Die Tasso-Eiche von Marie Eugenie Delle Grazie
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Nach Jahren wilder, unerhörter Qualen |
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Dein stiller Platz im Schatten dieses Baum’s, |
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So nah der Sonne deiner Ruhmesstrahlen, |
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So fern der Stätte deines Seelentraum’s! |
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„Ferrara“ und „Lenore“ – ach, die Namen, |
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Die in der frommen Mönche düst’rem Kreis |
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Verschämt nur über deine Lippen kamen, |
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Hier schriest du sie vielleicht noch bang und heiß! |
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Hier durfte unbelauscht dein Herz verbluten, |
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Und wenn dein Weh in Thränen sich ergoß, |
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Verklärten sie die reinsten Sonnengluthen – |
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Hier war dein Schmerz kein sündiger Genoß! |
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Dann schwanden Roma’s wirre Häusermassen |
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Wie Nebel, und nur eines sah dein Blick: |
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Ferrara’s marmorschimmernde Terrassen |
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Und jener Tage blumiges Geschick! |
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Nun schlummerst du, entrückt dem Qualbereiche, |
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Das wärmste Herz im Bann des kühlsten Raum’s, |
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Doch noch umsäuseln mystisch jene Eiche |
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Die Schauer deines unerfüllten Traum’s! |
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Ich fühlte sie.... und grünt ihr auch zur Seite |
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Der bitt’re Lorbeer – hier gebeut er nie, |
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Nur Sehnsucht reißt die Seele in die Weite, |
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Und Liebeszauber ranken sich um sie; |
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Vor deiner Grust erstirbt jed’ eitles Wähnen, |
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Hier thront dein Ruhm in majestät’scher Ruh, |
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Doch wo der Mensch gelitten, fand ich Thränen, |
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Und schluchzen, träumen durft’ ich hier wie du! |
Details zum Gedicht „Die Tasso-Eiche“
7
28
193
1892
Realismus
Gedicht-Analyse
Das vorgestellte Gedicht heißt „Die Tasso-Eiche“ und wurde von Marie Eugenie Delle Grazie verfasst, die von 1864 bis 1931 lebte. Eine zeitliche Einordnung legt nahe, dass das Gedicht zur literarischen Epoche der Moderne gehört, genauer gesagt der literarischen Strömung des Naturalismus oder Symbolismus.
Auf den ersten Eindruck wirkt das Gedicht sehr emotional und intensiv, da es tiefgründige Gefühle und tiefe Emotionen beschreibt. Die poetische Sprache und die metaphorische Bildsprache suggerieren eine Stimmung von Melancholie und Sehnsucht.
Der zentrale Inhalt des Gedichts bezieht sich auf eine Eiche, die als Symbol und Ort der Reflektion und Trauer dient. Das lyrische Ich beschreibt gefühle von Schmerz und Leid verbunden mit diesem bestimmten Ort. Im Kontext ist hierbei auch der italienische Dichter Torquato Tasso zu erwähnen, der oft im Zusammenhang mit der romantischen Idee von Leiden und Schaffenskraft eines Dichters stand.
Darauf deutet auch die Anspielung auf „Ferrara“ und „Lenore“, sodass vermutet werden kann, dass der Dichter durch seine Werke („Ferrara“) und vermutlich auch durch eine geliebte Person („Lenore“) gelitten hat und dies an diesem Ort verarbeiten konnte. Das lyrische Ich scheint mit Tasso zu sympathisieren und empfindet eine tiefe Verbundenheit zu seinem Schmerz.
Formal besteht das Gedicht aus sieben vierzeiligen Strophen. Es gibt kein festes Reimschema, aber die regelmäßige Strophenform vermittelt einen Eindruck von Ordnung und Struktur. Die Sprache ist reich an Metaphern und bildhafter Sprache, die eine tiefe emotionale Verbindung zum Leser herstellen. Die Titel „Ferrara“ und „Lenore“ können als Allusionen interpretiert werden, die einen intertextuellen Bezug herstellen.
Zusammenfassend ist „Die Tasso-Eiche“ ein Gedicht, das durch eine bildreiche Sprache und tiefe Emotionen geprägt ist. Es reflektiert über Schmerz, Leiden und die verarbeitende Kraft der Natur an einem spezifischen Ort. Im Kontext von Delle Grazies Zeit, als Dichterinnen und Dichter stark von natürlichen und emotionalen Thematiken beeinflusst waren, ist das Gedicht ein typisches Beispiel für die Moderne.
Weitere Informationen
Die Autorin des Gedichtes „Die Tasso-Eiche“ ist Marie Eugenie Delle Grazie. Die Autorin Marie Eugenie Delle Grazie wurde 1864 in Weißkirchen (Bela Crkva) geboren. Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1892. Der Erscheinungsort ist Leipzig. Eine Zuordnung des Gedichtes zur Epoche Realismus kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten der Autorin vorgenommen werden. Die Schriftstellerin Delle Grazie ist eine typische Vertreterin der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 28 Versen mit insgesamt 7 Strophen und umfasst dabei 193 Worte. Weitere Werke der Dichterin Marie Eugenie Delle Grazie sind „Addio a Capri“, „Apoll vom Belvedere“ und „Arco naturale“. Zur Autorin des Gedichtes „Die Tasso-Eiche“ haben wir auf abi-pur.de weitere 71 Gedichte veröffentlicht.
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Zum Autor Marie Eugenie Delle Grazie sind auf abi-pur.de 71 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.
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