Der Szekler Landtag von Adelbert von Chamisso
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Ich will mich für das Faktum nicht verbürgen, |
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Ich trag es vor, wie ich's geschrieben fand, |
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Schlagt die Geschichte nach von Siebenbürgen. |
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Als einst der Sichel reif der Weizen stand |
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In der Gespannschaft Szekl, da kam ein Regen, |
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Wovor des Landmanns schönste Hoffnung schwand. |
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Es wollte nicht der böse West sich legen, |
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Es regnete der Regen alle Tage, |
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Und auf dem Feld verdarb der Gottessegen. |
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Gehört des Volkes laut erhobne Klage, |
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Gefiel es, einen Landtag auszuschreiben, |
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Um Rat zu halten über diese Plage. |
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Die Landesboten ließen nicht sich treiben, |
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Sie kamen gern, entschlossen gut zu tagen, |
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Und Satzungen und Bräuchen treu zu bleiben. |
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Da wurde denn, nach bräuchlichen Gelagen, |
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Der Tag eröffnet, und mit Ernst und Kraft |
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Der Fall vom Landesmarschall vorgetragen: |
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»Und nun, hochmögende Genossenschaft, |
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Weiß einer Rat? Wer ist es, der zur Stunde |
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Die Ernte trocken in die Scheune schafft?« |
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Es herrschte tiefes Schweigen in der Runde, |
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Doch nahm zuletzt das Wort ein würd'ger Greise |
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Und sprach gewichtig mit beredtem Munde: |
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»Der Fall ist ernst, mit nichten wär es weise, |
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Mit übereiltem Ratschluß einzugreifen; |
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Wir handeln nicht unüberlegter Weise. |
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Drum ist mein Antrag, ohne weit zu schweifen: |
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Laßt uns auf nächsten Samstag uns vertagen; |
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Die Zeit bringt Rat, sie wird die Sache reifen.« |
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Beschlossen ward, worauf er angetragen. |
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Die Frist verstrich bei ew'gen Regenschauern, |
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Hinbrüten drauf und bräuchlichen Gelagen; |
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Der Samstag kam und sah dieselben Mauern |
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Umfassen noch des Landes Rat und Hort, |
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Und sah den leid'gen Regen ewig dauern. |
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Der Landesmarschall sprach ein ernstes Wort: |
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»Hochmögende, nun tut nach eurer Pflicht, |
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Ihr seht, der Regen regnet ewig fort. |
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Wer ist es, der das Wort der Weisheit spricht? |
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Wer bringt in unsres Sinnens düstre Nacht |
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Das lang erwartete, begehrte Licht? |
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Zur Tat! ihr habt erwogen und bedacht. |
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Ich wende mich zuerst an diesen Alten, |
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Des Scharfsinn einmal schon uns Trost gebracht: |
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Ehrwürd'ger Greis, laß deine Weisheit walten.« |
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Der stand und sprach: »Ich bin ein alter Mann, |
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Ich will euch meinen Rat nicht vorenthalten. |
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Wir sehn es vierzehn Tage noch mit an, |
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Und hat der Regen dann nicht aufgehört, |
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Gut! regn' es denn, so lang es will und kann.« |
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Er schwieg, es schwiegen, die das Wort gehört, |
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Noch eine Weile staunend, dann erscholl |
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Des Beifalls Jubel-Nachklang ungestört. |
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Einstimmig, heißt es in dem Protokoll, |
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Einstimmig ward der Ratschluß angenommen, |
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Der nun Gesetzeskraft behalten soll. |
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So schloß ein Szekler Landtag, der zum Frommen |
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Des Landes Weiseres vielleicht geraten, |
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Als mancher, dessen Preis auf uns gekommen. |
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So wie die Väter stolz auf ihre Taten |
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Nach bräuchlichen Gelagen heimgekehrt, |
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Erschien die Sonne, trockneten die Saaten, |
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Und schwankten heim die Wagen goldbeschwert. |
Details zum Gedicht „Der Szekler Landtag“
Adelbert von Chamisso
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428
1781 - 1838
Romantik
Gedicht-Analyse
Der Autor des Gedichtes „Der Szekler Landtag“ ist Adelbert von Chamisso. Im Jahr 1781 wurde Chamisso geboren. In der Zeit von 1797 bis 1838 ist das Gedicht entstanden. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zur Epoche Romantik zu. Bei dem Schriftsteller Chamisso handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche.
Die Romantik ist eine Epoche der Kunstgeschichte, die vom Ende des 18. Jahrhunderts bis ins späte 19. Jahrhundert hinein die Literatur, Musik, Kunst und Philosophie prägte. Auf die Literatur beschränkt betrachtet reichen die Auswirkungen der Romantik lediglich bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts hinein. Bis in das Jahr 1804 hinein spricht man in der Literatur von der Frühromantik, bis 1815 von der Hochromantik und bis 1848 von der Spätromantik. Die Zeit der Romantik war für die Menschen in Europa von bedeutenden Umbrüchen geprägt. Die Französische Revolution (beginnend im Jahr 1789) zog weitreichende Folgen für ganz Europa nach sich. Auch der Fortschritt in Technik und Wissenschaft, der den Beginn des industriellen Zeitalters einläutete, verunsicherte die Menschen und prägte die Gesellschaft. Bedeutende Motive in der Lyrik der Romantik sind die Ferne und Sehnsucht sowie das Gefühl der Heimatlosigkeit. Weitere Motive sind das Fernweh, die Todessehnsucht oder das Nachtmotiv. So symbolisierte die Nacht nicht nur die Dunkelheit, sondern auch das Geheimnisvolle, Mysteriöse und galt als Ursprung der Liebe. Merkmale der Romantik sind die Hinwendung zur Natur, die Weltflucht oder der Rückzug in Traumwelten. Insbesondere ist aber auch die Idealisierung des Mittelalters aufzuzeigen. Architektur und Kunst des Mittelalters wurden von den Vertretern der Romantik wieder geschätzt. Die Stilepoche kennzeichnet sich vor allem durch offene Formen in Texten und Gedichten. Phantasie ist für die Romantiker das Maß aller Dinge. Die Trennung zwischen Poesie und Wissenschaft, zwischen Traum und Wirklichkeit soll durchbrochen werden. Die Schriftsteller der Romantik streben eine Verschmelzung von Kunst und Literatur an. Ihr Ziel ist es, alle Lebensbereiche zu poetisieren.
Das vorliegende Gedicht umfasst 428 Wörter. Es baut sich aus nur einer Strophe auf und besteht aus 64 Versen. Adelbert von Chamisso ist auch der Autor für Gedichte wie „Das Mädchen“, „Der Spielmann“ und „Helft mir, ihr Schwestern“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Der Szekler Landtag“ weitere 146 Gedichte vor.
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