Die Zeit von Christian Felix Weiße

Wenn mich bejahrte Spröden quälen,
Mir ihrer Jugend Glück erzählen,
Und auf die ietzgen Zeiten schmählen:
Wie lang wird mir die Zeit!
Wenn artge Mädchen mit mir spielen,
Die noch wie ich, ihr Leben fühlen,
Und schlau nach meinem Herzen zielen,
Wie hurtig verschwindet die Zeit!
 
Wenn meine Vettern mich betäuben,
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Mir weise Regeln niederschreiben,
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Wie ich soll gute Wirthschaft treiben:
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Wie lang wird mir die Zeit!
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Doch wenn sie wie der Tejer winken,
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Wo eingeschänkte Gläser blinken,
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Mit ihnen jugendlich zu trinken,
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Wie hurtig verschwindet die Zeit!
 
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Wenn mich politsche Mäckler stören,
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Sich wieder Türk und Pabst verschwören,
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Bald Reiche baun, bald sie zerstören,
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Wie lang wird mir die Zeit!
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Doch wenn mit unsrer Zeit zufrieden,
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Mich muntre Freund im Krieg und Frieden,
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Durch heitre Scherze nie ermüden:
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Wie hurtig verschwindet die Zeit!
 
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Wenn meine Wechsel langsam gehen,
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Die Gläubiger nicht Spas verstehen
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Und Wirthe mich nicht gerne sehen,
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Wie lang wird mir die Zeit!
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Doch wenn die volle Börse klinget,
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Man Wein mir ungefordert bringet,
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Wenn man bald tanzt, bald küßt, bald singet:
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Wie hurtig verschwindet die Zeit!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (25.7 KB)

Details zum Gedicht „Die Zeit“

Anzahl Strophen
4
Anzahl Verse
32
Anzahl Wörter
180
Entstehungsjahr
1758
Epoche
Aufklärung

Gedicht-Analyse

Dieses Gedicht stammt von Christian Felix Weiße, einem deutschen Dichter und Dramatiker des 18. Jahrhunderts. Die genaue Entstehungszeit des Gedichts ist nicht bekannt, aber aufgrund des Lebensdatums des Autors kann es zwischen Mitte und Ende des 18. Jahrhunderts verortet werden.

Auf den ersten Blick fällt auf, dass das Gedicht aus vier achtsilbigen Strophen besteht. In jeder Strophe wird ein bestimmtes Thema angeschnitten und das lyrische Ich beschreibt, wie es seine Zeit darin empfindet.

Der Inhalt des Gedichts befasst sich mit der subjektiven Wahrnehmung und Erfahrung von Zeit. In jeder Strophe stellt das lyrische Ich ein Szenario dar, in dem ihm die Zeit langsam und zäh vergeht. Dies sind Situationen, die es als störend, langweilig oder unangenehm empfindet – etwa das Erzählen alter Geschichten durch alte Menschen, das Belehren durch Vettern, politische Debatten oder finanzielle Probleme. Im jeweils zweiten Teil jeder Strophe hingegen schildert das lyrische Ich Szenarien, in denen ihm die Zeit schnell und angenehm vergeht. Es handelt sich hierbei um Situationen des Genusses, der Freude, des geselligen Beisammenseins, der Unbeschwertheit.

Die Form des Gedichts ist recht einheitlich: Jede der vier Strophen besteht aus acht Versen, die inhaltlich jeweils in zwei vierzeilige Teile unterteilt sind. Sprachlich ist das Gedicht in recht einfachem, verständlichem Deutsch gehalten, geprägt vom Wortschatz seiner Entstehungszeit. Die wiederkehrende Formulierung „Wie lang wird mir die Zeit!“ bzw. „Wie hurtig verschwindet die Zeit!“ unterstreicht das zentrale Thema der Zeitwahrnehmung und dient als rhetorische Figur, um die inhaltliche Differenzierung der jeweiligen Szenarien zu betonen.

Insgesamt vermittelt das Gedicht, dass unser Zeitgefühl stark von unseren Erlebnissen, unserer Umgebung und unserer Einstellung abhängt. Es weist darauf hin, dass Zeiten des Leids, der Langeweile oder der Schwierigkeiten lang und zäh erscheinen, während Zeiten der Freude, des Genusses und des Beisammenseins als kurz und flüchtig wahrgenommen werden. Die Botschaft könnte sein, dass wir möglichst viel Zeit in Situationen verbringen sollten, die uns Freude bereiten und erfüllen.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Die Zeit“ ist Christian Felix Weiße. 1726 wurde Weiße in Annaberg geboren. Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1758. Erscheinungsort des Textes ist Leipzig. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zur Epoche Aufklärung zu. Der Schriftsteller Weiße ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das vorliegende Gedicht umfasst 180 Wörter. Es baut sich aus 4 Strophen auf und besteht aus 32 Versen. Der Dichter Christian Felix Weiße ist auch der Autor für Gedichte wie „An ein Veilchen“, „An einen Bach im Winter“ und „Befehl an Zephyr“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Die Zeit“ weitere 100 Gedichte vor.

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