Die Schläfer von Georg Heym

Es schattet dunkler noch des Wassers Schoß,
Tief unten brennt ein Licht, ein rotes Mal
Am schwarzen Leib der Nacht, wo bodenlos
Die Tiefe sinkt. Und auf dem dunklen Tal,
 
Mit grünem Fittich auf der dunklen Flut
Flattert der Schlaf, der Schnabel dunkelrot,
Drin eine Lilie welkt, der Nacht Salut,
Den Kopf von einem Greise gelb und tot.
 
Er schüttelt seine Federn wie ein Pfau.
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Die Träume wandern wie ein lila Hauch
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Um seine Schwinge, wie ein blasser Tau.
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In ihre Wolke taucht er, in den Rauch.
 
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Die großen Bäume wandern durch die Nacht
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Mit langem Schatten, der hinüber läuft
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Ins weiße Herz der Schläfer, die bewacht
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Der kalte Mond, der seine Gifte träuft
 
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Wie ein erfahrner Arzt tief in ihr Blut.
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Sie liegen fremd einander, stumm, im Haß
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Der dunklen Träume, in verborgner Wut.
20 
Und ihre Stirn wird von den Giften blaß.
 
21 
Der Baum von Schatten klammert um ihr Herz
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Und senkt die Wurzeln ein. Er steigt empor
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Und saugt sie aus. Sie stöhnen auf vor Schmerz.
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Er ragt herauf, am Turm der Nacht, am Tor
 
25 
Der blinden Stille. In die Zweige fliegt
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Der Schlaf. Und seine kalte Schwinge streift
27 
Die schwere Nacht, die auf den Schläfern liegt
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Und ihre Stirn mit Qualen weiß bereift.
 
29 
Er singt. Ein Ton von krankem Violett
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Stößt an dem Raum. Der Tod geht. Manches Haar
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Streicht er zurück. Ein Kreuz, Asche und Fett,
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So malt er seine Frucht im welken Jahr.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.4 KB)

Details zum Gedicht „Die Schläfer“

Autor
Georg Heym
Anzahl Strophen
8
Anzahl Verse
32
Anzahl Wörter
238
Entstehungsjahr
1911
Epoche
Expressionismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Die Schläfer“ wurde von Georg Heym, einem deutschen Dichter des Expressionismus, verfasst. Heym lebte von 1887 bis 1912, was bedeutet, dass dieses Gedicht wahrscheinlich Anfang des 20. Jahrhunderts entstanden ist.

Beim ersten Eindruck des Gedichts fällt auf, dass es dunkle und tiefsinnige Bilder verwendet, um auf einen Bildschlag einzugehen, der absolut mystisch und düster ist. Die Metaphorik ist komplex und lebendig, was einen markanten Kontrast zum Titel „Die Schläfer“ bildet, der eigentlich Ruhe und friedlichen Schlaf suggeriert.

Inhaltlich scheint es das lyrische Ich auf die beunruhigende Wirkung der Nacht und des Schlafes abzusehen. Das Gedicht beschreibt, wie die Dunkelheit den Raum erfüllt und wie der Schlaf – personifiziert als eine Art bedrohlicher Vogel – über den schlafenden Menschen kreist, deren Träume von Unbehagen und Schmerz geprägt sind. Die Mondlicht scheint den Schläfern Gifte einzuflößen. Ein dunkler Baum scheint dabei eine wichtige Rolle zu spielen, da er sich in die Herzen der Schläfer klammert und ihnen Schmerzen zufügt. Am Ende des Gedichts erwähnt das lyrische Ich den Tod, was darauf hinweist, dass der Schlaf auch als Metapher für den Tod gesehen werden kann.

Formal besteht das Gedicht aus acht Strophen, die jeweils aus vier Versen bestehen. Die Sprache ist elegant, aber gleichzeitig sehr düster und bildreich. Es wird eine düstere und unheimliche Atmosphäre durch die Verwendung von Begriffen wie „dunkler Flut“, „kalter Mond“, „Gifte“, „Schmerz“, „Qualen“ und „Tod“ erzeugt. Zudem wird der Schlaf als etwas Bedrohliches und Unheilvolles dargestellt, was sicherlich nicht der üblichen Assoziation mit diesem Zustand entspricht.

Zusammengefasst lässt sich sagen, dass „Die Schläfer“ ein Gedicht ist, das die dunkle Seite des Schlafes und der Nacht in eindrucksvollen und unheilvollen Bildern beschreibt und den Leser dazu einlädt, über die Metaphorik und die möglichen Interpretationen nachzudenken. Die düstere Atmosphäre und der Bildreichtum machen das Gedicht zu einem beeindruckenden Beispiel für die expressionistische Lyrik.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Die Schläfer“ des Autors Georg Heym. Geboren wurde Heym im Jahr 1887 in Hirschberg. Das Gedicht ist im Jahr 1911 entstanden. In Leipzig ist der Text erschienen. Eine Zuordnung des Gedichtes zur Epoche Expressionismus kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Bei Heym handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 32 Versen mit insgesamt 8 Strophen und umfasst dabei 238 Worte. Die Gedichte „Der Abend“, „Der Baum“ und „Der Blinde“ sind weitere Werke des Autors Georg Heym. Zum Autor des Gedichtes „Die Schläfer“ haben wir auf abi-pur.de weitere 79 Gedichte veröffentlicht.

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