Die Marktweiber in der Stadt von Johann Peter Hebel

I chumm do us ’s Rothshere Hus,
’s isch wohr, ’s sieht proper us;
doch ischs mer, sie heigen o Müeih und Noth
und allerlei schweri Gidanke,
„Chromet süeßen Anke!“
wies eben überal goht.
 
Io weger, me meint, in der Stadt
seig alles sufer und glatt;
die Here sehn eim so lustig us,
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und ’s Chrütz isch ebe durane,
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„Chromet iungi Hahne!“
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mengmol im pröperste Hus.
 
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Und wemme g’chämpft muß ha,
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gohts, meini, ehnder no a
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im Freie dusse, wo d’Sunn o lacht,
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und Bluemen und Aehri schwanke,
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„Chromet süeßen Anke!“
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und d’Sterne flimmere z’Nacht.
 
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Und, wenn der Tag verwacht,
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was isch nit für e Pracht!
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Der lieb Gott, meint me, well selber cho,
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er seig scho an der Chrischone,
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„Chromet grüeni Bohne!“
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und chömm iez enanderno.
 
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Und d’Vögeli meine’s o,
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sie werde so busper und froh,
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und singe: „Her Gott dich loben wir!“
 
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und ’s glitzeret ebe z’send ane;
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„Chromet iungi Hahne!“
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’s isch wohr, me verlueget sie schier.
 
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Und faßt e frische Mueth,
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und denkt: Gott meint is guet,
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sust hätt der Himmel kei Morgeroth;
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er willis nummen o üebe.
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„Chromet geli Rüebe!“
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Mer bruche ke Zuckerbrod.
 
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Und innewendig am Thor
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het Menge d’Umhäng no vor,
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er schloft no tief, und ’s traumt em no.
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Und ziehn sie der Umhang fürsi,
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„Chromet schwarzi Chirsi!“
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se simmer scho alli do.
 
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Drum merke sies selber schier,
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und chömme zuem Pläsier
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ufs Land, und hole ne frische Mueth
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im Adler und bim Schwane,
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„Chromet iungi Hahne!“
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und ’s schmecktene zimli guet.
 
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Und doch meint so ne Her,
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er seig weiß Wunder mehr,
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und lueget ein numme halber a.
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Es dunkt mi aber, er irr sie;
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„Chromet süeßi Chirsi!“
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Mi Hans isch au no e Ma.
 
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Rich sin sie, ’s isch kei Frog,
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’s Geld het nit Platz im Trog.
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Mir thuet bym Bluest e Büeßli weh,
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bi ihne heißt es: Dublone,
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„Chromet grüeni Bohne!“
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und hen no alliwil meh.
 
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Was chost en Immis nit?
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’s heißt numme: Mul, was witt?
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Pastetli, Strübli, Fleisch und Fisch,
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und Törtli und Makrone.
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„Chromet grüeni Bohne!“
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Der Platz fehlt uffem Tisch.
 
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Und erst der Staat am Lib!
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me cha’s nit seh vor Chib.
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Lueg numme di chospere Junten a!
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I wott, sie schenkte mir sie.
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„Chromet schwarze Chirsi!“
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Sie chönnte mini drum ha.
 
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Doch isch eim ’s Herz bitrüebt,
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se gib em, was em b’liebt,
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es schmeckt em nit, und freut en nit;
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es goht eim wie de Chranke.
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„Chromet süeßen Anke!“
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Was thuet me denn dermit?
 
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Und het me Chrütz und Harm,
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sen isch me ringer arm;
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me het nit viel, und bruucht nit viel,
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und isch doch sicher vor Diebe,
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„Chromet geli Rüebe!“
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Z’letzt chunnt men o zum Ziel.
 
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Io gell, wenn ’s Stündli schlacht?
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He, io, ’s bringt iedi Nacht
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e Morgen, und me freut si druf.
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Gott het im Himmel Chrone,
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„Chromet grüeni Bohne!“
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Mer wen do das Gäßli uf.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (30.7 KB)

Details zum Gedicht „Die Marktweiber in der Stadt“

Anzahl Strophen
16
Anzahl Verse
90
Anzahl Wörter
490
Entstehungsjahr
nach 1776
Epoche
Aufklärung,
Empfindsamkeit,
Sturm & Drang

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Die Marktweiber in der Stadt“ wurde von Johann Peter Hebel geschrieben. Der Dichter lebte von 1760 bis 1826.

Beim ersten Lesen des Gedichts entsteht der Eindruck einer beschreibenden und kritischen Sicht auf das Leben der Marktweiber in der Stadt. Es wird deutlich, dass es den Marktweibern äußerlich gut geht, ihre Läden sind ordentlich und sie sehen lustig aus. Das lyrische Ich hinterfragt jedoch die wahre Realität ihrer Leben und lässt in einfachen Worten durchblicken, dass sie Mühe, Not und schwerwiegende Gedanken haben.

Das Gedicht besteht aus 16 Strophen mit je 6 Versen, außer in der fünften Strophe, die nur 3 Verse hat. Die Sprache ist einfach und volkstümlich gehalten, was die Alltagswelt der Marktweiber widerspiegelt. Die kurzen Verse und direkte Anrede an die Leser verleihen dem Gedicht eine authentische und mündliche Qualität. Die Wiederholungen der Ausdrücke „Chrome süeßen Anke!“, „Chrome grüeni Bohne!“ und „Chrome iungi Hahne!“ in verschiedenen Strophen verstärken die Botschaft des Gedichts und vermitteln eine gewisse Ironie.

Inhaltlich geht es darum, dass die äußeren Erscheinungen der Marktweiber in der Stadt trügen sind. Sie sehen oberflächlich betrachtet glücklich und wohlhabend aus, jedoch zeigt das Gedicht, dass sie viele Schwierigkeiten und Sorgen haben. Das lyrische Ich fordert die Leser auf, genauer hinzuschauen, um die Wahrheit zu erkennen. Es wird auch betont, dass Geld und Reichtum nicht das Glück und die Zufriedenheit im Leben bringen, sondern dass wahre Erfüllung in einfachen Dingen zu finden ist.

Insgesamt bietet das Gedicht eine sozialkritische Perspektive auf das Leben der Marktweiber in der Stadt und ermutigt die Leser, die Wahrheit hinter äußerlichen Erscheinungen zu erkennen. Die Form und Sprache des Gedichts unterstützen die Botschaft und verleihen dem Leser einen leicht zugänglichen und poetischen Einblick in die Lebensrealität der Marktweiber.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Die Marktweiber in der Stadt“ ist Johann Peter Hebel. 1760 wurde Hebel in Basel geboren. In der Zeit von 1776 bis 1826 ist das Gedicht entstanden. Erschienen ist der Text in Karlsruhe. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her den Epochen Aufklärung, Empfindsamkeit, Sturm & Drang, Klassik, Romantik, Biedermeier oder Junges Deutschland & Vormärz zuordnen. Bitte überprüfe unbedingt die Richtigkeit der Angaben zur Epoche bei Verwendung. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Das Gedicht besteht aus 90 Versen mit insgesamt 16 Strophen und umfasst dabei 490 Worte. Die Gedichte „Agatha, an der Bahre des Pathen“, „An Herrn Geheimerath v. Ittner“ und „Auf den Tod eines Zechers“ sind weitere Werke des Autors Johann Peter Hebel. Zum Autor des Gedichtes „Die Marktweiber in der Stadt“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 60 Gedichte vor.

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