Das Urteil des Schemjáka von Adelbert von Chamisso
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»Hilf, Bruder, lieber Bruder mein, |
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Hilf, Reicher du, dem Armen; |
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Wirst gegen mich doch menschlich sein, |
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Wirst meiner dich erbarmen; |
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Leih mir den Gaul auf einen Tag, |
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Daß ich zu Holze fahren mag; |
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Gar grausam ist der Winter!« |
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»Dich lehrt das Roß, das du verlangst, |
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Die Zunge zu bewegen; |
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Wann erst du an zu betteln fangst, |
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Wird's nicht so bald sich legen. |
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So nimm es hin und schier dich fort, |
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Und sieh dich vor, denn, auf mein Wort, |
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Heut ist's zum letzten Male.« |
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»Hilf, Bruder, lieber Bruder mein, |
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Hilf, Reicher du, dem Armen; |
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Wirst gegen mich doch menschlich sein, |
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Wirst meiner dich erbarmen; |
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Du gibst das Kummet noch daran, |
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Daß ich zu Holze fahren kann, |
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Du leihst mir noch das Kummet.« |
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»Wirst mich in einem Atemzug |
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Um Haus und Hof noch bitten; |
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Du hast das Roß, das ist genug, |
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Hier, Punktum! abgeschnitten. |
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Was zauderst du? so schier dich fort, |
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Du kriegst es nicht, nein! auf mein Wort, |
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Ich leihe dir kein Kummet.« |
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Und gab er nicht das Kummet her, |
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Wird nur der Gaul es büßen, |
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Wird mit dem Schwanze weit und schwer |
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Den Schlitten ziehen müssen. |
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Noch diese Scheiter obenauf, |
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Nun ist's gepackt; lauf, Schimmel, lauf! |
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Heut gilt's zum letzten Male. |
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Und wie er kam in seinem Stolz, |
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Nichts ahndend von Gefahren, |
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Mit einem tücht'gen Fuder Holz |
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Den Hof hinan gefahren; |
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Erlitt er Schiffbruch schon am Ziel, |
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Es stolperte der Gaul und fiel, |
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Und riß sich, ach! den Schwanz aus. |
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»Hier, Bruder, lieber Bruder, schau! |
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Hier hast den Gaul du wieder; |
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Nimm's, Bruderherz, nicht zu genau, |
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Er hat gesunde Glieder, |
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Er ist noch gut, er ist noch ganz, |
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Es fehlt ihm nichts, als nur der Schwanz, |
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Der Schwanz - ist ausgerissen.« |
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»Und hast du mir mein gutes Pferd |
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Verstümmelt und geschändet, |
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Und zahlst du mir nicht gleich den Wert, |
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So weiß ich, wie das endet: |
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Schemjáka spricht, der Richter, schon |
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Mit dir aus einem andern Ton; |
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Du folgst mir vor den Richter.« |
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Dem Armen, der die Sach ermißt, |
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Behaget schlecht das Wandern; |
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Weil's aber doch nicht anders ist, |
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So folgt er still dem andern. |
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Sie kamen, wo zur rechten Hand |
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Am Weg die weiße Schenke stand, |
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Zeit war es einzukehren. |
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Gleich ward der grüne Branntewein |
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Dem Reichen aufgetragen, |
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Mit trank der Wirt, das muß so sein, |
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Dem Armen knurrt der Magen; |
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Er steiget auf die Ofenbank, |
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Verschlafen will er Speis und Trank, |
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Er hat's nicht zu bezahlen. |
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Der Hunger ist ein scharfer Gast, |
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Der Schlaf hat seine Launen; |
