An ** wegen eines Vorwurfs über Liebe von Anton Wilhelm Christian Fink
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Jüngling, willst du mich verdammen? |
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Jüngling, hast du nie geliebt? |
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Loderte in gleichen Flammen |
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Nie dein Herz mit der zusammen |
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Die des Himmels Vorschmack giebt? |
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O so schweig! Vermag dem Kranken |
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Aller Freuden Götterwein – |
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Göß auch Hebe selbst ihn ein – |
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Ungekostet, die Gedanken |
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Seines Trübsinns zu zerstreun? – |
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Mich verdammen? – Jüngling, weine! |
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Denn noch lacht kein Morgenroth |
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Deinem Lenz mit Purpurscheine, |
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Da den Kelch von diesem Weine |
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Dir noch nie die Göttin bot. |
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Unter Winternächten starrend, |
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Schlummert deiner Freude Land |
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Kaum geahndet! Auf die Hand |
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Einer mildern Allmacht harrend, |
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Die des Nebels Nacht verbannt. |
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Heil! Mir sind sie nun entflogen |
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Nebelhüll und Winternacht! |
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Seit im goldnen Strahlenbogen |
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Du am Aether aufgezogen, |
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Du auf mich herabgelacht. |
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Wie einst Orpheus Zauberleier |
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Leben strömte durch den Hain, |
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Leben durch den Marmorstein, |
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Goßest du der Liebe Feuer |
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Durch dieß schlummernde Gebein. |
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In der Jugend schwachem Kahne |
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Irrt’ ich mit der Sehnsucht Weh |
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Auf des Lebens Oceane, |
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Als die hohe Götterfahne |
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Mir vom Ufer flatterte. |
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Ha! Willkommen Lustgefilde! |
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Muttererde sey gegrüs’t! |
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Wo die Thräne, die noch fließt |
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Mit dem Rosenmund die Milde |
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Von des Dulders Wange küßt. |
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Neu durchathmet, neugebohren |
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Fühl’ ich meines Geistes Kraft; |
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Röther schimmern mir Auroren, |
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Freundlicher umtanzen Horen |
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Meine neue Pilgerschaft. |
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Dichter, schwesterlicher ketten |
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Sich der Freude Wonnereihn, |
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Nachtigallen flöten drein, |
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Singen mich auf Rosenbetten |
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Sanft zu süßen Träumen ein. |
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Schöner, als beym Göttermahle, |
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Beut die Liebe mir die Frucht, |
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Süsser labt der Quell im Thale |
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Als der Wein der Nektarschaale, |
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Denn den Quell hat sie gesucht! |
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Werther, daß ihn Pindar [sänge], |
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Ist der Kranz, den ihre Hand |
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Im bescheidnen Thale band, |
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Als die Kron’ im Festgepränge, |
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Die dem Sänger Hellas wand. |
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Jüngling, guter Jüngling, weine! |
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Deiner Freude Blüthe bricht; |
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Denn die Himmlische, die Eine |
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Pflegt in ihrem Sonnenscheine |
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Der verwaisten Blüthe nicht .- |
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Seelig, seelig, wem die Liebe |
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Zu des Lebens Trost und Stab, |
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Eine holde Freundinn gab; |
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Nimmer zieht sein Himmel trübe |
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Sich um seiner Freuden Grab. |
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Liebe giebt ihm Adlerflügel, |
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Hoch empor zum Sonnenlauf; |
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Liebe, Gottes reiner Spiegel, |
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Drükt der Unschuld heilges Siegel |
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Ihrem Schöngebohrnen auf; |
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Winkt vom Himmel Engel nieder, |
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Zaubert ewig jung und grün |
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Ein Arcadien um ihn, |
