Die Lerche von Johann Gottfried Herder

Gegrüßet seyst du, du Himmelsschwinge,
Des Frühlings Bote, du Liederfreundinn,
Sey mir gegrüßet, geliebte Lerche,
Die beides lehret, Gesang und Leben.
 
Der Morgenröthe, des Fleißes Freundinn,
Erweckst du Felder, belebst du Hirten;
Sie treiben munter den Schlaf vom Auge:
Denn ihnen singet die frühe Lerche.
 
Du stärkst dem Landmann die Hand am Pfluge,
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Und giebst den Ton ihm zum Morgenliede.
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„Wach auf und singe, mein Herz voll Freude,
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Wach auf und singe, mein Herz voll Dankes.“
 
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Und alle Schöpfung, die Braut der Sonne,
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Erwacht verjünget vom langen Schlafe,
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Die starren Bäume, sie hören wundernd
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Gesang von oben und werden grünend.
 
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Die Zweige sprießen, die Blätter keimen,
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Das Laub entschlüpfet und horcht dem Liede.
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Die Vögel girren im jungen Neste,
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Sie üben zweifelnd die alten Stimmen.
 
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Denn du ermunterst sie, kühne Lerche,
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Beim ersten Blicke des jungen Frühlings;
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Hoch über Beifall und Neid erhoben,
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Dem Aug’ entflogen, doch stets im Ohre.
 
25 
Inbrünstig schwingst du dich auf zum Himmel
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Und schlüpfst bescheiden zur Erde nieder.
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Demüthig nistest du tief am Boden
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Und steigst frohlockend gen Himmel wieder.
 
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Drum gab, o fromme, bescheidne Lerche,
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Du über Beifall und Stolz erhobne,
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Du muntre Freundinn des frühen Fleißes,
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Drum gab der Himmel dir auch zum Lohne,
 
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Die unermüdlich-beherzte Stimme,
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Den Ton der Freude, den langen Frühling.
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Selbst Philomele, die Liedergöttin,
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Muß deinem langen Gesange weichen.
 
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Denn ach! der Liebe, der Jugend Klagen
38 
In Philomelens Gesang ersterben;
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Das Lied der Andacht, der Ton der Freude,
40 
Das Lied des Fleißes hat ewgen Frühling.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.9 KB)

Details zum Gedicht „Die Lerche“

Anzahl Strophen
10
Anzahl Verse
40
Anzahl Wörter
246
Entstehungsjahr
1787
Epoche
Sturm & Drang,
Klassik

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Die Lerche“ wurde von Johann Gottfried Herder verfasst. Er wurde am 25. August 1744 geboren und starb am 18. Dezember 1803. Das Gedicht kann zeitlich in die Zeit der Sturm und Drang Bewegung (ca. Mitte des 18. Jahrhunderts bis Ende des 18. Jahrhunderts) eingeordnet werden.

Beim ersten Eindruck des Gedichts fällt auf, dass es eine positive, fröhliche Stimmung vermittelt. Das lyrische Ich begrüßt die Lerche und preist sie als Frühlingsbotin und Freundin der Lieder. Es bringt zum Ausdruck, dass die Lerche sowohl den Gesang als auch das Leben lehrt.

Der Inhalt des Gedichts besteht darin, dass die Lerche den Frühling ankündigt und mit ihrem Gesang Freude und Dankbarkeit in die Welt bringt. Sie weckt die Menschen und belebt die Natur. Sie gibt dem Landmann Kraft und ermutigt die Vögel, ihre alten Stimmen wiederzuüben.

In Bezug auf die Form des Gedichts handelt es sich um eine zehn Strophen umfassende Ode. Jede Strophe besteht aus vier Versen. Die Sprache ist klar und einfach, mit vielen Adjektiven zur Beschreibung der Lerche und ihrer Eigenschaften. Es kommt auch regelmäßig das Stilmittel der Alliteration zum Einsatz.

Zusammenfassend kann man sagen, dass das Gedicht „Die Lerche“ von Johann Gottfried Herder einen positiven und hoffnungsvollen Blick auf den Frühling und das Leben darstellt. Die Lerche wird als Symbol für den Frühling und die Freude dargestellt, die sie mit ihrem Gesang in die Welt bringt. Die Form des Gedichts und die einfache, aber bildreiche Sprache verstärken die positive Stimmung des Gedichts.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Die Lerche“ des Autors Johann Gottfried Herder. Im Jahr 1744 wurde Herder in Mohrungen (Ostpreußen) geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes geht auf das Jahr 1787 zurück. In Gotha ist der Text erschienen. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her den Epochen Sturm & Drang oder Klassik zuordnen. Bei dem Schriftsteller Herder handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen.

Zwischen den Epochen Empfindsamkeit und Klassik lässt sich in den Jahren von 1765 bis 1790 die Strömung Sturm und Drang einordnen. Zeitgenössische Genieperiode oder Geniezeit sind häufige Bezeichnungen für diese Literaturepoche. Die wesentlichen Merkmale des Sturm und Drang lassen sich als ein Auflehnen oder Rebellieren gegen die Aufklärung zusammenfassen. Das philosophische und literarische Leben in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts und die Literatur sollten dadurch maßgeblich beeinflusst werden. Die Autoren der Epoche des Sturm und Drangs waren häufig unter 30 Jahre alt. In den Dichtungen wurde darauf geachtet eine geeignete Sprache zu finden, um die persönlichen Empfindungen des lyrischen Ichs zum Ausdruck zu bringen. Die traditionellen Werke vorangegangener Epochen wurden geschätzt und dienten als Inspiration. Aber dennoch wurde eine eigene Jugendsprache und Jugendkultur mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Halbsätzen und Wiederholungen geschaffen. Mit der Hinwendung Goethes und Schillers zur Weimarer Klassik endete der Sturm und Drang.

Die Weimarer Klassik ist eine Epoche der deutschen Literaturgeschichte, die von zwei zentralen Dichtern geprägt wurde: Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller. Die Literaturepoche beginnt im Jahr 1786 mit Goethes Italienreise und endet im Jahr 1832 mit Goethes Tod. Es gibt aber auch Definitionen, die die gemeinsame Schaffenszeit der beiden befreundeten Dichter Goethe und Schiller von 1794 bis zu Schillers Tod 1805 als Weimarer Klassik festlegen. Die Weimarer Klassik wird häufig nur als Klassik bezeichnet. Beide Bezeichnungen werden in der Literatur genutzt. Der Begriff Humanität ist von zentraler Bedeutung für die Zeit der Weimarer Klassik. Die wichtigsten inhaltlichen Merkmale der Klassik sind: Harmonie, Selbstbestimmung, Menschlichkeit, Toleranz und die Schönheit. Ein hohes Sprachniveau ist für die Werke der Weimarer Klassik charakteristisch. Während man im Sturm und Drang die natürliche Sprache wiedergeben wollte, stößt man in der Weimarer Klassik auf eine reglementierte Sprache. Die populärsten Schriftsteller der Weimarer Klassik sind: Friedrich Schiller, Johann Wolfgang von Goethe, Christoph Martin Wieland und Johann Gottfried von Herder.

Das vorliegende Gedicht umfasst 246 Wörter. Es baut sich aus 10 Strophen auf und besteht aus 40 Versen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Johann Gottfried Herder sind „Das Kind der Sorge“, „Das Orakel“ und „Das Ross aus dem Berge“. Zum Autor des Gedichtes „Die Lerche“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 413 Gedichte vor.

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