Die Riesenhöhle bei Balve von Heinrich Kämpchen
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Die Sonne sank – im Abendstrahl |
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Stieg ich zu Balves Felsensaal, |
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Der wie ein Dom vor mir gebreitet, |
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Sich übermächtig dehnt und weitet, |
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Und mit den Wänden zackigrauh |
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Aufstrebt wie ein Gigantenbau. – |
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Ich stieg hinan und trat hinein – |
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Die Sonne gab noch glühen Schein |
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Dem Felspalaste am Portale, |
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Indeß im Hintergrund vom Saale, |
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Wohin mein Fuß jetzt langsam ging, |
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Die Nacht schon ihren Mantel hing. – |
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Verödet lag der weite Raum, |
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Ich sah die letzten Enden kaum |
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Vor mir im grauen Dämmerlichte, |
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Und dann – gespenstiges Gesichte – |
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Gewannen plötzlich Leben hier |
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Die Vorwelt-Hünen – Mensch wie Tier. – |
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Ich sah Gestalten aufersteh’n, |
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Wie sie die Erde einst geseh’n, |
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Und wie sie Träume nur bescheren, |
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Das Mammut und den Höhlenbären, |
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Und wie der Mensch mit ihnen rang, |
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Der Steinzeit, und die Keule schwang. – |
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Ein Kampf so wüst und ungeschlacht’, |
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Daß Phantasie ihn kaum erdacht, |
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Und der doch wirklich hat bestanden, |
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Weil sich Beweise dafür fanden |
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Aus jenen Zeiten, wild und rauh, |
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Auch hier in Balves Riesenbau. – |
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Wie oft mag hier der Grund gedröhnt, |
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Wie oft geröchelt und gestöhnt |
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Der Kämpfer haben im Turneie – |
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Wie oft der Fels vom Todesschreie |
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Geklungen in der grausen Schlacht, |
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Wenn Mut erlag der Uebermacht? |
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So woben ihren Schleier dicht |
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Ein Höhenspuk, ein Traumgesicht, |
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Um mich mit immer fester’n Ringen – |
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Da schlug von außen helles Singen, |
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Den Spuk entzaubernd, an mein Ohr – |
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Es war mein Freund am Felsentor. – |
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Nun zogen beide wir gemach |
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Im Grünen, unter’m Tannendach, |
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Zum Hönnetal des Weges weiter. |
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Mein Freund, der stets fidel und heiter, |
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Sang Lieder durch den Waldesraum – |
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Ich dachte an den Höhlentraum. – |
Details zum Gedicht „Die Riesenhöhle bei Balve“
Heinrich Kämpchen
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48
261
1909
Moderne
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Die Riesenhöhle bei Balve“ wurde von Heinrich Kämpchen verfasst, der von 1847 bis 1912 lebte. Damit lässt sich das Gedicht zeitlich der Epoche des Realismus zuordnen.
Beim ersten Lesen fallen die ländliche Szenerie und eine lebendige, detailreiche Bildsprache auf. Doch trotz der anfänglichen friedlichen Naturbeschreibung wird auch eine düstere, geheimnisvolle Atmosphäre erzeugt, die die Riesenhöhle umgibt.
Das lyrische Ich schildert zunächst einen Spaziergang im Abendlicht zu einer Höhle, die als 'Balves Felsensaal' oder 'Gigantenbau' beschrieben wird. Dort angekommen, nimmt das lyrische Ich die Umgebung und schließlich auch die hohle Dunkelheit wahr. Die Dunkelheit und die Stille der Höhle führen zu einer intensiven Vision der Vergangenheit, in der primitive Menschen und Tiere wie das Mammut und der Höhlenbär zum Leben erweckt werden. Es werden Bilder von wilden Kämpfen hervorgebracht, die im Kontrast zur friedlichen Naturkulisse besonders nachdrücklich wirken. Letztendlich wird diese Vision oder auch Traum durch das Singen eines Freundes beendet. Doch auch im Anschluss dient das Gedicht dazu, dem Leser die Unruhe und das Nachdenken des lyrischen Ichs nahezubringen, die die Erinnerungen an diese angsteinflößende Vision bewirkt haben.
Das Gedicht besteht aus acht gleich gebauten Strophen, jede mit sechs Versen. Es zeigt eine klare, einfache und sehr bildliche Sprache, die es leicht verständlich macht. Die Bildlichkeit der Sprache wird für die Beschreibung sowohl der Landschaft als auch der Vision genutzt, was die atmosphärische Dichte des Gedichts erhöht und das Thema erst richtig zum Leben bringt.
Im großen Ganzen scheint Kämpchen die Strahlkraft und die tieferen Aspekte der Natur und der Urzeit zu feiern, aber auch gleichzeitig die Gewalt und das Primitive, das in dieser Zeit geherrscht hat. Es scheint auch eine Betrachtung der Natur als Quelle von Geschichten und Geschichte zu sein, und wie die Vergangenheit uns beeinflussen kann, selbst wenn wir sie nur indirekt durch Spuren in der Landschaft erfahren.
Weitere Informationen
Der Autor des Gedichtes „Die Riesenhöhle bei Balve“ ist Heinrich Kämpchen. Der Autor Heinrich Kämpchen wurde 1847 in Altendorf an der Ruhr geboren. Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1909. Bochum ist der Erscheinungsort des Textes. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht der Epoche Moderne zuordnen. Vor Verwendung der Angaben zur Epoche prüfe bitte die Richtigkeit. Die Zuordnung der Epoche ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen und daher anfällig für Fehler. Das Gedicht besteht aus 48 Versen mit insgesamt 8 Strophen und umfasst dabei 261 Worte. Der Dichter Heinrich Kämpchen ist auch der Autor für Gedichte wie „Abend am Rhein“, „Abendläuten“ und „Altendorf“. Zum Autor des Gedichtes „Die Riesenhöhle bei Balve“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 165 Gedichte vor.
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Zum Autor Heinrich Kämpchen sind auf abi-pur.de 165 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.
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