr, im Schooße der Archive |
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Da kröche nur der Bücherwurm? |
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Als ob nicht da der Riese schliefe, |
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Gebannt im alten Zauberthurm. |
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Den gilts mit klugem Wort zu wecken |
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Aus seinem langen schweren Traum, |
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Daß vor dem Recken mög’ erschrecken |
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Der aufgeblas’ne Flaum und Schaum. |
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Daß dem Gewaltigen sich beuge |
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Das niederträchtige Geschlecht, |
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Wenn er ersteht als alter Zeuge |
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Von alter Treu und altem Recht. |
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Sie mögen spotten, mögen sagen, |
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Geschichte sei nur Märchentand, |
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Gewesen sei’s in alten Tagen |
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Wie heut zu Tag und hie zu Land. |
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Wohl gab es viel der alten Sünden |
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Und alten Wust und alten Rost, |
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Und wer ein solches mag ergründen, |
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Dem lassen wir die ekle Kost. |
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Des Schönen wollen wir uns freuen, |
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Des Guten aus der alten Zeit, |
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Nicht weil es alt, nein!, weils dem Neuen |
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Den Grund zum weitern Bau verleiht. |
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Denn was auch immer dicht’ und sinne |
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Der Geist; die eine Wurzel bleibt, |
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Die Wurzel, die von Anbeginne |
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Der Menschheit Baum zum Blühen treibt. |
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Und was uns als das Schönste, Beste |
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Die neueste der Zeiten preist, |
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Getragen habens doch die Aeste |
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Des Baums, der uns Geschichte heißt. |
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An diesem Stammbaum laßt uns halten, |
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Er steht auf festem, sicherm Grund, |
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Und mag auch manches Blatt veralten, |
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Des Baumes Mark, es bleibt gesund. |
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Und ob sich auch der Dichtung Ranken |
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Gewoben um den grauen Stamm, |
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Wir könnens nur der Dichtung danken, |
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Was sie gewoben wundersam. |
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Behüte Gott, daß wir entkleiden |
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Den Stamm, bis er ist kahl und nackt; |
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Nur lüften wollen wir bescheiden |
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Den Schleier mit des Kenners Takt. |
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Ihr gutes Recht hat auch die Sage, |
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Und ihre Wahrheit Poesie; |
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Nur daß der Lügner es nie wage, |
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Zu dichten, es gelingt ihm nie. |
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Und ob er auch mit Brief und Siegel |
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Sich und die Gegenwart besticht, |
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Zurück wirft der Geschichte Spiegel |
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Ihm stets ein Lügenangesicht. |
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Ihr aber dringet vor zu Klarheit |
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Und zu des Wissens Harmonie: |
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Es lebe der Geschichte Wahrheit, |
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Und der Geschichte Poesie! |
Details zum Gedicht „Die schweizerischen Geschichtsforscher“
Karl Rudolf Hagenbach
20
80
451
1843
Biedermeier,
Junges Deutschland & Vormärz
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Die schweizerischen Geschichtsforscher“ wurde von Karl Rudolf Hagenbach verfasst, einem Theologen und Hochschullehrer, der von 1801 bis 1874 lebte. Das legt nahe, dass das Gedicht im 19. Jahrhundert entstanden ist.
Schon beim ersten Lesen fällt auf, dass es sich um ein Aufruf an die Geschichtsforscher handelt und eine Huldigung an die Geschichte selbst ist. Es betont auch, dass das Sammeln und Erforschen von Geschichte ein Akt der gegenseitigen Zusammenarbeit und Respekt für das Vaterland ist.
Im Inhalt geht das lyrische Ich auf die Bedeutung der Geschichtsforschung für das Verständnis des Vaterlandes ein. Es beschreibt das Studium der Geschichte als eine ehrenwerte Aufgabe, die den Forschern gestattet, an der Geschichte teilzuhaben, sie zu verehren und aus ihr zu lernen. Das lyrische Ich betont auch, dass die Freiheit und das Wissen, das aus der Erforschung der Geschichte gewonnen wird, ein Schatz und ein Quell des Stolzes sind.
Die Form dieses Gedichts ist durch geregelte Strophen und Verse gekennzeichnet. Jede Strophe besteht aus vier Versen, was zeigt, dass Hagenbach hier eine sehr strukturierte Form gewählt hat. In Bezug auf die Sprache verwendet Hagenbach eine hohe, feierliche und poetische Sprache, um die Würde und Bedeutung der Geschichtsforschung zu unterstreichen. Dabei kommt auch die Naturmystik des 19. Jahrhunderts zum Ausdruck, die in der Beschreibung der alpinen Landschaft ihren Ausdruck findet.
Schlussendlich ist das Gedicht eine Aufforderung an die Geschichtsforscher, tiefer zu graben und alle Aspekte der Geschichte zu entdecken, unabhängig davon, ob sie schön oder hässlich sind. Es ist außerdem eine Wertschätzung für die Bedeutung, die die Geschichte für das Verständnis der Gegenwart hat, und eine Kritik an jenen, die die Geschichte falsch darstellen oder missverstehen.
Weitere Informationen
Das Gedicht „Die schweizerischen Geschichtsforscher“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Karl Rudolf Hagenbach. Im Jahr 1801 wurde Hagenbach in Basel geboren. Im Jahr 1843 ist das Gedicht entstanden. Basel ist der Erscheinungsort des Textes. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text den Epochen Biedermeier oder Junges Deutschland & Vormärz zugeordnet werden. Vor Verwendung der Angaben zur Epoche prüfe bitte die Richtigkeit. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen und daher anfällig für Fehler. Das Gedicht besteht aus 80 Versen mit insgesamt 20 Strophen und umfasst dabei 451 Worte. Weitere Werke des Dichters Karl Rudolf Hagenbach sind „Der Osterhase“ und „Trommellied“. Zum Autor des Gedichtes „Die schweizerischen Geschichtsforscher“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de keine weiteren Gedichte vor.
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