Die Sonnenburg bei Wiesbaden von Heinrich Kämpchen
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Dorf Sonnenberg liegt tief im Talesgrunde, |
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Doch über ihm, hoch wie ein Aar in Lüften, |
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Erhebt die Burg sich auf der Felsrotunde. |
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Zerfallen jetzt – doch einst in stolzen Prächten |
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War Residenz sie eines deutschen Königs, |
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Und wert darum, daß ihrer wir gedächten. |
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Der Luxemburger hat hier Hof gehalten |
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Und manchem wackern Kämpen im Turniere |
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Den Halsberg und das Helmvisier zerspalten. |
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Da zog der Minstrel zu der stolzen Veste, |
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Von Harfenklang erschollen die Kemnaten – |
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Doch längst zerstoben ist der Schwarm der Gäste. |
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Zuweilen nur noch, wie der Volksmund kündet, |
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Erwacht auch hier geheimnisvolles Leben, |
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Wo Grauen mit der Schönheit sich verbündet. |
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Um Mitternacht, ganz plötzlich, unvermutet – |
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Der düst’re Fels träumt von vergang’nen Tagen, |
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Wenn bleiches Mondlicht seine Stirn umflutet. |
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Da hallt die Burg von lautem Waffenklirren, |
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Von Heroldsrufen und Gestampf der Rosse, |
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Und Schwerterblitze durch das Dunkel schwirren. |
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Und wieder plötzlich tönen süße Weisen |
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Zum Lob der Minne zu der Laute Klange, |
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Es will der Sänger seine Dame preisen. |
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So hallt’s zuweilen noch in stillen Nächten, |
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Und wer den süßen Zaubersang vernommen, |
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Fühlt sich gebannt von wundersamen Mächten. |
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Mir ward die Mär, als ich im Julibrande, |
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Vor Jahresfrist, die Sonnenburg erklommen |
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Und Ausschau hielt vom höchsten Zinnenrande. |
Details zum Gedicht „Die Sonnenburg bei Wiesbaden“
Heinrich Kämpchen
10
30
199
1909
Moderne
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Die Sonnenburg bei Wiesbaden“ wurde von Heinrich Kämpchen, einem deutschen Schriftsteller und Lyriker, der von 1847 bis 1912 lebte, verfasst. Seine Schreibzeit fällt in das ausgehende 19. und beginnende 20. Jahrhundert, eine Epoche, die auch den Naturalismus hervorbrachte.
Auf den ersten Blick handelt das Gedicht von der Sonnenburg, die auf einem Felsen über dem Dorf Sonnenberg thront. Der Blick des lyrischen Ichs aus der heutigen Zeit fällt auf die bereits zerfallene, einst prachtvolle Burg, die als Residenz eines deutschen Königs genutzt wurde.
In einfacher Worten erzählt das Gedicht von der historischen Bedeutung der Burg, die einst Schauplatz von Königshöfen und Ritterturnieren war. Die Sprache des Gedichts ist bildhaft, mit konkreten Bildern, die historische Szenen einfangen, z. B.: „Der Luxemburger hat hier Hof gehalten / Und manchem wackern Kämpen im Turniere / Den Halsberg und das Helmvisier zerspalten.„
Es bereitet dem lyrischen Ich Vergnügen, sich diese glorreichen Zeiten vorzustellen und so wird in den späteren Strophen auf mystische Weise suggeriert, dass die Geister der Vergangenheit durch den nächtlichen Mondschein wieder zum Leben erweckt werden. Der Leser wird eingeladen, in den Erinnerungen der Burg zu schwelgen und die Vergangenheit zum Leben zu erwecken: „Um Mitternacht, ganz plötzlich, unvermutet – / Der düst’re Fels träumt von vergang’nen Tagen, / Wenn bleiches Mondlicht seine Stirn umflutet.„
Bezüglich Form und Sprache ist das Gedicht in klassischer Manier verfasst. Es hat zehn Strophen, jede bestehend aus drei Versen und in jede dritte Strophe wird eine neue Idee eingeführt. Die Sprache ist bildhaft und deskriptiv; die Metaphern und die symbolische Darstellung von Mondlicht und Nacht ermöglichen die Wiederherstellung historischer Ereignisse. Die Wahl der Worte weist auf die Melancholie und die Sehnsucht des lyrischen Ichs hin, in eine Ära zurückzukehren, die lange vorbei ist. Dabei steht die Sonnenburg symbolisch für den Verlust der Vergangenheit und die Sehnsucht nach vergangenen Zeiten.
Weitere Informationen
Heinrich Kämpchen ist der Autor des Gedichtes „Die Sonnenburg bei Wiesbaden“. Geboren wurde Kämpchen im Jahr 1847 in Altendorf an der Ruhr. Im Jahr 1909 ist das Gedicht entstanden. Der Erscheinungsort ist Bochum. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text der Epoche Moderne zugeordnet werden. Bei Verwendung der Angaben zur Epoche prüfe bitte die Richtigkeit der Zuordnung. Die Auswahl der Epoche ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen und muss daher nicht unbedingt richtig sein. Das Gedicht besteht aus 30 Versen mit insgesamt 10 Strophen und umfasst dabei 199 Worte. Weitere Werke des Dichters Heinrich Kämpchen sind „Am Rhein“, „Am Weinfelder Maar“ und „Am goldenen Sonntag“. Zum Autor des Gedichtes „Die Sonnenburg bei Wiesbaden“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 165 Gedichte vor.
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