Die Musen von Karl Philipp Conz
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Weinend kamen die Musen vor Jupiters Thron mit verhüllten |
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Angesichtern, und standen und schluchzten und konnten nicht reden: |
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„Kinder, was ist euch?“ erhub der ewige Vater die Stimme. |
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Klio, die älteste, der Euterpe, die jüngste, sich anschloß, |
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Trat hervor und begann: Laß uns bey dir im Olympus! |
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Vater! die Erde verdient nicht unsre segnenden Gaben. |
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Zwinge, du Guter, uns nicht mehr hinab: Wir wollen bey dir seyn! |
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Ach! es ziehet uns an der süße Boden der Heimath, |
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Und die mildere Luft, die unsere Jugend umwehte. |
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Unwerth ist der Fremde bey Fremden, wir wollen bey dir seyn, |
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Und mit Gesang und Spiel dein ewiges Leben erquicken! |
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Laß die Menschen, verkauft an ihre Bosheit und Lüste, |
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Laß sie, sich selber zum Raub, ihr Schattenleben in Nebel |
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Und cimmerischer Nacht voll trüber Schwere verhärmen“! |
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Und die Wolke des Ernsts stieg über Jupiters Aug auf: |
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Sollte das Erdengeschlecht sich gegen sich selber empören? |
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Dies von der Rohheit herauf zu Verstand und Sitte zu bilden, |
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Hab ich, unsterblich euch den Sterblichen liebend gegeben. |
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Habt ihr, treu dem Beruf, des Vaters Willen vollzogen? |
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Was wir konnten, thaten wir, Vater! wir suchten der Rohheit |
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Sie zu entreißen und Künst und Sitten den Wilden zu geben: |
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In der Sterblichen Thal sind unsre Rosen gepflanzet, |
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Blumen säeten wir auf ihre schweigenden Gräber, |
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Wafnen wollten wir sie mit unsrer himmlischen Weisheit |
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Gegen die Furcht der Natur und gegen die Schrecken des Todes, |
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Lehren wollten wir sie den Feind im Busen bekämpfen, |
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Und erobern den Weg zu dir, Unendlicher! Viele |
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Söhne zeugten uns laut und nahmen die goldene Lehre |
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Dankbar und liebevoll auf in die freudigwillige Seele. |
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Manche zeugen uns noch; Ja ich bekenn’ es, Kronion! |
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Aber die Lästerung sperrt den Pfad den wenigen Edlern, |
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Und der Besseren Ruf verhallet vor dem Getöse |
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Wilden Pöbelgeschreys – „Worinn verklagt euch die Lästrung“? |
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Uns die Lehrerinnen der sterblichen Menschen verschreyt sie |
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Als Erinnyen; Gift sey unsre Lehre, wir lösen |
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Sitt’ und Recht und Glück, und morden den Frieden der Menschen, |
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Ja wir vernichten sogar die Hofnungen über den Urnen; |
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Also zischet im Winkel nicht mehr, so rauscht die Verläumdung |
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Durch die Straßen am Tag mit ihrer ehernen Zunge. |
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Was unbändige Lust und tolle Neigung verschulden, |
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Was für Unheil der Mensch dem Menschen selber bereitet, |
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Aufruhr, Völkerkriege mit Völkerführern, der Bürger |
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Wechselmorde, den Sturz der Thronen, der Tempel Entweihung, |
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Alles wälzet sie, selbst die Erinnys, mit schuldiger Zunge |
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Uns Unschuldigen zu; sie dränget sich frech an die Großen, |
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Stürmt in ihr furchtsames Ohr, und ruft der Gewaltigen Arme |
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Gegen uns auf, und Acht und Bann und Fesseln bedräun uns. |
