Das Burgfräulein von Windeck von Adelbert von Chamisso

Halt an den schnaubenden Rappen,
Verblendeter Rittersmann!
Gen Windeck fleucht, dich verlockend,
Der luftige Hirsch hinan.
 
Und vor den mächtigen Türmen,
Vom äußern verfallenen Tor
Durchschweifte sein Auge die Trümmer,
Worunter das Wild sich verlor.
 
Da war es so einsam und stille,
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Es brannte die Sonne so heiß,
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Er trocknete tiefaufatmend
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Von seiner Stirne den Schweiß.
 
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»Wer brächte des köstlichen Weines
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Mir nur ein Trinkhorn voll,
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Den hier der verschüttete Keller
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Verborgen noch hegen soll?«
 
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Kaum war das Wort beflügelt
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Von seinen Lippen entflohn,
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So bog um die Efeu-Mauer
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Die sorgende Schaffnerin schon.
 
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Die zarte, die herrliche Jungfrau,
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In blendend weißem Gewand,
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Den Schlüsselbund im Gürtel,
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Das Trinkhorn hoch in der Hand.
 
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Er schlürfte mit gierigem Munde
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Den würzig köstlichen Wein,
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Er schlürfte verzehrende Flammen
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In seinen Busen hinein.
 
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Des Auges klare Tiefe!
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Der Locken flüssiges Gold!
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Es falteten seine Hände
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Sich flehend um Minnesold.
 
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Sie sah ihn an mitleidig
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Und ernst und wunderbar,
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Und war so schnell verschwunden,
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Wie schnell sie erschienen war.
 
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Er hat seit dieser Stunde,
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An Windecks Trümmer gebannt,
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Nicht Ruh, nicht Rast gefunden,
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Und keine Hoffnung gekannt.
 
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Er schlich im wachen Traume,
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Gespenstig, siech und bleich,
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Zu sterben nicht vermögend,
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Und keinem Lebendigen gleich.
 
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Sie sagen: sie sei ihm zum andern
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Erschienen nach langer Zeit,
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Und hab ihn geküßt auf die Lippen,
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Und so ihn vom Leben befreit.
Arbeitsblatt zum Gedicht
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Details zum Gedicht „Das Burgfräulein von Windeck“

Anzahl Strophen
12
Anzahl Verse
48
Anzahl Wörter
223
Entstehungsjahr
1781 - 1838
Epoche
Romantik

Gedicht-Analyse

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Das Burgfräulein von Windeck“ des Autors Adelbert von Chamisso. 1781 wurde Chamisso geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1797 und 1838. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text der Epoche Romantik zugeordnet werden. Chamisso ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche.

Die Romantik ist eine kulturgeschichtliche Epoche, die vom Ende des 18. Jahrhunderts bis weit in das 19. Jahrhundert hinein dauerte und sich insbesondere auf den Gebieten der bildenden Kunst, der Literatur und der Musik äußerte. Aber auch die Gebiete Geschichte, Theologie und Philosophie sowie Medizin und Naturwissenschaften waren von ihren Auswirkungen betroffen. Die Romantik kann in drei Phasen unterteilt werden: Frühromantik (bis 1804), Hochromantik (bis 1815) und Spätromantik (bis 1848). Die Gesellschaft des 18. Jahrhunderts galt im Allgemeinen als wissenschaftlich und aufstrebend, was hier vor allem durch die einsetzende Industrialisierung deutlich wird. Die Gesellschaft wurde zunehmend technischer, fortschrittlicher und wissenschaftlicher. Diese Entwicklung war den Romantikern zuwider. Sie stellten sich in ihren Werken gegen das Streben nach immer mehr Gewinn, Fortschritt und das Nützlichkeitsdenken, das versuchte, alles zu verwerten. In der Romantik finden sich verschiedene charakteristische Motivkreise. Sehnsucht und Liebe (Blaue Blume) oder das Unheimliche (Spiegelmotiv) sind wichtige zu benennende Motive. Auch politische Motive wie Weltflucht, Nationalismus und Gesellschaftskritik lassen sich aufzeigen. Das Mittelalter gilt bei den Romantikern als Ideal und wird verherrlicht. Übel und Missstände des Mittelalters bleiben unbeachtet. Die Romantik stellt die Freiheit der Phantasie sowohl über den Inhalt als auch über die Form des Werkes. Eine Konsequenz daraus ist ein Verschwimmen der Grenzen zwischen Lyrik und Epik. Die starren Regeln und Ziele der Klassik werden in der Romantik zurückgelassen. Eine gewisse Maß- und Regellosigkeit in den Werken fällt auf.

Das Gedicht besteht aus 48 Versen mit insgesamt 12 Strophen und umfasst dabei 223 Worte. Die Gedichte „Der alte Müller“, „Die Sonne bringt es an den Tag“ und „Der Soldat“ sind weitere Werke des Autors Adelbert von Chamisso. Zum Autor des Gedichtes „Das Burgfräulein von Windeck“ haben wir auf abi-pur.de weitere 146 Gedichte veröffentlicht.

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