Die Spinne und der Seidenwurm von Friedrich Wilhelm von Hoven

In ein gewißes Haus kam einmal eine Spinne,
Und hub allda zu spinnen an,
Und sprach zum Seidenwurm: „Sieh da, was ich beginne!
„Ein Beytrag stünde mir von dir nicht übel an.“ –
Der Seidenwurm ließ sonder Zwang
Sich sogleich dazu willig finden,
Und fängt wohl an, ihr ellenlang=
Gedrehte Fäden einzusenden;
Die legt sie dann in ihr Gemächt
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Jezt hier, jezt anderwärts zurecht. –
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Da sizt sie nun entzükt in sich verloren
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Ob ihrem Wunderding, das sie zur Welt gebohren;
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Als plözlich aufgemacht
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Die Stubenthüre kracht. –
 
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Wer tritt herein? – Die Magd, den Besen in der Hand, –
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Gerüstet steht sie da, die Stube auszufegen;
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Da glänzt und schimmert von der Wand
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Das Spinngewebe ihr entgegen. –
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„Herunter du!“ – Sie sagt es kaum, so riß
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Der Besen schon sich in die Höh und stieß
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Wie ein Komet mit seinem Flammenschwanze,
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Den eine Welt der Herr zertrümmern hieß,
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Das Spinngeweb, nach hundertfachem Riß,
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Zu Boden in den Staub, troz seinem Seidenglanze;
 
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Fragt ihr, wie ließ sich drob der Seidenwurm vernehmen? –
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Er schlich gelassen fort und sprach: –
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„Wer sollt sich wohl ob solchem Unstern grämen?
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„Ich schrieb an einem Almanach! ! !„ –
Arbeitsblatt zum Gedicht
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Details zum Gedicht „Die Spinne und der Seidenwurm“

Anzahl Strophen
3
Anzahl Verse
28
Anzahl Wörter
184
Entstehungsjahr
1782
Epoche
Aufklärung,
Empfindsamkeit,
Sturm & Drang

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Die Spinne und der Seidenwurm“ wurde von dem deutschen Autor Friedrich Wilhelm von Hoven verfasst, der im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert lebte. Angesichts dieser zeitlichen Einordnung und des formalen Aufbaus lässt sich das Gedicht stilistisch der Epoche der Klassik zuordnen.

Auf den ersten Blick präsentiert das Gedicht durch die thematisierten Tiere eine für die klassische Literatur typische allegorische Fabel, die eine moralische oder lebensphilosophische Botschaft transportieren soll.

Inhaltlich erzählt das Gedicht von einer Spinne, die sich in ein Haus begibt und beginnt, ein Netz zu spinnen. Sie fordert den Seidenwurm auf, sie mit Seide zu versorgen, was dieser auch tut. Die Spinne nutzt die Seide, um ihr Netz weiter auszubauen und scheint sehr zufrieden mit ihrer Arbeit zu sein. Doch dann kommt eine Magd mit einem Besen und zerstört das Netz. Der Seidenwurm zeigt sich unbeeindruckt und entzieht sich der Situation.

Durch die Erfahrungen des Seidenwurms vermittelt der Dichter die Botschaft, dass man sich nicht an vergänglichen Werken festhalten, sondern gelassen mit den Unwägbarkeiten des Lebens umgehen sollte. „Ich schrieb an einem Almanach!“ lässt sich als Metapher dafür verstehen, dass der Seidenwurm andere, dauerhafte Aufgaben für bedeutsamer hält und seine Arbeit am Netz nicht überbewertet.

Die Form des Gedichts folgt konsequent einem Vierheber mit Endreimen. In Bezug auf die Sprache fällt auf, dass der Dichter altertümliche Formulierungen und sehr bildhafte Sprache verwendet („Das Spinngeweb, nach hundertfachem Riß, / Zu Boden in den Staub, troz seinem Seidenglanze“). Das lyrische Ich vermittelt die Handlung und Gefühle der Tiere in einer menschlichen und emotionalen Sprache, was die Identifikation des Lesers mit den Tieren erleichtert und die übertragene Botschaft unterstreicht.

Insgesamt lehrt uns Friedrich Wilhelm von Hovens Gedicht „Die Spinne und der Seidenwurm“ auf ansprechende und detailreiche Weise eine Lebensweisheit über den Umgang mit Verlust und vergänglichen Werken.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Die Spinne und der Seidenwurm“ des Autors Friedrich Wilhelm von Hoven. 1759 wurde Hoven in Stuttgart geboren. Im Jahr 1782 ist das Gedicht entstanden. Erscheinungsort des Textes ist Stuttgart. Eine Zuordnung des Gedichtes zu den Epochen Aufklärung, Empfindsamkeit oder Sturm & Drang kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Die Richtigkeit der Epochen sollte vor Verwendung geprüft werden. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Da es keine starren zeitlichen Grenzen bei der Epochenbestimmung gibt, können hierbei Fehler entstehen. Das 184 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 28 Versen mit insgesamt 3 Strophen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Friedrich Wilhelm von Hoven sind „Unterschied der Zeiten“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Die Spinne und der Seidenwurm“ keine weiteren Gedichte vor.

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