Die drei Sonnen von Adelbert von Chamisso

Es wallte so silbernen Scheines
Nicht immer mein lockiges Haar,
Es hat ja Zeiten gegeben,
Wo selber ich jung auch war.
 
Und blick ich dich an, o Mädchen,
So rosig und heiter und jung,
Da taucht aus vergangenen Zeiten
Herauf die Erinnerung.
 
Die Mutter von deiner Mutter
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Noch sah ich die Schönere nicht,
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Ich staunte sie an, wie die Sonne,
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Geblendet von ihrem Licht.
 
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Und einst durchbebte mit Wonne
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Der Druck mich von ihrer Hand,
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Sie neigte darauf sich dem andern,
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Da zog ich ins fremde Land.
 
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Spät kehrt ich zurück in die Heimat,
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Ein Müder nach irrem Lauf,
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Es stieg am heimischen Himmel
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Die andere Sonne schon auf.
 
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Ja deine Mutter, o Mädchen,
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Noch sah ich die Schönere nicht,
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Ich staunte sie an, wie die Sonne,
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Geblendet von ihrem Licht.
 
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Sie reichte mir einst die Stirne
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Zum Kusse, da zittert ich sehr,
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Sie neigte darauf sich dem andern,
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Da zog ich über das Meer.
 
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Ich habe verträumt und vertrauert
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Mein Leben, ich bin ein Greis,
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Heim kehr ich, die dritte Sonne
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Erleuchtet den Himmelskreis.
 
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Du bist es, o Wonnereiche;
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Noch sah ich die Schönere nicht,
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Ich schaue dich an, wie die Sonne,
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Geblendet von deinem Licht.
 
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Du reichst mir zum Kusse die Lippen,
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Mitleidig mir wohl zu tun,
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Und neigst dich dem andern, ich gehe
40 
Bald unter die Erde, zu ruhn.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.6 KB)

Details zum Gedicht „Die drei Sonnen“

Anzahl Strophen
10
Anzahl Verse
40
Anzahl Wörter
222
Entstehungsjahr
1781 - 1838
Epoche
Romantik

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Die drei Sonnen“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Adelbert von Chamisso. Geboren wurde Chamisso im Jahr 1781 . Im Zeitraum zwischen 1797 und 1838 ist das Gedicht entstanden. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her der Epoche Romantik zuordnen. Bei dem Schriftsteller Chamisso handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche.

Die Romantik ist eine kulturgeschichtliche Epoche, die vom Ende des 18. Jahrhunderts bis weit in das 19. Jahrhundert hineinreichte. Insbesondere in den Bereichen der Literatur, Musik oder der bildenden Kunst hatte diese Epoche umfangreiche Auswirkungen. Die Literaturepoche der Romantik (ca. 1795–1848) lässt sich in Frühromantik (bis 1804), Hochromantik (bis 1815) und Spätromantik (bis 1848) aufgliedern. Die Welt, die sich durch die beginnende Industrialisierung und Verstädterung mehr und mehr veränderte, verunsicherte die Menschen. Die Französische Revolution in den Jahren 1789 bis 1799 hatte ebenfalls bedeutende Auswirkungen auf die Romantik. In der Romantik finden sich verschiedene charakteristische Motivkreise. Sehnsucht und Liebe (Blaue Blume) oder das Unheimliche (Spiegelmotiv) sind wichtige zu benennende Motive. Aber auch politische Motive wie Weltflucht, Nationalismus und Gesellschaftskritik lassen sich aufzeigen. Das Mittelalter gilt bei den Romantikern als Ideal und wird verherrlicht. Übel und Missstände des Mittelalters bleiben unbeachtet. Die äußere Form von romantischer Literatur ist dabei völlig offen. Kein festgesetztes Schema grenzt die Literatur ein. Dies steht ganz im Gegensatz zu den strengen Normen der Klassik. In der Romantik entstehen erstmals Sammlungen so genannter Volkspoesie. Bekannte Beispiele dafür sind Grimms Märchen und die Liedersammlung Des Knaben Wunderhorn. Doch bereits direkt nach Erscheinen der Werke wurde die literarische Bearbeitung (Schönung) durch die Autoren kritisiert, die damit ihre Rolle als Chronisten weit hinter sich ließen.

Das vorliegende Gedicht umfasst 222 Wörter. Es baut sich aus 10 Strophen auf und besteht aus 40 Versen. Weitere Werke des Dichters Adelbert von Chamisso sind „Die Löwenbraut“, „Zweites Lied von der alten Waschfrau“ und „Die alte Waschfrau“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Die drei Sonnen“ weitere 146 Gedichte vor.

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