Die Pflicht von Erich Mühsam

Jüngst war der Tod bei mir zu Gast,
Unsichtbar stand er und hat still
Und prüfend meinen Puls gefaßt,
Als fragt er, ob ich folgen will.
Da ward mein Körper schwebend leicht,
Und in mir ward es licht und rein.
Ich spürte: Wenn das Leben weicht,
Muß Seligkeit und Süße sein.
Willkommner Tod. Du schreckst mich nicht;
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In deiner Obhut ist es gut,
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Wo Geist und Leib von aller Pflicht,
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Von Kerkerqual und Ängsten ruht ...
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Von aller Pflicht? Stirbt denn mit mir
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Der Krieg, das Unrecht und die Not?
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Des Armen Sucht, des Reichen Gier, –
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Sind sie mit meinem Ende tot?
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Ich schwur den Kampf. Darf ich ihn fliehn?
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Noch leb ich – wohlig oder hart.
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Kein Tod soll mich der Pflicht entziehn, –
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Und meine Pflicht heißt Gegenwart!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.3 KB)

Details zum Gedicht „Die Pflicht“

Anzahl Strophen
1
Anzahl Verse
20
Anzahl Wörter
127
Entstehungsjahr
1925
Epoche
Expressionismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Die Pflicht“ wurde von Erich Mühsam verfasst. Mühsam war ein bedeutender deutscher Schriftsteller, Publizist und politischer Aktivist, der vom 6. April 1878 bis zum 10. Juli 1934 lebte. Er war bekannt für sein Engagement in der anarchistischen politischen Bewegung und seine deutliche Kritik an den bestehenden sozialen und politischen Verhältnissen. In „Die Pflicht“ spricht das lyrische Ich von einer imaginären Begegnung mit dem Tod, die zu tiefen Reflexionen über das eigene Leben, die Verpflichtungen und die gesellschaftlichen Probleme führt.

Das Gedicht hinterlässt beim ersten Lesen einen tiefgründigen Eindruck. Es beschäftigt sich mit Themen wie Sterblichkeit, Verantwortung für die Gesellschaft und das Leben im hier und jetzt, das von individuellen und gesellschaftlichen Pflichten geprägt ist.

In den ersten acht Versen reflektiert das lyrische Ich über eine mögliche Begegnung mit dem Tod, die eine befreiende und einfache Alternative zum derzeitigen Leben darstellt. Doch in den weiteren Versen beginnt das Ich, die gesellschaftlichen Probleme zu thematisieren und stellt die Existenz von Ungerechtigkeit, Armut und Gier infrage. Es fragt, ob diese Probleme mit dem eigenen Tod verschwinden würden und erkennt, dass es eine Verpflichtung gegenüber der Gegenwart und gegenüber diesen Problemen hat.

Das lyrische Ich ist sich seiner Verantwortung für die Bekämpfung sozialer Ungerechtigkeit bewusst und betont, dass der Tod keine Entschuldigung für das Vermeiden dieser Pflicht ist. Es stellt das Konzept der Flucht vor Verpflichtungen infrage und entscheidet, in der Gegenwart zu leben und aktiv zu sein.

Formal gesehen besteht das Gedicht aus 20 Versen, gereimt in einer formal freien Struktur ohne festes Metrum oder konkrete Strophenbildung. Mühsam nutzt eine klare und direkte Sprache, um seine Botschaft zu vermitteln. Die Sprache ist metaphorisch, so wird der Tod als Gast bezeichnet oder als Schutz vor Pflicht, Angst und Qual dargestellt, was seine abschreckende Eigenschaft mildert. Durch die klare und direkte Sprache wird das Hauptthema des Gedichts – die Vereinigung von individueller Sterblichkeit und gesellschaftlicher Verantwortung - unterstrichen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass „Die Pflicht“ ein Gedicht ist, das tiefgreifende Fragen über Leben, Tod, gesellschaftliche Ungerechtigkeit und individuelle Verantwortung aufwirft. Es zeugt von Mühsams starkem sozialen und politischen Gewissen und seiner Entschlossenheit, seine Stimme für die Bekämpfung sozialer Ungerechtigkeit zu nutzen.

Weitere Informationen

Erich Mühsam ist der Autor des Gedichtes „Die Pflicht“. Der Autor Erich Mühsam wurde 1878 in Berlin geboren. Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1925. Berlin ist der Erscheinungsort des Textes. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht der Epoche Expressionismus zuordnen. Bei Mühsam handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das 127 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 20 Versen mit nur einer Strophe. Weitere Werke des Dichters Erich Mühsam sind „Bauchweh“, „Betäubung“ und „Das Beispiel lebt“. Zum Autor des Gedichtes „Die Pflicht“ haben wir auf abi-pur.de weitere 57 Gedichte veröffentlicht.

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