Die Strandbuche von Theodor Fontane

Hoch auf meerumbrauster Düne ragt in voller Maienpracht
Eine Buche; „Mutter – ruft sie – wieder kam das Meer bei Nacht,
Wieder hat’s aus grünem Seetang viel der Kränze mir geschlungen,
Hat mir Bernsteinschmuck gespendet, und von Liebe viel gesungen.
 
„Mutter, schilt es nicht Verführer, sag nicht, daß es treulos wär’,
Treulos ist allein die Schwäche und gewaltig ist das Meer,
Hieltest Du mich nicht umklammert, Mutter Erde, liebestrunken
Wär ich Nachts, als es mich lockte, hin an seine Brust gesunken.“
 
„„Sturm herbei!““ rief wild-aufjauchzend jetzt das liebesichre Meer,
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Und auf hundert Wolkenrossen jagte schnaubend er einher;
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„„Auf! entwurzle mir die Buche, ’s gilt der Sehnsucht Schmerz zu kürzen,
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War sie frei, sie würde selber sich in meine Arme stürzen.
 
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„„Arme Thörin, die des Meeres eitlen Liebesschwüren traut!
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Jeder Tanne spend ich Bernstein, jede Buche nenn ich Braut;
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Nicht um unerfüllte Hoffnung um betrogne sollst Du trauern,
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Und der Liebe Wonne wird Dich bald wie Todesfrost durchschauern.““
 
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Tiefes Schweigen; – aber plötzlich kracht die Buche, sturmgepackt,
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Blätterstiebend stürzt sie nieder wie ein grüner Katarakt;
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Laut erbrausend heißt sein neues Opfer jetzt das Meer willkommen,
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Hochaufschäumend hat’s der Riese an die Wellenbrust genommen.
 
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„Weh, halt ein in Deinem Rasen, das mich zu vernichten droht,
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So entblättert nicht die Liebe, so entblättert nur der Tod!“
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Doch die Leidenschaft des Riesen kennet nicht der Lieb’ Erbarmen,
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Und er spielt mit seinem Opfer, bis es todt in seinen Armen.
 
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Aber dann, als ob er Abscheu gegen eine Leiche fühlt,
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Hat er seiner Lüste Spielzeug wieder an den Strand gespült;
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An dem Fuß der Düne, deren Gipfel einst der Baum beschattet,
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Hat die alte Mutter Erde ihr entführtes Kind bestattet.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.7 KB)

Details zum Gedicht „Die Strandbuche“

Anzahl Strophen
7
Anzahl Verse
28
Anzahl Wörter
274
Entstehungsjahr
1851
Epoche
Realismus

Gedicht-Analyse

Das vorliegende Gedicht „Die Strandbuche“ wurde von Theodor Fontane verfasst, einem bedeutenden Vertreter des deutschen Realismus im 19. Jahrhundert.

Auf den ersten Blick handelt es sich um eine dramatisch erzählte Begebenheit, in der eine Buche als zentrale Figur auftaucht. Sie steht symbolisch für das lyrische Ich und durchlebt in Kommunikation mit Meer und Mutter Erde ein emotionales Drama.

Inhaltlich geht es um die Sehnsucht und das Streben nach Liebe und Hingabe, aber auch die Erkenntnis der Zerstörung und des Todes, die mit einer solchen Hingabe einhergehen können. Die Buche verkörpert das lyrische Ich, das sich zum Meer, einem Symbol für Kraft, Freiheit und Verführung, hingezogen fühlt. Trotz ihrer Verlockung hält die Mutter Erde, symbolisch für Stabilität und Geborgenheit, die Buche fest. Als das Meer, diese symbolisch für eine wilde und leidenschaftliche Liebe, die Buche stürzen lässt, zeigt sich die Wahrheit hinter ihrer Verführung: jede Hingabe wäre nur temporär und endet in Vernichtung und Tod.

In Bezug auf die Form fällt auf, dass das Gedicht aus sieben gleich aufgebauten Strophen besteht, die jeweils vier Verse umfassen. Er kennzeichnet den Fluss und die Dynamik der Geschichte und unterstreicht die Dramatik der Ereignisse.

Die Sprache Fontanes ist reich an bildhaften Metaphern und Personifizierungen, wodurch die Naturerscheinungen Meer und Buche als Protagonisten in einem dramatischen Liebes- und Todesrausch erscheinen. Durch diese ausdrucksstarke Sprache wird das emotionale Drama nicht nur inhaltlich, sondern auch sprachlich eindrucksvoll zum Ausdruck gebracht.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Fontane in „Die Strandbuche“ eine metaphorische und dramatische Naturgeschichte erzählt, die in die Tiefe menschlicher Sehnsüchte und Ängste führt. Es ist eine Reflexion über die Ambivalenz von Liebe und Tod, Freiheit und Geborgenheit, feste Bindung und das Verlangen nach Ungebundenheit. Dabei bedient er sich einer lebendigen, anschaulichen Sprache und einer klaren, rhythmischen Form, die die Dramatik der Geschichte unterstreichen.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Die Strandbuche“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Theodor Fontane. 1819 wurde Fontane in Neuruppin geboren. 1851 ist das Gedicht entstanden. In Berlin ist der Text erschienen. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text der Epoche Realismus zugeordnet werden. Fontane ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 28 Versen mit insgesamt 7 Strophen und umfasst dabei 274 Worte. Weitere Werke des Dichters Theodor Fontane sind „An Marie“, „An meinem Fünfundsiebzigsten“ und „Auf der Treppe von Sanssouci“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Die Strandbuche“ weitere 214 Gedichte vor.

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