Die Nachfolgerin von Kurt Tucholsky
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Ich hab meinen ersten Mann gesehn – |
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der ging mit einer! |
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Hütchen, Rock und Bluse (Indanthren) |
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und zwei Kopf kleiner! |
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Sie muß ihn wohl ins Bureau begleiten … |
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Über den Geschmack ist nicht zu streiten. |
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Na, herzlichen Glückwunsch! |
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Sein Gehirn ist bei der Liebeswahl |
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ganz verkleistert; |
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wenn er siegt, dann ist er allemal |
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schwer begeistert. |
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Ob Languettenhemd, ob teure Seiden – |
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seinetwegen kann man sich in Säcke kleiden … |
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Na, herzlichen Glückwunsch! |
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Frau ist Frau … wie glücklich ist der Mann, |
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dem das gleich ist! |
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Und für sowas zieht man sich nun an! |
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Als ob man reich ist! |
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Das heißt: für ihn? |
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Wir ziehen unsre Augenbrauen |
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für und gegen alle andern Frauen. |
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Immerhin erwart ich, daß ers merken kann; |
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ich will fühlen, daß ich reizvoll bin. |
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Dreifach spiegeln will ich mich: im Glas, im Neid, im Mann. |
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Der guckt gar nicht hin. |
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Liebe kostet manche Überwindung … |
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Männer sind eine komische Erfindung. |
Details zum Gedicht „Die Nachfolgerin“
Kurt Tucholsky
3
27
146
1929
Literatur der Weimarer Republik / Neue Sachlichkeit,
Exilliteratur
Gedicht-Analyse
Das vorliegende Gedicht trägt den Titel „Die Nachfolgerin“ und stammt von Kurt Tucholsky, der von 1890 bis 1935 lebte. Eine genaue zeitliche Einordnung ist aufgrund der fehlenden Gesamtinformationen schwierig, jedoch kann man Tucholsky dem expressionistischen Literaturkreis zurechnen, der in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts aktiv war.
Beim ersten Eindruck des Gedichts fällt auf, dass es sich um eine kritische Beobachtung der Beziehungsdynamik zwischen Mann und Frau handelt. Die ersten zwei Strophen beschreiben eine Situation, in der der Mann mit einer anderen Frau geht, die augenscheinlich nicht den Standards des lyrischen Ichs entspricht. Der Ton des Gedichts wirkt dabei sarkastisch bis spöttisch.
Der Inhalt des Gedichts dreht sich um die oberflächliche Attraktivität und den Einfluss, den das Aussehen auf die Liebesbeziehung hat. Das lyrische Ich kritisiert, dass Männer ihre Partnerinnen anhand ihres Äußeren auswählen und dass Frauen sich für den Mann attraktiv machen müssen, um seine Aufmerksamkeit zu erlangen. Es wird deutlich, dass das lyrische Ich sich in dieser Situation nicht gewertschätzt fühlt und die Erwartungen an die eigene Attraktivität und das Verhalten des Mannes als anstrengend empfindet.
Form und Sprache des Gedichts sind einfach gehalten. Jede Strophe besteht aus sieben Versen, wobei die ersten beiden Strophen sieben Verse haben und die dritte Strophe 13 Verse umfasst. Der Rhythmus und das Reimschema sind nicht einheitlich und variieren von Strophe zu Strophe. Die Sprache ist direkt und klar, wobei der Gebrauch von Satire und Ironie zur Kritik der beschriebenen Beziehungsdynamik beiträgt. Das Gedicht ist in erster Person geschrieben, was eine starke Identifikation des lyrischen Ichs mit den geschilderten Ereignissen ermöglicht.
Weitere Informationen
Kurt Tucholsky ist der Autor des Gedichtes „Die Nachfolgerin“. 1890 wurde Tucholsky in Berlin geboren. 1929 ist das Gedicht entstanden. Erschienen ist der Text in Berlin. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht den Epochen Literatur der Weimarer Republik / Neue Sachlichkeit oder Exilliteratur zuordnen. Bei dem Schriftsteller Tucholsky handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen.
