Die junge Magd von Georg Trakl
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Oft am Brunnen, wenn es dämmert, |
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Sieht man sie verzaubert stehen |
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Wasser schöpfen, wenn es dämmert. |
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Eimer auf und niedergehen. |
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In den Buchen Dohlen flattern |
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Und sie gleichet einem Schatten. |
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Ihre gelben Haare flattern |
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Und im Hofe schrein die Ratten. |
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Und umschmeichelt von Verfalle |
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Senkt sie die entzundenen Lider. |
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Dürres Gras neigt im Verfalle |
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Sich zu ihren Füßen nieder. |
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2. |
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Stille schafft sie in der Kammer |
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Und der Hof liegt längst verödet. |
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Im Hollunder vor der Kammer |
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Kläglich eine Amsel flötet. |
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Silbern schaut ihr Bild im Spiegel |
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Fremd sie an im Zwielichtscheine |
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Und verdämmert fahl im Spiegel |
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Und ihr graut vor seiner Reine. |
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Traumhaft singt ein Knecht im Dunkel |
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Und sie starrt von Schmerz geschüttelt. |
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Röte träufelt durch das Dunkel. |
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Jäh am Tor der Südwind rüttelt. |
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3. |
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Nächtens übern kahlen Anger |
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Gaukelt sie in Fieberträumen. |
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Mürrisch greint der Wind im Anger |
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Und der Mond lauscht aus den Bäumen. |
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Balde rings die Sterne bleichen |
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Und ermattet von Beschwerde |
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Wächsern ihre Wangen bleichen. |
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Fäulnis wittert aus der Erde. |
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Traurig rauscht das Rohr im Tümpel |
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Und sie friert in sich gekauert. |
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Fern ein Hahn kräht. Übern Tümpel |
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Hart und grau der Morgen schauert. |
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4. |
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In der Schmiede dröhnt der Hammer |
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Und sie huscht am Tor vorüber. |
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Glührot schwingt der Knecht den Hammer |
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Und sie schaut wie tot hinüber. |
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Wie im Traum trifft sie ein Lachen; |
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Und sie taumelt in die Schmiede, |
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Scheu geduckt vor seinem Lachen, |
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Wie der Hammer hart und rüde. |
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Hell versprühn im Raum die Funken |
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Und mit hilfloser Geberde |
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Hascht sie nach den wilden Funken |
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Und sie stürzt betäubt zur Erde. |
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5. |
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Schmächtig hingestreckt im Bette |
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Wacht sie auf voll süßem Bangen |
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Und sie sieht ihr schmutzig Bette |
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Ganz von goldnem Licht verhangen, |
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Die Reseden dort am Fenster |
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Und den bläulich hellen Himmel. |
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Manchmal trägt der Wind ans Fenster |
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Einer Glocke zag Gebimmel. |
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Schatten gleiten übers Kissen, |
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Langsam schlägt die Mittagsstunde |
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Und sie atmet schwer im Kissen |
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Und ihr Mund gleicht einer Wunde. |
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6. |
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Abends schweben blutige Linnen, |
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Wolken über stummen Wäldern, |
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Die gehüllt in schwarze Linnen. |
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Spatzen lärmen auf den Feldern. |
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Und sie liegt ganz weiß im Dunkel. |
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Unterm Dach verhaucht ein Girren. |
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Wie ein Aas in Busch und Dunkel |
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Fliegen ihren Mund umschwirren. |
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Traumhaft klingt im braunen Weiler |
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Nach ein Klang von Tanz und Geigen, |
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Schwebt ihr Antlitz durch den Weiler, |
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Weht ihr Haar in kahlen Zweigen. |
Details zum Gedicht „Die junge Magd“
Georg Trakl
18
78
384
1913
Expressionismus
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Die junge Magd“ ist von Georg Trakl, einem bedeutenden Vertreter der literarischen Strömung des Expressionismus in der Lyrik, der von 1887 bis 1914 lebte. Es lässt sich zeitlich in die Zeit kurz vor dem Ersten Weltkrieg einordnen.
Auf den ersten Eindruck wirkt das Gedicht düster und melancholisch. Die Erzählung entwickelt sich langsam und steigert sich in ihrer dramatischen Intensität. Das lyrische Ich ist eine junge Frau, deren alltägliche Routinen in einzelnen Szenen beschrieben werden, begleitet von Empfindungen von Entrücktheit und schleichender Verzweiflung.
Inhaltlich beschreibt das Gedicht die Mundanität und gleichzeitige Dunkelheit der menschlichen Existenz durch das Beispiel einer jungen Magd. Sie führt scheinbar normale Tätigkeiten aus wie das Schöpfen von Wasser am Brunnen, sie betritt die Schmiede, liegt im Bett, schaut in den Spiegel. Obwohl diese Aktivitäten alltäglich sind, werden ihre Handlungen und ihre Umgebung mit düsteren Bildern und atmosphärischen Elementen verbunden.
In Bezug auf die Form und die Sprache ist das Gedicht gekennzeichnet durch eine regelmäßige Struktur und eine melancholische, bildreiche Sprache mit vielen Natursymbolen und Farbmetaphern. Die Verwendung von Symbolen, Metaphern und Wiederholungen verstärkt den Eindruck einer intensiven emotionalen Atmosphäre und einer geheimnisvollen, fast unheimlichen Landschaft.
Die Einfachheit und Eindringlichkeit des Erzählstils lässt eine innere Zerrissenheit und Leere des lyrischen Ichs erahnen, die von der harten Realität der Außenwelt widerspiegelt wird. Es schafft starke Bilder von Dunkelheit, Zerfall, Krankheit, Schmerz und Tod. Diese Bilder unterstreichen die triste, perspektivlose Existenz der jungen Magd, die von der Gesellschaft nicht wahrgenommen und verstanden wird.
Weitere Informationen
Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Die junge Magd“ des Autors Georg Trakl. 1887 wurde Trakl in Salzburg geboren. Das Gedicht ist im Jahr 1913 entstanden. Erscheinungsort des Textes ist Leipzig. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zur Epoche Expressionismus zu. Trakl ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das vorliegende Gedicht umfasst 384 Wörter. Es baut sich aus 18 Strophen auf und besteht aus 78 Versen. Die Gedichte „Die Raben“, „Die Ratten“ und „Die schöne Stadt“ sind weitere Werke des Autors Georg Trakl. Zum Autor des Gedichtes „Die junge Magd“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 60 Gedichte vor.
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