Die letzte Nacht von Sophie Friederike Mereau
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Sie sinkt, die Nacht! sie sinkt auf Mohn und Flieder, |
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im Grabgewand’, von Leichenduft umwebt, |
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ein kalter Schauder bebt mir durch die Glieder, |
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Indeß der freye Geist sich zu entfesseln strebt! |
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Verhallt, auf ewig! sind der Hoffnung Lieder, |
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Verrauscht der Freude goldnes Saitenspiel! |
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Kein Gott facht die verlosch’ne Flamme wieder |
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Im öden Busen an – ich bin am Ziel! |
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Ich hör’ im Sturme, der die hohe Eiche |
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Mit Allmachtsvollem Arm zur Erde beugt, |
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Im dumpfen Schilfgeflüster, das am trüben Teiche |
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Sich traurig hin und her im Winde neigt, |
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Wie aus gebleichten Schädeln, hohl und düster, |
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Der Abgeschiednen Stimme: folge mir! |
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Und Schattenbilder wehn mit Grabgeflüster |
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Zu mir heran, und hauchen: folge mir! |
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Ich folg’ euch gern! ach, an Unmöglichkeiten |
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verlosch des Lebens einst so schönes Licht! – |
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Wer zürnt dem Kranken, dem’s im Kampf mit seinen Leiden, |
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Zuletzt an Muth und inn’rer Kraft gebricht? |
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Vernimm du, Wesen! das ich ewig liebe, |
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Dies Herz erträgt den bittern Kampf nicht mehr! |
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Vergebens rang es mit Vernunft und Liebe, |
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ihr Widerspruch wird seiner Kraft zu schwer! |
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Was soll, Geliebte! ohne dich das Leben, |
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dies bange Traumgebild, was soll es mir? |
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Wo einer lacht, wenn tausend andre beben; |
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Was kann ich lieben, wünschen – außer dir? |
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Ich eil’ hinaus, ins schaudervolle Oede! |
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Verändrung ist für mich Verbesserung! |
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Und glüht mir jenseits keine Morgenröthe, |
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Der Grabesnacht entblüht Beruhigung! |
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Ich lechze auf nach hellern Lebensblicken! |
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Gewißheit blüht aus der Verwesung Staub! |
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Dort will ich mir die Aetherblume pflücken – |
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Zu lange war ich hier des Wahnes Raub! |
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Schon seh ich Thau aus jener Wolke sinken |
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Schon fühl ich mich vom Morgenhauch umbebt |
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Wenn dieses Sternes letzte Stralen blinken, |
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Dann hat dein treuer Jüngling ausgelebt. |
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S. S. |
Details zum Gedicht „Die letzte Nacht“
Sophie Friederike Mereau
11
41
279
1793
Klassik
Gedicht-Analyse
Der Autor des Gedichts ist Sophie Friederike Mereau, eine Schriftstellerin der deutschen Romantik, die zwischen 1770 und 1806 lebte. Die Zeit der Romantik (etwa 1795 bis 1848) ist gekennzeichnet durch eine Flucht ins Mystische, Unbewusste und Irrationale, eine Verklärung der Vergangenheit, Naturverbundenheit und eine Fokus auf das Individuum und die eigene innere Gefühlswelt.
„Auf den ersten Eindruck handelt es sich bei 'Die letzte Nacht' um ein düsteres, tiefgründiges und melancholisches Gedicht, das sich mit Themen wie Tod, Verlust, Liebe und Einsamkeit auseinandersetzt.
Mereau präsentiert uns das lyrische Ich, das den unerbittlichen Verlust der Liebe und das sich nähernde Ende seines eigenen Lebens schildert. Er ist erfüllt von Verzweiflung und elegischem Bedauern, während er die schmerzhaft empfundene Leere seines Herzens und den Widerspruch zwischen Vernunft und Liebe enthüllt. Er stellt das Leben ohne seine Geliebte als sinnlos dar und sieht den Tod als Erlösung und Übergang in eine bessere Existenz an, wo er sich nach hellen Lebensblicken sehnt und an ein Leben nach dem Tod glaubt.
Das Gedicht ist in einer sehr gefühlsbetonten, malerischen und symbolischen Sprache verfasst. Es besteht aus elf Strophen mit jeweils vier Versen, außer der letzten Strophe, die nur einen Vers hat, was das plötzliche Ende und die finale Stimmung des Gedichts betont. Es gibt eine reiche Verwendung von Metaphern und Naturbildern, was typisch für die romantische Poesie ist. Mereau verwendet solche Bilder, wie die sinkende Nacht, der Sturm und die hohe Eiche, um die Gefühle des lyrischen Ichs darzustellen und die transformative Reise von Leben zu Tod zu symbolisieren. Außerdem enden alle Verse auf einem Reim, was einen melodischen Rhythmus erzeugt, der sowohl das Lesen als auch das Verstehen des Gedichts erleichtert.
Insgesamt bietet Mereaus Gedicht einen tiefgehenden Einblick in die menschliche Seele und stellt auf poetische Weise die Kontraste des Lebens dar: Freude und Schmerz, Liebe und Verlust, Leben und Tod.„
Weitere Informationen
Das Gedicht „Die letzte Nacht“ stammt aus der Feder der Autorin bzw. Lyrikerin Sophie Friederike Mereau. Die Autorin Sophie Friederike Mereau wurde 1770 in Altenburg geboren. Im Jahr 1793 ist das Gedicht entstanden. Erschienen ist der Text in Leipzig. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten der Autorin her der Epoche Klassik zuordnen. Die Angaben zur Epoche prüfe bitte vor Verwendung auf Richtigkeit. Die Zuordnung der Epoche ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Da sich die Literaturepochen zeitlich teilweise überschneiden, ist eine reine zeitliche Zuordnung fehleranfällig. Das vorliegende Gedicht umfasst 279 Wörter. Es baut sich aus 11 Strophen auf und besteht aus 41 Versen. Weitere bekannte Gedichte der Autorin Sophie Friederike Mereau sind „Erinnerung und Phantasie“, „Frühling“ und „Schwärmerei der Liebe“. Zur Autorin des Gedichtes „Die letzte Nacht“ haben wir auf abi-pur.de weitere 31 Gedichte veröffentlicht.
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Zum Autor Sophie Friederike Mereau sind auf abi-pur.de 31 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.
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