Inhaltlich wurden in der Literatur der Weimarer Republik häufig die Ereignisse des Ersten Weltkriegs verarbeitet. Die geschichtlichen Einflüsse des Ersten Weltkrieges und der späteren Weimarer Republik sind die prägenden Faktoren dieser Epoche. Die Neue Sachlichkeit in der Literatur der Weimarer Republik ist von distanzierter Betrachtung der Welt und Nüchternheit gekennzeichnet und politisch geprägt. Es wurde eine alltägliche Sprache verwendet um mit den Texten so viele Menschen wie möglich zu erreichen. Viele Schriftsteller litten unter der Zensur in der Weimarer Republik. Im Jahr 1922 wurde nach einem Attentat auf den Reichsaußenminister das Republikschutzgesetz erlassen, das die zunächst verfassungsmäßig garantierte Freiheit von Wort und Schrift in der Weimarer Republik deutlich einschränkte. Dieses Gesetz wurde in der Praxis nur gegen linke Autoren angewandt, nicht aber gegen rechte, die zum Beispiel in ihren Werken offen Gewalt verherrlichten. Das 1926 erlassene Schund- und Schmutzgesetz setze den Schriftstellern dieser Zeit noch mal verstärkt Grenzen. 1931 trat die Pressenotverordnung in Kraft, dadurch waren die Beschlagnahmung von Schriften und das Verbot von Zeitungen über mehrere Monate hinweg möglich geworden.
Im Laufe der Geschichte gab es immer wieder Autoren, die ins Exil fliehen, also ihre Heimat verlassen mussten. Dies geschah insbesondere zu Zeiten des Nationalsozialismus. Die Exilliteratur geht aus diesem Umstand hervor. Der Ausgangspunkt der Exilbewegung Deutschlands war der Tag der Bücherverbrennung am 30. Mai 1933. Die deutsche Exilliteratur schließt an die Neue Sachlichkeit der Weimarer Republik an und bildet damit eine eigene Literaturepoche in der deutschen Literaturgeschichte. Die Themen der deutschen Exilliteratur lassen sich zunächst in zwei Gruppen einteilen. Einige Schriftsteller fühlten sich in ihrer neuen Heimat nicht zu Hause, hatten Heimweh und wollten einfach in ihr altes Leben vor dem Nationalsozialismus zurückkehren. Oft konnten sie im Ausland nicht mehr ihrer Tätigkeit als Schriftsteller nachgehen, da sie nur in Deutsch schreiben konnten, was im Ausland aber niemand verstand. Heimweh und ihre Liebe zum Mutterland sind die Themen in ihren Werken. Andere Schriftsteller wollten sich gegen Nazideutschland wehren. Man wollte einerseits die Welt über die Grausamkeiten in Deutschland aufklären. Andererseits aber auch den Widerstand unterstützen. Bestimmte formale Gestaltungsmittel wie zum Beispiel Metrum, Reimschema oder der Gebrauch bestimmter rhetorischer Mittel lassen sich in der Exilliteratur nicht finden. Die Exilliteratur weist häufig einen Pluralismus der Stile (Realismus und Expressionismus), eine kritische Betrachtung der Wirklichkeit und eine Distanz zwischen Werk und Leser oder Publikum auf. Sie hat häufig die Absicht zur Aufklärung und möchte Gesellschaftsentwicklungen aufzeigen (wandelnder Mensch, Abhängigkeit von der Gesellschaft).
Das 146 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 27 Versen mit insgesamt 3 Strophen. Kurt Tucholsky ist auch der Autor für Gedichte wie „Abschied von der Junggesellenzeit“, „Achtundvierzig“ und „All people on board!“. Zum Autor des Gedichtes „Die Nachfolgerin“ haben wir auf abi-pur.de weitere 136 Gedichte veröffentlicht.
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Zum Autor Kurt Tucholsky sind auf abi-pur.de 136 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.
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