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Er findet oben keine Rast, |
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Er hört sie unten raunen; |
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Er dreht sich hin, er dreht sich her, |
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Und stürzt am Ende plump und schwer |
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Herunter auf die Wiege. |
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»Mein Kind! mein Kind! es ist erstickt; |
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Der hat den Mord begangen, |
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Du hast's erwürgt, du hast's erdrückt, |
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Du wirst vom Galgen hangen; |
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Schemjáka spricht, der Richter, schon |
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Mit dir aus einem andern Ton; |
84 |
Du folgst mir vor den Richter.« |
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Zum Richter wallten nun die drei, |
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Sich um ihr Recht zu balgen; |
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Dem Armen ward nicht wohl dabei, |
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Er träumte Rad und Galgen; |
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Drum auf der Brücke, die nun kam, |
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Er plötzlich einen Anlauf nahm, |
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Er sprang, dem Tod entgegen. |
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92 |
Just unterhalb der Brücke fuhr |
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Ein Greis in seinem Schlitten; |
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Im Fall erdrückt' er diesen nur, |
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Und hatte nichts gelitten. |
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»Ein Mord! ein Mord! du hast's vollbracht, |
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Hast mir den Vater umgebracht; |
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Du folgst mir vor den Richter.« |
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Zum Richter wallten nun die vier, |
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Der Arme gar mit Grimme: |
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Was hilft mein Sterben - wollen mir? |
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Das Schlimmste jagt das Schlimme. |
103 |
Zwei Tote zu dem Pferdeschweif! |
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Und bin zum Galgen ich schon reif, |
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So will ich Rache haben. |
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Den Stein da will ich in mein Tuch |
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Gewickelt bei mir tragen, |
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Und lautet wider mich sein Spruch, |
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Ich schwör ihn zu erschlagen; |
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Nicht hab ich Geld, nicht hab ich Gut, |
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Und soll ich geben Blut um Blut, |
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Will Blut um Blut ich nehmen. |
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113 |
Auf hohem Richterstuhle sitzt |
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Schemjáka da, der Weise; |
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Die Kläger treten ein erhitzt |
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Und stellen sich zum Kreise, |
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Der Arme zorn'gen Herzens stellt |
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Sich hinter sie, und fertig hält |
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Er schon den Stein zum Wurfe. |
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120 |
Der reiche Bruder war nicht faul, |
121 |
Die Klage zu erheben: |
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»Der Schwanz, der Schwanz fehlt meinem Gaul, |
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Den soll er wiedergeben.« |
124 |
Dicht hinter ihm der Arme stand, |
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Hielt hoch den Stein in seiner Hand |
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Und drohte schon dem Richter. |
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127 |
Gerechtigkeit war immer blind; |
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Schemjáka sah's von ferne, |
129 |
Er meinte, hundert Rubel sind |
130 |
Es wohl, die nehm ich gerne. |
131 |
»Und Rechtens folgt daraus der Schluß, |
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Daß er den Gaul behalten muß, |
133 |
Bis wieder ihm der Schwanz wächst.« |
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Der Schenkwirt trat zum andern vor, |
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Die Klage zu erheben: |
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»Das Kind, das Kind, das ich verlor, |
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Er soll's mir wiedergeben.« |
138 |
Dicht hinter ihm der Arme stand, |
139 |
Hielt hoch den Stein in seiner Hand |
140 |
Und drohte noch dem Richter. |
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141 |
Gerechtigkeit war immer blind; |
142 |
Schemjáka sah's von ferne: |
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Aha! noch hundert Rubel sind |
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Zu haben, herzlich gerne! |
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»So nehm er denn zu sich dein Weib, |
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Und zeuge dir aus ihrem Leib |
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Ein Kind, das dich entschädigt.« |
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148 |
Zuletzt begann des Greises Sohn |
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Um Mord ihn anzuklagen: |
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»Gib diesem Mörder seinen Lohn, |