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Wo die Freud’ und Unschuld wieder |
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Traulich durch die Hütten ziehn. |
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Wenn der Sturm des Lebens stürmet, |
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Tausend Wetter ihn umdrohn, |
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Woge sich auf Woge thürmet, |
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O! wer faßt, wer hält, wer schirmet |
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Der Verzweiflung Unglückssohn? – |
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Liebe mit der starken Rechte |
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Schirmt des Glükkes Königssohn! |
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Sieh! Die Wetter sind entflohn, |
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Und durch helle Sternennächte |
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Säuselt sanft ihr Silberton: |
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„Sey gegrüßt! Vom Wogenschwarme |
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Sollst du, matter Dulder, nun |
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Nach des Lebens Müh’ und Harme |
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In der Liebe sicherm Arme |
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Weich auf Rosenbetten ruhn! |
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In dem ersten keuschen Kusse, |
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Den dir deine Milde küßt, |
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Wenn sich Seel’ in Seel’ ergießt, |
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Sey mit himmlischem Genusse |
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Jedes Erdenweh versüßt.“ |
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Sieh! Wie mir der Engelfriede |
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Labungsvoll entgegenfliegt. |
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Nachtigall mit deinem Liede |
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Wird im süssen Traum der Müde |
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Nach Elysium gewiegt. |
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Still ihr Lüfte. Leis’ umflügelt |
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In der Ahndung Silberflor |
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Mich der Träume stilles Chor, |
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Und ein süsses Sehnen spiegelt |
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Mir ein schön’res Eden vor. – |
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Dufte süßer, heil’ge Blume, |
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Rinne leiser, Schattenbach! |
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Saiten, schweigt vom Heldenruhme, |
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Hallt in diesem Heiligthume |
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Nur das Kußgeflüster nach! |
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Ha! dieß Stammeln! Ha, dieß Beben! |
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Dieser glühe Flammenkuß, |
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Dieser Wonnen Vollgenuß – |
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Kündet das ein höhres Leben – |
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Oder Nacht des Erebus? – |
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W. Fink. |
Details zum Gedicht „An ** wegen eines Vorwurfs über Liebe“
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1792
Klassik
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „An ** wegen eines Vorwurfs über Liebe“ ist von Anton Wilhelm Christian Fink, einem Lyriker des 18. Jahrhunderts. Es handelt sich hierbei um ein exemplarisches Gedicht der Sturm und Drang Epoche, die um 1765 begann und gegen 1785 endete.
Das lyrische Ich beginnt das Gedicht damit, einem Jüngling, wahrscheinlich einen Kritiker oder Gegner zu hinterfragen. Es wird gefragt, ob dieser jemals geliebt hätte und wenn nicht, er keine Berechtigung hätte, eine Vorwürfe zu äußern. Es wird eine tiefe Wertschätzung und Verklärung der Liebe gezeigt, als etwas Erhabenes und Einzigartiges. Das lyrische Ich fordert den Jüngling dazu auf, zu weinen, da er das Glück der Liebe nicht gekannt hat und seine Freude im Vergleich dazu traurig ist. Es wird auch aufgezeigt, dass die Liebe das Leben des lyrischen Ichs nachhaltig verbessert und verschönert hat. Es spricht von einem neugeborenen Geisteszustand und einer neuen Perspektive, die ihm die Liebe gegeben hat.
Das Gedicht hat eine sehr regelmäßige Form, bestehend aus 13 Strophen mit je 10 Versen (abgesehen von der letzten Strophe mit nur einem Vers). Finks Sprache ist poetisch und überaus bildreich in seiner Ausdruckweise. Es gibt viele Metaphern und allegorische Ausdrücke, die das Gefühl der Verzauberung durch die Liebe vermitteln. Beispielsweise wird die Liebe als der „Vorgeschmack des Himmels“, „goldener Strahlenbogen“ und die „Kraft des Geistes“ beschrieben. Auch Elemente der Natur, wie „Winternacht“, „Nebelhüll“, „goldner Strahlenbogen“, „Nachtigallen“ und „Rosenbetten“, werden gebraucht, um die Verwandlung durch die Liebe zu illustrieren.
Die Sprache und das Pathos des Gedichtes sind typisch für literarischen Werke des Sturm und Drang, welche die Individualität, Emotion und die Natur feiern. Es stellt die Liebe als transzendentale Erfahrung dar, die das Leben zu etwas Besserem macht. Es zeigt, wie Liebe eine Person erheben, transformieren und ihr ein tieferes Verständnis und Wertschätzung des Lebens geben kann.
Weitere Informationen
Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „An ** wegen eines Vorwurfs über Liebe“ von Anton Wilhelm Christian Fink. Im Jahr 1770 wurde Fink in Halle (Saale) geboren. Das Gedicht ist im Jahr 1792 entstanden. Erschienen ist der Text in Leipzig. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht der Epoche Klassik zuordnen. Die Zuordnung der Epoche ist ausschließlich auf zeitlicher Basis geschehen. Bitte überprüfe unbedingt die Richtigkeit der Angaben bei Verwendung. Das vorliegende Gedicht umfasst 545 Wörter. Es baut sich aus 13 Strophen auf und besteht aus 121 Versen. Der Dichter Anton Wilhelm Christian Fink ist auch der Autor für Gedichte wie „Als ich sie Abends nach Hause geführt hatte“ und „Ueber Schönheit“. Zum Autor des Gedichtes „An ** wegen eines Vorwurfs über Liebe“ haben wir auf abi-pur.de keine weiteren Gedichte veröffentlicht.
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