Des Gesellen Heimkehr von Adelbert von Chamisso

Wer klopft so stark? wer begehrt ins Haus?
Ich schließe nicht auf, mein Ehherr ist aus.
 
»Und sag ich dir an, der klopft, ist dein Sohn,
O Mutter, o Mutter! so öffnest du schon.«
 
Was kehrtest du heim, mein Sohn, so geschwind,
Bevor noch die Jahre verstrichen sind?
 
»Ich kehrte heim - ich war wohl betört
Hast, Mutter, du nie von Heimweh gehört?«
 
Mein Mann, befürcht ich, vernimmt's nicht gern;
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O weh, daß ich freite den anderen Herrn!
 
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»O weh, daß dem zweiten du hin dich warfst,
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Und nicht mit dem Sohne dich freuen mehr darfst!«
 
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Mein Sohn, o schone der Mutter dein,
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Und laß das Gericht nur Gottes sein!
 
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»O meine Mutter! - doch, mache mir kund,
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Wo weilt die Christel zu dieser Stund?«
 
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Mein Mann ist streng, unfreundlich fast,
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Er trieb aus dem Haus den ihm lästigen Gast.
 
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»Des Sohnes Braut aus dem Hause gejagt!
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So auch den Sohn, sei Gott es geklagt!
 
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Das Heimweh trieb, ich kam geeilt,
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Die Heimat hat gar bald mich geheilt.
 
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Und falls Frau Mutter mich länger nicht hält,
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Möcht weiter ich ziehn in die weite Welt.
 
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Wohin - wen kümmert's? - auf gutes Glück,
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Und käme vielleicht so bald nicht zurück.
 
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Ade! du gibst deinen Segen mir doch,
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Und Gott, vielleicht, erbarmet sich noch!«
 
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So schied er, und wandte zu gehen sich um;
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Die Mutter verharrte zitternd und stumm.
 
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Und wie hinab er die Straße gewallt,
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Am Tor, vor der Wache, da macht er Halt.
 
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Stand Christel dort im Soldatenschwarm,
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Und hing verbuhlt dem einen im Arm.
 
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Wie aber sie erst den Gesellen erschaut,
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Verhüllt' sie ihr Antlitz und weinte laut.
 
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Da haben umher die Soldaten der Wacht
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Mit lärmendem Jubel sie ausgelacht.
 
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Er hat nicht gelacht, er hat nicht geweint,
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Er starrte sie an und war wie versteint.
 
41 
Er raffte sich endlich, endlich auf,
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Und stürzte hinaus mit schnellerem Lauf.
 
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Wohin? wen kümmert's? man weiß es nicht,
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Erzählt sich zur Kurzweil nur manche Geschicht.
 
45 
Er war hienieden so ganz verarmt,
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Hat Gott vielleicht sich seiner erbarmt?
 
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Sein Nam, als eines Verschollenen, hat
48 
Zu drei Mal gestanden im Wochenblatt.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (28.8 KB)

Details zum Gedicht „Des Gesellen Heimkehr“

Anzahl Strophen
24
Anzahl Verse
48
Anzahl Wörter
347
Entstehungsjahr
1781 - 1838
Epoche
Romantik

Gedicht-Analyse

Adelbert von Chamisso ist der Autor des Gedichtes „Des Gesellen Heimkehr“. Im Jahr 1781 wurde Chamisso geboren. Im Zeitraum zwischen 1797 und 1838 ist das Gedicht entstanden. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her der Epoche Romantik zuordnen. Der Schriftsteller Chamisso ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche.

Der Romantik vorausgegangen waren die Epochen der Weimarer Klassik und der Aufklärung. Die Literaturepoche der Romantik ist zeitlich vom Ende des 18. Jahrhunderts bis weit in das 19. Jahrhundert hinein einzuordnen. Besonders auf den Gebieten der bildenden Kunst, der Literatur und der Musik hatte diese Epoche Auswirkungen. Die Literatur der Romantik (ca. 1795–1848) lässt sich in Frühromantik (bis 1804), Hochromantik (bis 1815) und Spätromantik (bis 1848) aufgliedern. Die Zeit der Romantik war für die Menschen in Europa von Umbrüchen geprägt. Die Französische Revolution (1789 - 1799) zog weitreichende Folgen für ganz Europa nach sich. Auch der Fortschritt in Wissenschaft und Technik, der den Beginn des industriellen Zeitalters einläutete, verunsicherte die Menschen und prägte die Gesellschaft. In der Romantik gilt das Mittelalter als das Ideal und wird verherrlicht. Die Kunst und Architektur der Zeit des Mittelalters werden geschätzt, gepflegt und gesammelt. Übel und Missstände dieser Zeit bleiben außen vor und scheinen bei den Schriftstellern in Vergessenheit geraten zu sein. So ist die Verklärung des Mittelalters ein zentrales Merkmal der Romantik. Außerdem sind die Weltflucht, die Hinwendung zur Natur und die romantische Ironie weitere zentrale Merkmale dieser Epoche. Die grundsätzlichen Themen der Epoche waren Seele, Gefühle, Individualität und Leidenschaft. In der Literatur wurden diese Themen unter anderem durch Motive der Sehnsucht, Todessehnsucht, Fernweh oder Einsamkeit in der Fremde manifestiert. Die äußere Form von romantischer Literatur ist völlig offen. Kein starres Schema grenzt die Literatur ein. Dies steht ganz im Gegensatz zu den strengen Normen der Klassik. In der Romantik entstehen erstmals Sammlungen so genannter Volkspoesie. Bekannte Beispiele dafür sind Grimms Märchen und die Liedersammlung Des Knaben Wunderhorn. Doch bereits direkt nach Erscheinen wurde die literarische Bearbeitung (Schönung) durch die Autoren kritisiert, die damit ihre Rolle als Chronisten weit hinter sich ließen.

Das vorliegende Gedicht umfasst 347 Wörter. Es baut sich aus 24 Strophen auf und besteht aus 48 Versen. Adelbert von Chamisso ist auch der Autor für Gedichte wie „Die Kreuzschau“, „Die Löwenbraut“ und „Zweites Lied von der alten Waschfrau“. Zum Autor des Gedichtes „Des Gesellen Heimkehr“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 146 Gedichte vor.

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