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Mein Vater liegt erschlagen.« |
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Dicht hinter ihm der Arme stand, |
153 |
Hielt hoch den Stein in seiner Hand |
154 |
Und drohte baß dem Richter. |
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155 |
Gerechtigkeit war immer blind; |
156 |
Schemjáka sah's vom weiten: |
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Ei, Gottessegen! wieder sind |
158 |
Hier hundert zu erbeuten. |
159 |
»So sollt ihr zu der Brücke gehn, |
160 |
Er unten und du oben stehn; |
161 |
Dann springst du und erschlägst ihn.« |
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162 |
Und früh erschien am andern Tag |
163 |
Der Arme vor dem Reichen: |
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»Gib her den Gaul, Schemjáka mag |
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Ich Salomon vergleichen. |
166 |
Gewiß ich bring ihn dir zurück, |
167 |
Sobald ihm nur zu gutem Glück |
168 |
Hinwiederum der Schwanz wächst.« |
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169 |
»Ich hab's bedacht, es war nicht klug, |
170 |
Um einen Roßschweif zanken; |
171 |
Der Gaul ist so mir gut genug, |
172 |
Ich will für Beßres danken. |
173 |
Laß Freund' uns sein; ich schenke dir |
174 |
Die Ziege mit dem Zicklein hier, |
175 |
Und noch zehn Rubel Silber.« |
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176 |
Dem Schenkwirt macht' er den Besuch: |
177 |
»Ich will dein Weib mir holen, |
178 |
Du weißt Schemjákas Richterspruch, |
179 |
Und was er mir befohlen; |
180 |
Ich will zur Sühne meiner Schuld |
181 |
Die Straf erleiden in Geduld, |
182 |
Und gleich zum Werke schreiten.« |
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183 |
»Bemüh dich nicht, es tut nicht Not; |
184 |
Viel Kinder, viele Sorgen; |
185 |
Und ist mein armes Kindlein tot, |
186 |
Ich will kein fremdes borgen; |
187 |
Als Friedenspfand nimm diese Kuh, |
188 |
Das Kalb, die Stute noch dazu, |
189 |
Und hundert Rubel Silber.« |
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190 |
Er kam zu dem verwaisten Sohn: |
191 |
»Ich bin bereit zum Tode, |
192 |
Du kennst Schemjákas Urteil schon, |
193 |
Ich steh dir zu Gebote; |
194 |
Was zauderst du? der Weg ist lang, |
195 |
Der kleine Sprung, der mir gelang, |
196 |
Er wird dir schon gelingen.« |
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197 |
»Der weite Gang unnötig ist, |
198 |
Gefällt mir auch mit nichten; |
199 |
Ich bin versöhnlich als ein Christ, |
200 |
Wir wollen's gütlich schlichten; |
201 |
Und weil die Sache dich verdroß, |
202 |
So schenk ich dir ein gutes Roß, |
203 |
Dazu dreihundert Rubel.« |
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204 |
Und wie sein Vieh er überschaut |
205 |
Und läßt die Münze klingen, |
206 |
Tritt ein Schemjákas Diener traut, |
207 |
Ein seltsam Wort zu bringen: |
208 |
»Gib her, was du gezeiget hast, |
209 |
Der weißen Rollen Silberlast, |
210 |
Gib her dreihundert Rubel.« |
|
|
211 |
»Dreihundert Rubel! sagst du? nein, |
212 |
Wer hat die zu verschenken? |
213 |
Gezeiget hab ich ihm den Stein, |
214 |
Den nimm zum Angedenken. |
215 |
Mißfiel sein Spruch mir, sag's ihm nur, |
216 |
Geschworen hatt ich einen Schwur, |
217 |
Mit dem ihn zu erschlagen.« |
|
|
218 |
»Den Stein, o Herr, den schickt er nur, |
219 |
Und läßt dabei dir sagen: |
220 |
Mißfiel dein Spruch ihm, galt sein Schwur, |
221 |
Mit dem dich zu erschlagen.« |
222 |
Da hat gehustet, sich geschneuzt |
223 |
Schemjáka, und zuletzt bekreuzt: |
224 |
Gottlob! das lief noch gut ab. |
Details zum Gedicht „Das Urteil des Schemjáka“
Adelbert von Chamisso
32
224
1234
1781 - 1838
Romantik
Gedicht-Analyse
Adelbert von Chamisso ist der Autor des Gedichtes „Das Urteil des Schemjáka“. 1781 wurde Chamisso geboren. Zwischen den Jahren 1797 und 1838 ist das Gedicht entstanden. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her der Epoche Romantik zuordnen. Chamisso ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche.
Die Romantik war eine Epoche der europäischen Literatur, Kunst und Kultur. Sie begann gegen Ende des 18. Jahrhunderts und dauerte in der Literatur bis etwa zur Mitte des 19. Jahrhunderts. Die Literaturepoche wird in Frühromantik (bis 1804), Hochromantik (bis 1815) und Spätromantik (bis 1848) unterschieden. Zu großen gesellschaftlichen Umbrüchen führte die Industrialisierung. Die neue Maschinenwelt förderte Verstädterung und Landflucht. Die zuvor empfundene Geborgenheit war für die Schriftsteller der Romantik in Auflösung begriffen. Weltflucht, Hinwendung zur Natur, Verklärung des Mittelalters (damalige Kunst und Architektur wurde nun wieder geschätzt), Rückzug in Fantasie- und Traumwelten, Betonung des Individuums und romantische Ironie sind typische Merkmale der Romantik. Die Themen der Romantik zeigen sich in verschiedenen Motiven und Symbolen. Beispielsweise gilt die Blaue Blume als das zentrale Motiv der romantischen Literatur. Sie symbolisiert Liebe und Sehnsucht und verbindet Natur, Mensch und Geist. Die Nacht hat ebenfalls eine besondere Bedeutung in der Romantik. Sie ist der Schauplatz für viele weitere Motive dieser Epoche: Vergänglichkeit, Tod und nicht alltägliche, obskure Phänomene. Im ebenfalls in dieser Epoche zu findenden Spiegelmotiv zeigt sich die Hinwendung der Romantik zum Unheimlichen. Die Stilepoche kennzeichnet sich vor allem durch offene Formen in Texten und Gedichten. Phantasie ist für Romantiker das Maß aller Dinge. Die Trennung zwischen Poesie und Wissenschaft, zwischen Traum und Wirklichkeit soll durchbrochen werden. Die Schriftsteller der Romantik streben eine Verschmelzung von Kunst und Literatur an. Ihr Ziel ist es letztlich, alle Lebensbereiche zu poetisieren.
Das vorliegende Gedicht umfasst 1234 Wörter. Es baut sich aus 32 Strophen auf und besteht aus 224 Versen. Der Dichter Adelbert von Chamisso ist auch der Autor für Gedichte wie „Die Kreuzschau“, „Die Löwenbraut“ und „Zweites Lied von der alten Waschfrau“. Zum Autor des Gedichtes „Das Urteil des Schemjáka“ haben wir auf abi-pur.de weitere 146 Gedichte veröffentlicht.
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Zum Autor Adelbert von Chamisso sind auf abi-pur.de 146 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.
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