Die Musageten von Johann Wolfgang von Goethe
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Oft in tiefen Winternächten |
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Rief ich an die holden Musen: |
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Keine Morgenröthe leuchtet |
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Und es will kein Tag erscheinen, |
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Aber bringt zur rechten Stunde |
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Mir der Lampe fromm Geleuchte, |
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Daß es, statt Auror und Phöbus, |
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Meinen stillen Fleiß belebe. |
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Doch sie ließen mich im Schlafe, |
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Dumpf und unerquiklich, liegen, |
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Und nach jedem späten Morgen |
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Folgten ungenutzte Tage. |
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Da sich nun der Frühling regte, |
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Sagt ich zu den Nachtigallen: |
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Liebe Nachtigallen schlaget |
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Früh, o früh! vor meinem Fenster, |
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Weckt mich aus dem vollen Schlafe, |
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Der den Jüngling mächtig fesselt. |
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Doch die lieberfüllten Sänger |
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Dehnten nachts vor meinem Fenster |
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Ihre süßen Melodien, |
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Hielten wach die liebe Seele, |
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Regten zartes neues Sehnen |
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Aus dem neugerührten Busen, |
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Und so ging die Nacht vorüber |
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Und Aurora fand mich schlafen, |
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Ja mich weckte kaum die Sonne. |
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Endlich ist es Sommer worden |
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Und beym ersten Morgenschimmer |
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Reizt mich aus dem holden Schlummer |
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Die geschäftig frühe Fliege |
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Unbarmherzig kehrt sie wieder |
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Wenn auch oft der halberwachte |
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Ungeduldig sie verscheuchet, |
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Lockt die unverschämten Schwestern |
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Und von meinen Augenlidern |
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Muß der holde Schlaf entweichen. |
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Rüstig spring ich von dem Lager |
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Suche die geliebten Musen, |
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Finde sie im Buchenhaine |
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Mich gefällig zu empfangen. |
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Und den leidigen Insecten |
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Dank ich manche goldne Stunde, |
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Seyd mir doch, ihr unbequemen, |
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Von dem Dichter hochgepriesen, |
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Als die wahren Musageten. |
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JUSTUS AMMAN. |
Details zum Gedicht „Die Musageten“
5
47
216
1799
Sturm & Drang,
Klassik
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Die Musageten“ wurde von Johann Wolfgang von Goethe geschrieben. Es lässt sich in die Zeit des Sturm und Drangs einordnen, da es typische Motive und Themen dieser Epoche aufweist.
Der erste Eindruck, den das Gedicht vermittelt, ist eine melancholische Stimmung in der Dunkelheit der Winternächte. Das lyrische Ich sehnt sich nach Inspiration und Kreativität, die von den Musen kommen sollen. Es bittet um das Licht einer Lampe, um seinen inneren Fleiß zu beleben. Doch die Musen scheinen das lyrische Ich im Schlaf zu ignorieren, und so folgen ungenutzte Tage aufeinander.
Im Frühling versucht das lyrische Ich sein Glück bei den Nachtigallen. Es bittet sie, es früh am Morgen mit ihrem Gesang zu wecken, um den Jüngling aus seinem tiefen Schlaf zu erwecken. Doch die schönen Gesänge der Nachtigallen fallen nur während der Nacht auf, und als Aurora (die Göttin der Morgenröte) das lyrische Ich schlafend findet, schafft es die Sonne kaum, es aufzuwecken.
Als es endlich Sommer wird, wird das lyrische Ich vom Summen einer Fliege geweckt. Diese Fliege bringt es um den Schlaf und weichen muss. Das lyrische Ich springt nun voller Energie aus dem Bett und sucht nach den Musen im Buchenhain, um empfangen zu werden. Es dankt den lästigen Insekten für die kostbaren Stunden, die es ihnen nun nehmen kann.
