Die Parke von Rainer Maria Rilke
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Unaufhaltsam heben sich die Parke |
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aus dem sanft zerfallenden Vergehn; |
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überhäuft mit Himmeln, überstarke |
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Überlieferte, die überstehn, |
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um sich auf den klaren Rasenplänen |
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auszubreiten und zurückzuziehn, |
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immer mit demselben souveränen |
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Aufwand, wie beschützt durch ihn, |
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und den unerschöpflichen Erlös |
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königlicher Größe noch vermehrend, |
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aus sich steigend, in sich wiederkehrend: |
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huldvoll, prunkend, purpurn und pompös. |
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II |
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Leise von den Alleen |
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ergriffen, rechts und links, |
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folgend dem Weitergehen |
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irgendeines Winks, |
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trittst du mit einem Male |
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in das Beisammensein |
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einer schattigen Wasserschale |
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mit vier Bänken aus Stein; |
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in eine abgetrennte |
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Zeit, die allein vergeht. |
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Auf feuchte Postamente, |
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auf denen nichts mehr steht, |
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hebst du einen tiefen |
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erwartenden Atemzug; |
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während das silberne Triefen |
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vor dem dunkeln Bug |
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dich schon zu den Seinen |
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zählt und weiterspricht. |
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Und du fühlst dich unter Steinen, |
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die hören, und rührst dich nicht. |
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III |
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Den Teichen und den eingerahmten Weihern |
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verheimlicht man noch immer das Verhör |
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der Könige. Sie warten unter Schleiern, |
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und jeden Augenblick kann Monseigneur |
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vorüberkommen; und dann wollen sie |
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des Königs Laune oder Trauer mildern |
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und von den Marmorrändern wieder die |
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Teppiche mit alten Spiegelbildern |
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hinunterhängen, wie um einen Platz: |
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auf grünem Grund, mit Silber, Rosa, Grau, |
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gewährtem Weiß und leicht gerührtem Blau |
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und einem Könige und einer Frau |
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und Blumen in dem wellenden Besatz. |
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IV |
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Und Natur, erlaucht und als verletze |
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sie nur unentschloßnes Ungefähr, |
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nahm von diesen Königen Gesetze, |
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selber selig, um den Tapis-vert |
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ihrer Bäume Traum und Übertreibung |
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aufzutürmen aus gebauschtem Grün |
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und die Abende nach der Beschreibung |
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von Verliebten in die Avenün |
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einzumalen mit dem weichen Pinsel, |
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der ein firnisklares aufgelöstes |
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Lächeln glänzend zu enthalten schien: |
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der Natur ein liebes, nicht ihr größtes, |
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aber eines, das sie selbst verliehn, |
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um auf rosenvoller Liebes-Insel |
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es zu einem größern aufzuziehn. |
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V |
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Götter von Alleen und Altanen, |
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niemals ganzgeglaubte Götter, die |
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altern in den gradbeschnittnen Bahnen, |
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höchstens angelächelte Dianen, |
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wenn die königliche Venerie |
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wie ein Wind die hohen Morgen teilend |
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aufbrach, übereilt und übereilend —; |
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höchstens angelächelte, doch nie |
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angeflehte Götter. Elegante |
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Pseudonyme, unter denen man |
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sich verbarg und blühte oder brannte, — |
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leichtgeneigte, lächelnd angewandte |
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Götter, die noch manchmal dann und wann |
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das gewähren, was sie einst gewährten, |
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wenn das Blühen der entzückten Gärten |
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ihnen ihre kalte Haltung nimmt; |
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wenn sie ganz von ersten Schatten beben |
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und Versprechen um Versprechen geben, |
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alle unbegrenzt und unbestimmt. |
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VI |
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Fühlst du, wie keiner von allen |
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Wegen steht und stockt; |
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von gelassenen Treppen fallen, |
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durch ein Nichts von Neigung |
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leise weitergelockt, |
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über alle Terrassen |
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die Wege, zwischen den Massen |
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verlangsamt und gelenkt, |
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bis zu den weiten Teichen, |
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wo sie (wie einem Gleichen) |
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der reiche Park verschenkt |
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an den reichen Raum: den Einen, |
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der mit Scheinen und Widerscheinen |
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seinen Besitz durchdringt, |
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aus dem er von allen Seiten |
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Weiten mit sich bringt, |
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wenn er aus schließenden Weihern |
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zu wolkigen Abendfeiern |
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sich in die Himmel schwingt. |
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VII |
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Aber Schalen sind, drin der Najaden |
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Spiegelbilder, die sie nicht mehr baden, |
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wie ertrunken liegen, sehr verzerrt; |
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die Alleen sind durch Balustraden |
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in der Ferne wie versperrt. |
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Immer geht ein feuchter Blätterfall |
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durch die Luft hinunter wie auf Stufen, |
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jeder Vogelruf ist wie verrufen, |
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wie vergiftet jede Nachtigall. |
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Selbst der Frühling ist da nicht mehr gebend, |
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diese Büsche glauben nicht an ihn; |
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ungern duftet trübe, überlebend |
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abgestandener Jasmin |
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alt und mit Zerfallendem vermischt. |
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Mit dir weiter rückt ein Bündel Mücken, |
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so als würde hinter deinem Rücken |
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alles gleich vernichtet und verwischt. |
Details zum Gedicht „Die Parke“
Rainer Maria Rilke
25
121
554
1918
Moderne
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Die Parke“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Rainer Maria Rilke. Der Autor Rainer Maria Rilke wurde 1875 in Prag geboren. Das Gedicht ist im Jahr 1918 entstanden. Leipzig ist der Erscheinungsort des Textes. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text der Epoche Moderne zugeordnet werden. Der Schriftsteller Rilke ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das 554 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 121 Versen mit insgesamt 25 Strophen. Die Gedichte „Abend“, „Abend in Skaane“ und „Absaloms Abfall“ sind weitere Werke des Autors Rainer Maria Rilke. Zum Autor des Gedichtes „Die Parke“ haben wir auf abi-pur.de weitere 337 Gedichte veröffentlicht.
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