Die Tropfsteinhöhle bei Attendorn von Heinrich Kämpchen

Im Süderlande ¹), nah’ bei Attendorn,
Im Tal der Bigge, liegt die Attahöhle –
Ein prächtiges Gebild, bei meiner Seele,
Geschüttet aus der Erde Wunderhorn. –
 
Gehst du hinein, so weiß dein Auge nicht,
Wohin zuerst es seinen Blick soll richten –
Und bist du Dichter nicht, hier lernst du dichten,
Denn diese Höhle selbst ist ein Gedicht. –
 
Fürwahr, fürwahr, sie ist ein Feenschloß,
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Bewohnt von Luftgestalten (Nixen, Gnomen),
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Die um dich her in den kristall’nen Domen
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Ihr Wesen treiben mit dem Luftgenoß. –
 
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Dein Menschenauge aber ist profan
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Und kann die Unsichtbaren nicht erschauen –
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Du siehst die Grotten nur, die grünen, blauen,
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Und wandelst staunend fürder deine Bahn. –
 
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Geht es von Halle doch zu Halle fort,
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Auf leichten Stiegen, zu den Kemenaten
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Der Fürstin Atta, funkelnd von Zieraten,
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So köstlich wie der Nibelungenhort. –
 
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Es glitzt und blitzt in märchenhafter Pracht,
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Es glüht und strahlt in allen Lichtakkorden –
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Und Tropfen sind’s, die hier zu Stein geworden
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In tausendjähr’ger, grabesdunkler Nacht. –
 
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Und Form und Farbe immer wieder neu –
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Von oben nieder hängen Stalaktiten,
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Von unten aufwärts streben Stalagmiten,
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Zum Ganzen passend wunderbar getreu. –
 
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Bizarr und seltsam wie der Säulenbau,
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Von dem die lichten Kuppeln sind getragen,
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Ist auch das Tönen, wenn daran geschlagen,
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Verlor’ner Hall und Melodientau. –
 
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Hier Faltenwurf von prächtigen Gardinen
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Mit bunten Säumen in den Webestoffen,
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Dort stehen Alabasterhallen offen,
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Durchleuchtet von Smaragden und Rubinen. –
 
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Wo du auch schaust – der Prächten sind zu viel –
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Von allen Seiten will es dich umraunen –
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Das Auge kann bewundern nur und staunen,
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So wechselvoll ist der Gebilde Spiel. –
 
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Wer ist der Künstler, der dies Heiligtum,
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Dies Wunderwerk an Schönheit hat geschaffen, –
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Dess’ Pulse nie erlahmen, nie erschlaffen? –
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Natur, Natur, nur dir gebührt der Ruhm. –
 
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Ihr aber, Freunde, zieht nach Attendorn
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Ins Süderland, wo solche Wunder sprießen,
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Die Märchenwelt wird sich euch dort erschließen,
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Zieht hin, zieht hin und trinkt vom Schönheitsborn.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (27.8 KB)

Details zum Gedicht „Die Tropfsteinhöhle bei Attendorn“

Anzahl Strophen
12
Anzahl Verse
48
Anzahl Wörter
307
Entstehungsjahr
1909
Epoche
Moderne

Gedicht-Analyse

Das vorgestellte Gedicht ist von Heinrich Kämpchen, einem deutschsprachigen Schriftsteller und Mundartdichter, geboren am 23. Mai 1847 und gestorben am 6. März 1912. Kämpchen schrieb gegen Ende des 19. Jahrhunderts bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts und gehört damit der Epoche des Realismus an. Sein Gedicht trägt den Titel „Die Tropfsteinhöhle bei Attendorn“.

Beim ersten Lesen des Gedichtes fällt die präzise Beschreibung und charaktervolle Darstellung des Ortes und seiner Einzigartigkeit auf. Es nimmt den Leser mit auf einen imaginären Rundgang durch die Attahöhle in Attendorn und vermittelt ein Gefühl von Ehrfurcht und Staunen über die natürliche Schönheit des Ortes.

Inhaltlich fängt das lyrische Ich zunächst den Ort der Tropfsteinhöhle ein und beschreibt ihn eingehend als prächtiges Gebilde „im Süderlande, nah' bei Attendorn“ (Vers 1). Es betont die atemberaubende Ästhetik und Vielseitigkeit der Höhle, die man beim Betreten gleich bemerkt. Das Besondere an dieser Tropfsteinhöhle ist ihr ständiger Formenwandel. Sie wird als Ort der Inspiration beschrieben, ein Heiligtum geschaffen von Natur.

Die Form und Sprache des Gedichts sind geprägt durch den Einsatz von stilisierten und anschaulichen Begriffen, die die Schönheit und Erhabenheit der Natur betonen. Manche der Begriffe sind metaphorisch, wie beispielsweise „der Erde Wunderhorn“ (Vers 4) oder „Natur, Natur, nur dir gebührt Ruhm“ (Vers 44). Jede der zwölf Strophen besteht aus vier Versen und ist somit ein Quartett. Die raffinierten Reime und die melodische Sprache schaffen einen Rhythmus, der den Leser durch das Gedicht führt und die imaginierten Bilder lebendiger macht.

Die Sprache des Gedichts ist lebendig und malerisch, voller sorgfältig ausgewählter Bilder und Adverbien, die zur lebendigen und fesselnden Beschreibung der Höhle beitragen. Die präzise und doch poetische Beschreibung zeichnen das Bild einer beeindruckenden Naturkulisse und laden zum Staunen ein. Im Verlauf der zwölf Strophen werden diese Bilder immer wieder aufgegriffen und erweitert und bauen dabei eine fast märchenhafte Atmosphäre auf.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Kämpchens Gedicht „Die Tropfsteinhöhle bei Attendorn“ ein betont bildreiches Werk ist, das die Schönheit der Natur und die Faszination, die sie auf den Menschen ausübt, zelebriert. Es ist ein Loblied auf die Natur, das die Leser dazu einlädt, die Wunder der Natur selbst zu erkunden und zu bewundern.

Weitere Informationen

Heinrich Kämpchen ist der Autor des Gedichtes „Die Tropfsteinhöhle bei Attendorn“. Im Jahr 1847 wurde Kämpchen in Altendorf an der Ruhr geboren. Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1909. Erschienen ist der Text in Bochum. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht der Epoche Moderne zuordnen. Vor Verwendung der Angaben zur Epoche prüfe bitte die Richtigkeit. Die Zuordnung der Epoche ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen und daher anfällig für Fehler. Das vorliegende Gedicht umfasst 307 Wörter. Es baut sich aus 12 Strophen auf und besteht aus 48 Versen. Die Gedichte „Am Weinfelder Maar“, „Am goldenen Sonntag“ und „An Annette von Droste-Hülshoff“ sind weitere Werke des Autors Heinrich Kämpchen. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Die Tropfsteinhöhle bei Attendorn“ weitere 165 Gedichte vor.

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