Die Löwenbraut von Adelbert von Chamisso

Mit der Myrte geschmückt und dem Brautgeschmeid,
Des Wärters Tochter, die rosige Maid,
Tritt ein in den Zwinger des Löwen; er liegt
Der Herrin zu Füßen, vor der er sich schmiegt.
 
Der Gewaltige, wild und unbändig zuvor,
schaut fromm und verständig zur Herrin empor;
Die Jungfrau zart und wonnereich,
Liebstreichelt ihn sanft und weinet zugleich:
 
„Wir waren in Tagen, die nicht mehr sind,
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Gar treue Gespielen wie Kind und Kind,
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Und hatten uns lieb, und hatten uns gern;
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Die Tage der Kindheit, sie liegen uns fern.
 
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Du schütteltest machtvoll, eh’ wir’s geglaubt,
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Dein mähnen-umwogtes, königlich Haupt;
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Ich wuchs heran, du siehst es, ich bin
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Das Kind nicht mehr mit kindischem Sinn.
 
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O wär’ ich das Kind noch und bliebe bei dir,
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Mein starkes, getreues, mein redliches Thier;
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Ich aber muß folgen, sie thaten’s mir an,
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Hinaus in die Fremde dem fremden Mann.
 
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Es fiel ihm ein, daß schön ich sei,
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Ich wurde gefreiet, es ist nun vorbei; —
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Der Kranz im Haare, mein guter Gesell,
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Und nicht vor Thränen die Blicke mehr hell.
 
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Verstehst du mich ganz? schau’st grimmig dazu;
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Ich bin ja gefaßt, sei ruhig auch du;
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Dort seh’ ich ihn kommen, dem folgen ich muß,
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So geb’ ich denn, Freund, dir den letzten Kuß!“
 
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Und wie ihn die Lippe des Mädchens berührt,
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Da hat man den Zwinger erzittern gespürt;
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Und wie er am Gitter den Jüngling erschaut,
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Erfaßt Entsetzen die bangende Braut.
 
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Er stellt an die Thür sich des Zwingers zu Wacht,
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Er schwinget den Schweif, er brüllet mit Macht;
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Sie flehend, gebietend und drohend begehrt
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Hinaus; er im Zorn den Ausgang wehrt.
 
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Und draußen erhebt sich verworren Geschrei,
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Der Jüngling ruft: „bringt Waffen herbei;
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Ich schieß’ ihn nieder, ich treff’ ihn gut!“
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Auf brüllt der Gereizte, schäumend vor Wuth.
 
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Die Unselige wagt’s, sich der Thüre zu nah’n,
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Da fällt er verwandelt die Herrin an;
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Die schöne Gestalt, ein gräßlicher Raub,
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Liegt blutig, zerissen, entstellt in dem Staub.
 
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Und wie er vergossen das theure Blut,
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Er legt sich zur Leiche mit finsterem Muth,
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Er liegt so versunken in Trauer und Schmerz,
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Bis tödtlich die Kugel ihn trifft in das Herz.
Arbeitsblatt zum Gedicht
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Details zum Gedicht „Die Löwenbraut“

Anzahl Strophen
12
Anzahl Verse
48
Anzahl Wörter
356
Entstehungsjahr
1827; Erstdruck im »Taschenbuch für das Jahr 1829«, [1828], S. 100–102
Epoche
Romantik

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Die Löwenbraut“ wurde von Adelbert von Chamisso geschrieben, der am 30. Januar 1781 geboren wurde und am 21. August 1838 starb. Es lässt sich zeitlich in die Zeit um das 19. Jahrhundert einordnen.

Beim ersten Lesen des Gedichts entsteht der Eindruck einer traurigen und tragischen Geschichte. Es scheint um eine junge Frau zu gehen, die sich in einem Löwengehege befindet und eine Verbindung zu einem mächtigen und wilden Löwen hat. Die Frau erinnert sich an ihre Kindheit und ihre Liebe und Verbundenheit mit dem Löwen. Doch nun wird sie gezwungen, dem Löwen zu entkommen, um einen fremden Mann zu heiraten. Dies führt zu großem Kummer und Verzweiflung bei ihr. Am Ende scheinen sowohl die Frau als auch der Löwe tragisch zu sterben.

