Die betrogene Welt von Christian Felix Weiße

Der reiche Thor mit Gold geschmücket,
Zieht Celimenens Augen an:
Der wackre Mann wird fortgeschicket,
Den Stutzer wählt sie sich zum Mann:
Es wird ihr prächtigs Band vollzogen
Und bald sieht sie ihr Elend ein:
Die Welt will ja betrogen seyn;
Drum werde sie betrogen!
 
Auf närrischen geschmückten Bühnen
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Schreyt Stax den albern Bürger stumm,
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Preist Curen, die nicht möglich schienen,
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Und zeigt sein Privilegium:
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Hanns gafft, und seinem Wahn gewogen,
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Schluckt er den Tod in Billen ein;
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Die Welt will ja betrogen seyn,
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Drum werde sie betrogen!
 
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Beate, die vor wenig Tagen
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Der Buhlerinnen Krone war,
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Fängt an sich violet zu tragen,
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Und kleidet Canzel und Altar.
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Dem äußerlichen Schein gewogen
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Hält mancher sie für engelrein.
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Die Welt will ja betrogen seyn:
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Drum werde sie betrogen!
 
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So oft ich Carolinchen küsse,
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Schwör ich ihr zärtlich ewge Treu:
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Sie stellt sich, als ob sie nicht wisse,
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Daß außer mir ein Jüngling sey.
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Kaum hat mich Doris weggezogen,
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So nimmt mein Aemtgen Damon ein.
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Die Welt will ja betrogen seyn:
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Drum werde sie betrogen!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (25.9 KB)

Details zum Gedicht „Die betrogene Welt“

Anzahl Strophen
4
Anzahl Verse
32
Anzahl Wörter
173
Entstehungsjahr
1758
Epoche
Aufklärung

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Die betrogene Welt“ stammt von Christian Felix Weiße, einem deutschen Schriftsteller der Aufklärung, der von 1726 bis 1804 lebte. Es fällt somit in das späte 18. und frühe 19. Jahrhundert und ist stark von der aufklärerischen Gedankenwelt dieser Zeit geprägt.

Beim ersten Eindruck des Gedichtes fällt das wiederkehrende Motiv der Täuschung und der Betrug auf. Der Duktus des Gedichtes ist dabei eher sarkastisch und kritisch, was eine satirische Note verleiht.

Das Gedicht besteht aus vier Strophen zu jeweils acht Versen. Jede Strophe behandelt dabei eine eigene Szene beziehungsweise einen eigenen Fall von Täuschung. In der ersten Strophe geht es um eine wohlhabende Frau namens Celimene, die sich von einem reichen Narren blenden lässt und einen Lebemann heiratet, nur um später ihr Elend zu erkennen. In der zweiten Strophe wird eine Art von Wunderheiler namens Stax inszeniert, der die Bürger mit unglaublichen Heilversprechen betrügt. Die dritte Strophe handelt von Beate, einer ehemaligen Dirne, die nun in himmelblau gekleidet den Altar schmückt und von der Gesellschaft als engelsgleich wahrgenommen wird. Die letzte Strophe thematisiert das lyrische Ich selbst, das seine Geliebte betrügt, indem es ihr ewige Treue schwört, während es gleichzeitig eine Affäre mit einer anderen Frau hat.

Es zeigt sich, dass das lyrische Ich der Welt einen Spiegel vorhält und sie kritisiert, indem es deutlich macht, wie leicht Menschen getäuscht werden können und wie sehr sie oft geradezu danach verlangen, in ihren Vorurteilen und Wunschvorstellungen bestätigt zu werden („Die Welt will ja betrogen seyn“).

Formal ist das Gedicht in einem recht einfachen Reimschema gehalten: jeder zweite und vierte Vers einer Strophe reimen sich (Paarreim), genauso wie der sechste und der achte Vers. Die Sprache des Gedichtes ist, obwohl aus dem 18. Jahrhundert, verständlich und klar. Die wiederkehrenden Redewendungen und Formulierungen wie „Die Welt will ja betrogen seyn“ verleihen dem Gedicht eine gewisse formale Einheit und Struktur.

Insgesamt lässt sich sagen, dass Christian Felix Weiße in seinem Gedicht „Die betrogene Welt“ auf satirische Weise die menschliche Neigung zur Selbsttäuschung und zur Aufrechterhaltung von Illusionen thematisiert. Damit kritisiert er die Oberflächlichkeit und Täuschung innerhalb der Gesellschaft seiner Zeit.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Die betrogene Welt“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Christian Felix Weiße. Weiße wurde im Jahr 1726 in Annaberg geboren. Das Gedicht ist im Jahr 1758 entstanden. Leipzig ist der Erscheinungsort des Textes. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her der Epoche Aufklärung zuordnen. Weiße ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das 173 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 32 Versen mit insgesamt 4 Strophen. Der Dichter Christian Felix Weiße ist auch der Autor für Gedichte wie „Chloe“, „Chloe im Bade“ und „Cupido“. Zum Autor des Gedichtes „Die betrogene Welt“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 100 Gedichte vor.

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