Die Weidenkätzchen von Christian Morgenstern

Kätzchen, ihr, der Weide,
wie aus grauer Seide,
wie aus grauem Samt!
O ihr Silberkätzchen,
sagt mir doch, ihr Schätzchen,
sagt, woher ihr stammt.
 
»Wollen’s gern dir sagen:
Wir sind ausgeschlagen
aus dem Weidenbaum;
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haben winterüber
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drin geschlafen, Lieber,
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in tieftiefem Traum.«
 
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In dem dürren Baume
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in tieftiefem Traume
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habt geschlafen ihr?
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In dem Holz, dem harten,
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war, ihr weichen, zarten,
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euer Nachtquartier?
 
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»Mußt dich recht besinnen:
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Was da träumte drinnen,
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waren wir noch nicht,
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wie wir jetzt im Kleide
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blühn von Samt und Seide
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hell im Sonnenlicht.
 
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Nur als wie Gedanken
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lagen wir im schlanken
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grauen Baumgeäst;
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unsichtbare Geister,
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die der Weltbaumeister
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dort verweilen läßt.«
 
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Kätzchen, ihr, der Weide,
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wie aus grauer Seide,
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wie aus grauem Samt!
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O ihr Silberkätzchen,
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ja, nun weiß, ihr Schätzchen,
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ich, woher ihr stammt!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.2 KB)

Details zum Gedicht „Die Weidenkätzchen“

Anzahl Strophen
6
Anzahl Verse
36
Anzahl Wörter
131
Entstehungsjahr
um 1910
Epoche
Moderne

Gedicht-Analyse

Christian Morgenstern (1871-1914) ist der Autor des hier vorliegenden Gedichts „Die Weidenkätzchen“. Dieser Autor war ein bedeutender deutscher Lyriker, der zur Epoche des Symbolismus und Impressionismus hinzuweisen ist. Das Gedicht lässt sich als Naturlyrik interpretieren und wurde von der Faszination des Dichters für die Natur und den Wechsel ihrer Jahreszeiten beeinflusst.

„Die Weidenkätzchen“ handelt im Grunde von einem Gespräch zwischen dem lyrischen Ich und den Weidenkätzchen, die als kleine graue, seidige und samtige Kätzchen von der Weide beschrieben werden. Das lyrische Ich zeigt zu Beginn Unwissenheit über den Ursprung dieser Kätzchen und das Gedicht enthüllt im Dialog mit den Weidenkätzchen, dass sie aus dem Weidenbaum entspringen und dort während des Winters in tiefer Trance schliefen (Strophe 2). Es ist faszinierend, wie diese weichen, zarten Kätzchen aus dem harten Holz hervorgekommen sind (Strophe 3). Es wird klargestellt, dass sie erst nach diesem tiefen Traum im Holz zu dem wurden, was sie jetzt sind, und nun in Samt und Seide erblühen und im Sonnenlicht leuchten (Strophe 4). Sie waren wie unsichtbare Geister oder Gedanken, die der Schöpfer der Welt im grauen Baum hatte verweilen lassen (Strophe 5). Schließlich schließt das Gedicht damit, dass das lyrische Ich nun weiß, woher die Weidenkätzchen stammen (Strophe 6).

Das Gedicht verwendet ein regelmäßiges Versmaß und einen Kreuzreim, während die Sprache sehr bildlich und metaphorisch ist. In dem Gedicht werden Elemente von Personifikation verwendet, indem den Weidenkätzchen eine menschenähnliche Stimme und die Fähigkeit zu einem Dialog mit dem Sprecher gegeben wird. Darüber hinaus gibt es viele Natursymbole, z. B. das Bild des Weidenbaums als Heim der Weidenkätzchen und die Beschreibung ihrer strahlenden Schönheit im Sonnenlicht. Es ist auch bemerkenswert, wie der Kreislauf der Natur durch den Wechsel der Jahreszeiten repräsentiert wird, in dem die Weidenkätzchen nach ihrem Winterschlaf im Baum erwachen und zu neuem Leben erblühen. Das Gedicht ist daher eine metaphorische Darstellung des Lebenzyklus, nicht nur der Weidenkätzchen, sondern allgemein in der Natur und vielleicht sogar des menschlichen Lebens.

Insgesamt spiegelt das Gedicht die erhabene Schönheit der Natur und das Wunder des Lebens wider, wie es durch die Jahreszeiten und den Lebenszyklus der Weidenkätzchen symbolisiert wird. Es drückt auch Christian Morgensterns tiefe Bewunderung und Respekt für die natürliche Welt aus.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Die Weidenkätzchen“ des Autors Christian Morgenstern. 1871 wurde Morgenstern in München geboren. Im Jahr 1910 ist das Gedicht entstanden. Eine Zuordnung des Gedichtes zur Epoche Moderne kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Der Schriftsteller Morgenstern ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 36 Versen mit insgesamt 6 Strophen und umfasst dabei 131 Worte. Weitere Werke des Dichters Christian Morgenstern sind „Brüder!“, „Bundeslied der Galgenbrüder“ und „Da nimm. Das laß ich dir zurück, o Welt“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Die Weidenkätzchen“ weitere 189 Gedichte vor.

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