Als hohe in sich selbst verwandte Mächte von Clemens Brentano

Als hohe in sich selbst verwandte Mächte
In heil'ger Ordnung bildend sich gereiht,
Entzündete im wechslenden Geschlechte
Die Liebe lebende Beweglichkeit,
Und ward im Beten tiefgeheimer Nächte,
Dem Menschen jene Fremde eingeweiht,
Ein stilles Heimweh ist mit dir geboren,
Hast du gleich früh den Wanderstab verloren.
 
Die Töne ziehn dich hin, in sanften Wellen,
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Rauscht leis ihr Strom in Ufern von Kristall,
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Sirenen buhlen mit der Fahrt Gesellen,
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Aus Bergestiefen grüßt sie das Metall,
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Der Donner betet, ihre Segel schwellen,
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Aus Ferne ruft der ernste Widerhall;
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Die Wimpeln wehn in bunten Melodien,
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O wolltest du mit in die Fremde ziehen.
 
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Die Farben spannen Netze aus, und winken
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Dir mit des Aufgangs lebenstrunknem Blick,
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In ihren Strahlen Brüderschaft zu trinken.
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Am Berge weilen sie, und sehn zurück
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Willst du nicht auch zur Heimat niedersinken?
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Denn von den Sternen dämmert dein Geschick,
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Die fremde Heimat, spricht es, zu ergründen,
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Sollst du des Lichtes Söhnen dich verbünden.
 
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Auch magst du leicht das Vaterland erringen,
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Hast du der Felsen hartes Herz besiegt,
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Der Marmor wird in süßem Schmerz erklingen,
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Der tot und stumm in deinem Wege liegt:
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Wenn deine Arme glühend ihn umschlingen,
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Daß er sich deinem Bilde liebend schmiegt;
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Dann führt dich gern zu jenen fremden Landen,
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Dein Gott, du selbst, aus ihm und dir erstanden.
 
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Dich schreckt so stiller Gang, so schwer Bemühen,
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Du sehnest dich in alle Liebe hin,
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Des Marmors kalte Lippe will nicht glühen,
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Die Farbe spottet deiner Hände Sinn,
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Die Töne singen Liebe dir und fliehen,
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Gewinnst du nicht, so werde selbst Gewinn,
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Entwickle dich in Form, und Licht, und Tönen,
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So wird der Heimat Bürgerkranz dich krönen.
 
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O freier Geist, du unerfaßlich Leben,
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Gesang der Farbe, Formenharmonie,
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Gestalt des Tons, du hell lebendig Weben,
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In Nacht und Tod, in Stummheit Melodie,
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In meines Busens Saiten tonlos Beben,
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Ersteh' in meiner Seele Poesie:
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Laß mich in ihrer Göttin Wort sie grüßen,
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Daß sich der Heimat Tore mir erschließen.
 
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Ein guter Bürger will ich Freiheit singen,
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Der Liebe Freiheit, die in Fremde rang,
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Will in der Schönheit Grenzen Kränze schlingen,
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Um meinen Ruf, des Lebens tiefsten Klang,
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Mir eignen, ihn mit Lied und Lieb erringen,
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Bis brautlich ganz in Wonne mein Gesang,
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Gelöst in Lust und Schmerz das Widerstreben,
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Und eigner Schöpfung Leben niederschweben.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (29.1 KB)

Details zum Gedicht „Als hohe in sich selbst verwandte Mächte“

Anzahl Strophen
7
Anzahl Verse
56
Anzahl Wörter
375
Entstehungsjahr
1778 - 1842
Epoche
Romantik

Gedicht-Analyse

Clemens Brentano ist der Autor des Gedichtes „Als hohe in sich selbst verwandte Mächte“. 1778 wurde Brentano in Ehrenbreitstein (Koblenz) geboren. Das Gedicht ist in der Zeit von 1794 bis 1842 entstanden. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text der Epoche Romantik zugeordnet werden. Bei Brentano handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche.

Der Romantik vorausgegangen waren die Epochen der Weimarer Klassik und der Aufklärung. Die Literaturepoche der Romantik ist zeitlich vom Ende des 18. Jahrhunderts bis weit in das 19. Jahrhundert hinein einzuordnen. Insbesondere auf den Gebieten der bildenden Kunst, der Musik und der Literatur hatte diese Epoche Auswirkungen. Bis in das Jahr 1804 hinein spricht man in der Literatur von der Frühromantik, bis 1815 von der Hochromantik und bis 1848 von der Spätromantik. Die Welt, die sich durch die einsetzende Industrialisierung und Verstädterung mehr und mehr veränderte, verunsicherte die Menschen. Die Französische Revolution in den Jahren 1789 bis 1799 hatte ebenfalls bedeutende Auswirkungen auf die Romantik. In der Romantik finden sich verschiedene charakteristische Motivkreise. Sehnsucht und Liebe (Blaue Blume) oder das Unheimliche (Spiegelmotiv) sind wichtige Motive. Aber auch politische Motive wie Weltflucht, Nationalismus und Gesellschaftskritik lassen sich aufzeigen. Das Mittelalter gilt bei den Romantikern als Ideal und wird verherrlicht. Übel und Missstände des Mittelalters bleiben jedoch unbeachtet. Die Stilepoche kennzeichnet sich vor allem durch offene Formen in Gedichten und Texten. Phantasie ist für die Schriftsteller der Romantik das Maß aller Dinge. Die Trennung zwischen Wissenschaft und Poesie, zwischen Wirklichkeit und Traum soll durchbrochen werden. Die Schriftsteller der Romantik streben eine Verschmelzung von Kunst und Literatur an. Ihr Ziel ist es letztlich, alle Lebensbereiche zu poetisieren.

Das Gedicht besteht aus 56 Versen mit insgesamt 7 Strophen und umfasst dabei 375 Worte. Die Gedichte „Die Abendwinde wehen“, „14. Juli 1834“ und „Als ich in tiefen Leiden“ sind weitere Werke des Autors Clemens Brentano. Zum Autor des Gedichtes „Als hohe in sich selbst verwandte Mächte“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 297 Gedichte vor.

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