Der Inhalt des Gedichts handelt von der Trennung des lyrischen Ichs, der Löwenbraut, von ihrem geliebten Löwen. Die Frau erinnert sich an ihre glückliche Kindheit und ihre enge Beziehung zum Löwen, bevor sie gezwungen wurde, den Löwen zu verlassen und einen anderen Mann zu heiraten. Das lyrische Ich sehnt sich nach ihrer Kindheit zurück und wünscht sich, noch immer ein Kind zu sein, damit sie beim Löwen bleiben kann. Doch sie akzeptiert ihr Schicksal und gibt dem Löwen einen letzten Kuss, während ihr neuer Ehemann auftritt. Am Ende führt der Löwe eine gewaltsame Tat aus, indem er die Frau tötet und schließlich selbst stirbt.

Das Gedicht besteht aus zwölf Strophen. Jede Strophe besteht aus vier Versen, wobei jeder Vers eine Zeile darstellt. Die Sprache des Gedichts ist einfach und klar, was die Tragik der Situation betont. Chamisso verwendet bildhafte und starke Adjektive, um das Verhalten des Löwen zu beschreiben, wie zum Beispiel „wild und unbändig“ oder „grimmig“. Die einfache Sprache und die klare Struktur des Gedichts verstärken die Eindringlichkeit der tragischen Geschichte.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Die Löwenbraut“ des Autors Adelbert von Chamisso. Geboren wurde Chamisso im Jahr 1781 . Das Gedicht ist im Jahr 102 entstanden. In Berlin ist der Text erschienen. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text der Epoche Romantik zugeordnet werden. Der Schriftsteller Chamisso ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche.

Die Romantik ist eine Epoche der Kulturgeschichte, zeitlich anzusiedeln vom späten 18. Jahrhundert bis tief in das 19. Jahrhundert hinein. Auf die Literatur bezogen: von 1795 bis 1848. Sie hatte Auswirkungen auf Literatur, Musik, Philosophie und Kunst jener Zeit. Die Literaturepoche der Romantik (ca. 1795–1848) lässt sich in Frühromantik (bis 1804), Hochromantik (bis 1815) und Spätromantik (bis 1848) aufgliedern. Die Romantik entstand in Folge politischer Krisen und gesellschaftlicher Umbrüche. In ganz Europa fand ein Übergang von der feudalen zur bürgerlichen Gesellschaft statt. Gleichermaßen bildete sich ein bürgerliches Selbstbewusstsein heraus. Industrialisierung und technologischer Fortschritt sind prägend für diese Zeit. Die zentralen Motive der Literatur der Romantik sind das Schaurige, Leidenschaftliche, Unterbewusste, Fantastische, Individuelle, Gefühlvolle und Abenteuerliche, welche die Grenzen des Verstandes sprengen und erweitern sollen und sich gegen das bloße Nützlichkeitsdenken sowie die Industrialisierung richten. Die Schriftsteller der Romantik sehnen sich nach der Einheit von Natur und Geist. Ein Hinwenden zum Mittelalter ist erkennbar. So werden Kunst und Architektur dieser vergangenen Zeit geschätzt. Die Missstände dieser Zeit bleiben jedoch unerwähnt. Die äußere Form von romantischer Dichtung ist dabei völlig offen. Kein starres Schema grenzt die Literatur ein. Dies steht ganz im Gegensatz zu den strengen Normen der Klassik. In der Romantik entstehen erstmals Sammlungen so genannter Volkspoesie. Bekannte Beispiele dafür sind Grimms Märchen und die Liedersammlung Des Knaben Wunderhorn. Doch bereits unmittelbar nach Erscheinen wurde die literarische Bearbeitung (Schönung) durch die Autoren kritisiert, die damit ihre Rolle als Chronisten weit hinter sich ließen.

Das 356 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 48 Versen mit insgesamt 12 Strophen. Weitere Werke des Dichters Adelbert von Chamisso sind „Der Spielmann“, „Helft mir, ihr Schwestern“ und „Du Ring an meinem Finger“. Zum Autor des Gedichtes „Die Löwenbraut“ haben wir auf abi-pur.de weitere 146 Gedichte veröffentlicht.

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