Die Litfaßsäulen von Joachim Ringelnatz

Es stehen die Litfaßsäulen
Verstreut, den Leuchttürmen gleich,
Und lassen vom Wind sich umheulen
Und werden im Regen ganz weich.
 
Und rufen und locken und preisen
Aus buntem und grellem Papier
Und drohen und stechen und beißen
Und lügen noch schlimmer als wir.
 
Früh lehnt ein Mann eine Leiter
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An das, was Litfaß erfand.
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Er reißt ihr vandalisch doch heiter
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In Fetzen das bunte Gewand.
 
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Nachdem er sie darauf bekleistert –
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Als brächte ihn Nacktes in Zorn –
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Klebt er ihr wieder begeistert
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Viel Buntes auf Hinten und Vorn.
 
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Theater ... – Auktion ... – Zigaretten ... –
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Wohltätigkeits... – Raubmord ... – Und Sport
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Proteste ... – Amtliche ... – Betten ... –
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Kurz alles in Bild oder Wort.
 
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Ich lese das ernst ohne Pause.
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Mich interessiert so was sehr.
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Und meiner Frau sag’ zu Hause
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Ich alles dann auswendig her.
 
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Ihr Sinn für Romane, Gedichte
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Und Zeitungen ist nicht so groß.
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Sie hört meine Litfaßberichte,
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Und abends ziehn wir dann los.
 
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Und wie, wie in Sturm und Wellen,
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Die Litfaßsäulen starr stehn,
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So sollen am Aktuellen
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Auch wir nicht etwa achtlos vorübergehn.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.2 KB)

Details zum Gedicht „Die Litfaßsäulen“

Anzahl Strophen
8
Anzahl Verse
32
Anzahl Wörter
167
Entstehungsjahr
1933
Epoche
Moderne,
Expressionismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Die Litfaßsäulen“ wurde von Joachim Ringelnatz verfasst. Der Autor lebte von 1883 bis 1934. Das Gedicht lässt sich zeitlich wohl in diese Zeitspanne einordnen.

Der erste Eindruck des Gedichts vermittelt eine ruhige und gleichzeitig melancholische Atmosphäre. Die Litfaßsäulen werden hier als einsame und verstreute Leuchttürme beschrieben, die vom Wind umheult werden und im Regen ganz weich werden.

Inhaltlich geht es darum, wie die Litfaßsäulen aus buntem und grellem Papier rufen, locken, preisen, drohen, stechen, beißen und sogar schlimmer lügen als wir Menschen. Der Autor beschreibt, wie ein Mann eine Leiter an die Litfaßsäulen lehnt und ihr buntes Gewand vandalisch in Fetzen reißt. Danach bekleistert er die Säule und klebt wieder viel Buntes darauf.

In den folgenden Strophen werden verschiedene Werbungen und Nachrichten erwähnt, die auf den Litfaßsäulen zu sehen sind, wie Theater, Auktionen, Zigaretten, Wohltätigkeit, Raubmord, Sport, Proteste, amtliche Angelegenheiten und Betten. Das lyrische Ich liest diese Informationen ernsthaft und interessiert sich sehr dafür.

Das lyrische Ich berichtet seiner Frau zu Hause von den Litfaßsäulen und wie es alle Informationen auswendig kennt. Obwohl seine Frau kein großes Interesse an Romanen, Gedichten und Zeitungen hat, hört sie den Berichten des lyrischen Ichs zu. Abends gehen sie zusammen aus, während die Litfaßsäulen starr stehen und sie nicht achtlos daran vorbeigehen wollen.

Das Gedicht besteht aus acht Strophen, die jeweils vier Verse enthalten. Die Sprache ist einfach und klar verständlich, mit einer deutlichen Betonung auf den Beschreibungen der Litfaßsäulen und ihren Werbungen. Die Strophen haben keinen festen Reimschema, es sind jedoch einige Endreime im Gedicht zu finden. Das Gedicht kann als eine kritische Betrachtung der Medienlandschaft und des Konsums interpretiert werden. Es vermittelt das Gefühl der Einsamkeit in der modernen Gesellschaft und die Suche nach Ablenkung und Information in Litfaßsäulen und Werbung.

Weitere Informationen

Joachim Ringelnatz ist der Autor des Gedichtes „Die Litfaßsäulen“. Ringelnatz wurde im Jahr 1883 in Wurzen geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes geht auf das Jahr 1933 zurück. Erschienen ist der Text in Berlin. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zu den Epochen Moderne oder Expressionismus zu. Bei dem Schriftsteller Ringelnatz handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen. Das 167 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 32 Versen mit insgesamt 8 Strophen. Joachim Ringelnatz ist auch der Autor für Gedichte wie „Abschiedsworte an Pellka“, „Afrikanisches Duell“ und „Alone“. Zum Autor des Gedichtes „Die Litfaßsäulen“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 560 Gedichte vor.

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