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Nein! Wir dulden es länger nicht mehr. Wir haben mit Irrthum, |
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Mit Unwissenheit oft und ihren Priestern gekämpfet, |
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Hier kämpft Bosheit uns an, und wir erliegen ihr endlich, |
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Wenn die getäuschte Gewalt der Feigen den herrschenden Arm leiht“. |
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Klio schwieg, es schwiegen um sie die traurenden Schwestern, |
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Auch der olympische Fürst schwieg Augenblicke; da stand er |
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Auf vom goldenen Thron und die ambrosischen Locken |
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Wehten säuselnd um ihn, dann neigt’ er sein liebendes Antlitz: |
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„Was ihr, Selige, klagt, war meinem kundigen Auge |
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Nimmer verborgen; Es herrscht durch das Vergangne, das Nahe |
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Und das Künftige! Traget des Schicksals Willen geduldig, |
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Gleichet dem Vater an Güte, wie ihr in Weisheit ihn nachahmt. |
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Schmäht Unwissenheit euch, so schmäht sie selber den großen |
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Vater der Weisheit in euch, und wäre sie Bosheit – verzeiht ihr! |
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Schmähungen reichen nimmer an meine unsterbliche Scheitel. |
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Kehret zur Erde zurück, mitleidige Göttinnen, sühnet |
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Die Verirrten euch aus durch stille duldende Liebe, |
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Um der Besseren Willen, der Treuen, kehret zurücke! |
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Um der Schlimmeren willen, der Lästerer, kehret zurücke, |
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Und erhaltet durch Treu, durch süße Liebe die Freunde, |
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Und gewinnet durch Lieb’ und durch Verzeihung die Feinde! |
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Geht! Mein Segen mit euch! und sät in die Zeiten der Zukunft |
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Guten Saamen, es reift das Gute, das Große nur langsam, |
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Aber es reift gewiß zur herrlich erquicken den Aernte! |
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Conz. |
Details zum Gedicht „Die Musen“
Karl Philipp Conz
8
72
642
1797
Klassik
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Die Musen“ stammt von Karl Philipp Conz, der am 28. Oktober 1762 geboren wurde und am 20. Juni 1827 verstarb. Es kann zeitlich in das 18. Jahrhundert eingeordnet werden.
Der erste Eindruck des Gedichts ist traurig und melancholisch. Es beginnt mit den weinenden Musen, die vor Jupiters Thron stehen und nicht sprechen können.
Der Inhalt des Gedichts ist ein Appell der Musen an Jupiter, dass sie nicht länger zur Erde zurückkehren möchten, da die Menschen nicht mehr würdig sind, ihre segnenden Gaben zu erhalten. Sie möchten lieber beim Vater im Olymp sein, da die Erde nicht mehr ihre Jugendzeit und die mildere Luft bietet, die sie einst hatten.
Die Form des Gedichts besteht aus acht Strophen mit unterschiedlichen Anzahlen von Versen. Die Sprache ist poetisch und melodisch, wobei die Verse oft reimend sind. Das Gedicht enthält viele Metaphern und beschreibt die Situation der Musen und ihre Botschaft an Jupiter auf eine emotionale und ausdrucksstarke Weise.
Insgesamt stellt das Gedicht „Die Musen“ von Karl Philipp Conz eine Reflexion über die Beziehung zwischen den Musen und den Menschen dar. Es handelt von den Schwierigkeiten und Enttäuschungen, denen die Musen in der Welt der Sterblichen begegnen, und ihrem Wunsch nach Verständnis und Wertschätzung. Es ist ein Appell an Jupiter, die Musen weiterhin zu unterstützen und ihnen bei ihrer Aufgabe zu helfen, Kultur und Weisheit in die Welt zu bringen.
Weitere Informationen
Karl Philipp Conz ist der Autor des Gedichtes „Die Musen“. 1762 wurde Conz in Lorch geboren. Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1797. In Tübingen ist der Text erschienen. Eine Zuordnung des Gedichtes zur Epoche Klassik kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Bei Verwendung der Angaben zur Epoche prüfe bitte die Richtigkeit der Zuordnung. Die Auswahl der Epoche ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen und muss daher nicht unbedingt richtig sein. Das 642 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 72 Versen mit insgesamt 8 Strophen. Weitere Werke des Dichters Karl Philipp Conz sind „An die Muse“, „Der Hain der Eumeniden“ und „Liebeszuruf“. Zum Autor des Gedichtes „Die Musen“ haben wir auf abi-pur.de keine weiteren Gedichte veröffentlicht.
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