In Bezug auf die Form des Gedichts handelt es sich um fünf Strophen unterschiedlicher Länge. Die erste Strophe besteht aus zwölf Versen, die zweite aus acht, die dritte aus sieben, die vierte aus sechzehn und die fünfte aus vier Versen. Die Sprache des Gedichts ist einfach und klar, es werden keine besonderen Stilmittel verwendet. Es gibt jedoch eine wiederkehrende Parallele zwischen den Nachtigallen und den Musen, die die Unzuverlässigkeit und Abwesenheit der Inspiration symbolisieren könnten.
Weitere Informationen
Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Die Musageten“ des Autors Johann Wolfgang von Goethe. Im Jahr 1749 wurde Goethe in Frankfurt am Main geboren. Im Jahr 1799 ist das Gedicht entstanden. Erscheinungsort des Textes ist Tübingen. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text den Epochen Sturm & Drang oder Klassik zugeordnet werden. Der Schriftsteller Goethe ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen.
Als Sturm und Drang (auch Genieperiode oder Geniezeit) bezeichnet man eine Epoche der Literatur, die auf die Jahre 1765 bis 1790 datiert werden kann. Sie knüpfte an die Empfindsamkeit an und ging später in die Klassik über. Die Literaturepoche des Sturm und Drang war eine Protestbewegung, die aus der Aufklärung hervorging. Der Protest richtete sich dabei gegen den Adel und dessen höfische Welt, sowie andere absolutistische Obrigkeiten. Er richtete sich darüber hinaus auch gegen das Bürgertum, das als freudlos und eng galt, und dessen Moralvorstellungen veraltet waren. Als Letztes richtete sich der Protest der Epoche des Sturm und Drang gegen Traditionen in der Literatur. Die Vertreter waren zumeist Schriftsteller jüngeren Alters, meistens nicht älter als 30 Jahre. In den Dichtungen wurde darauf geachtet eine geeignete Sprache zu finden, um die subjektiven Empfindungen des lyrischen Ichs zum Ausdruck zu bringen. Es wurde eine eigene Jugendsprache und Jugendkultur mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Halbsätzen und Wiederholungen geschaffen. Die alten Werke vorangegangener Epochen wurden geschätzt und dienten weiterhin als Inspiration. Schiller, Goethe und natürlich die anderen Autoren jener Zeit suchten nach etwas Universalem, was in allen Belangen und für jede Zeit gut sei und entwickelten sich stetig weiter. So ging der Sturm und Drang über in die Weimarer Klassik.
Die Literaturepoche der Weimarer Klassik dauerte von 1786 bis 1832 an. Bedeutende Vertreter dieser Literaturepoche waren Goethe und Schiller. Die zeitliche Abgrenzung orientiert sich dabei an dem Schaffen Goethes. So wird dessen erste Italienreise 1786 als Beginn der deutschen Klassik angesehen, die dann mit seinem Tod 1832 ihr Ende nahm. Das Zentrum der Weimarer Klassik lag in Weimar. Häufig wird die Epoche auch nur als Klassik bezeichnet. Humanität, Güte, Gerechtigkeit, Toleranz, Gewaltlosigkeit und Harmonie sind die wichtigsten Themen. Die Klassik orientiert sich am antiken Kunstideal. In der Klassik wird eine geordnete, einheitliche Sprache verwendet. Kurze, allgemeingültige Aussagen sind oftmals in Werken der Klassik zu finden. Da man die Menschen früher mit der Kunst und somit auch mit der Literatur erziehen wollte, legte man großen Wert auf formale Ordnung und Stabilität. Metrische Ausnahmen befinden sich häufig an Stellen, die hervorgehoben werden sollen. Die Hauptvertreter der Klassik sind Johann Wolfgang von Goethe, Friedrich Schiller, Christoph Martin Wieland und Johann Gottfried Herder. Einen künstlerischen Austausch im Sinne einer gemeinsamen Arbeit gab es jedoch nur zwischen Friedrich Schiller und Johann Wolfgang von Goethe.
Das 216 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 47 Versen mit insgesamt 5 Strophen. Der Dichter Johann Wolfgang von Goethe ist auch der Autor für Gedichte wie „An die Entfernte“, „An die Günstigen“ und „An einen jungen Prahler“. Zum Autor des Gedichtes „Die Musageten“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 1618 Gedichte vor.
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