Die Industrie. von Georg Weerth

Vor Ihm sind tausend Jahre wie ein Tag
Der gestern schied mit feierlichem Prangen;
Denn was der Sturm der Zeiten auch zerbrach –
Ihm ist er machtlos nur vorbeigegangen!
Ihm nur! Der Menschheit wundervollem Geist!
Den ewig seine eigne Schöne preist,
Der frei entwandelt jeglicher Vernichtung,
Der leuchtend zieht die eigne Bahn und Richtung!
 
Er wohnte an des Indus heil’ger Fluth;
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Er stürmte durch der Griechen grüne Felder;
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Er strahlt’ und blühte in ital’scher Glut,
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Und sang sein Lied im Dunkel deutscher Wälder.
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Er schwebte durch der Meere wüsten Schwall,
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Und in des Niagara Donnerfall
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Erscholl sein Ruf: „Wie auch die Jahre schreiten:
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Ich bin derselbe wie zu allen Zeiten!“
 
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Wohl hat er als das Höchste sich bewährt,
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Der Mensch! Der kühn die Elemente bändigt;
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Der rastlos fort und weiter nur begehrt,
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Das Streben nie mit einem Abend endigt!
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Dem der Gestirne Wandel so bekannt
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Wie seiner Heimath blumenreiches Land;
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Dem täglich neue Welten sich erschließen,
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Zu neuer That, zu schönerem Genießen!
 
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Erfindrisch greift er in die Gegenwart:
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Da keimt es auf zu schimmernder Gestaltung!
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Was ein Jahrhundert ahnungsvoll erharrt,
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Es ward! es ist, in herrlicher Entfaltung! –
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O Thoren, die dem Leben ihr entrückt,
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Euch stets an alten Wundern nur entzückt,
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Die Wunder, so der Gegenwart entsprossen,
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Sind groß wie die der Tage, so verflossen! –
 
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Es ging der Mensch durch grüner Wälder Pracht,
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Und prüfend wählte er die Riesenfichte;
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Er wand das Eisen aus der Berge Schacht,
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Und trug’s empor zum frohen Sonnenlichte.
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Drauf, in der Schiffe fluthbespühltem Raum
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Fuhr er frohlockend zu dem Küstensaum
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Entfernter Völker; transatlant’schem Strande
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Die Kunde bringend europä’scher Lande.
 
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Und in der Städte dumpfumhülltem Schooß
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Wie ras’t die Flamme wild aus tausend Essen!
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In reinen Formen windet es sich los,
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Was ungebildet die Natur besessen. –
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O wär’s dem sel’gen Gotte doch erlaubt
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Auf’s Neu zu heben sein ambrosisch Haupt:
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Hephaistos, säh’ den Dampf die Bahn er wallen,
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Dem Menschen staunend, würd’ er niederfallen!
 
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Nicht braucht’s der Morgenröthe Flügel mehr,
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Um sich zu betten in den letzten Zonen:
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Die eigne Kunst trägt brausend uns einher,
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Weit durch den großen Garten der Nationen!
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Entgegeneilt was Strom und See getrennt
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Und rings in Millionen Augen brennt
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Hell das Bewußtsein, daß die Nacht entschwunden,
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Der Mensch den Menschen wieder hat gefunden!
 
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So donnert laut das Ringen unsrer Zeit,
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Die Industrie ist Göttin uns’ren Tagen!
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Zwar noch erscheint’s, sie halte starr gefeit
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Mit Basilisken-Blick der Herzen Schlagen;
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Denn düster sitzt sie auf dem finstern Thron
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Und geißelnd treibt zu unerhörtem Frohn,
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Tief auf der Stirn des Unheils grausen Stempel,
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Den Armen sie zu ihrem kalten Tempel!
 
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Und Menschen opfernd steht sie wieder da
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Des Irrthums unersättliche Begierde;
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Weinend verhüllt sein Haupt der Paria,
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Indeß der Andre strahlt in güld’ner Zierde; –
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Doch Thränen fließen jedem großen Krieg!
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Es führt die Noth nur zu gewisserm Sieg!
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Und wer sie schmieden lernte, Schwert und Ketten,
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Kann mit dem Schwert aus Ketten sich erretten!
 
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Was er verlieh, des Menschen hehrer Geist,
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Nicht Einem – Allen wird es angehören!
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Und wie die letzte Kette klirrend reißt,
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Und wie die letzten Arme sich empören:
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Verwandelt steht die dunkle Göttin da:
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Beglückt, erfreut ist Alles, was ihr nah!
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Der Arbeit Noth, die Niemand lindern wollte,
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Sie wars, die selbst den Fels bei Seite rollte!
 
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Dann ist’s vollbracht! Und in das große Buch
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Das tönend der Geschichte Wunder kündet,
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Schreibt man: „Daß jetzt der Mensch sich selbst genug,
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Da sich der Mensch am Menschen nur entzündet.“
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Frei rauscht der Rede lang gedämpfter Klang,
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Frei auf der Erde geht des Menschen Gang!
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Und die Natur mit zaubervollem Kusse
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Lockt die Lebend’gen fröhlich zum Genusse!

Details zum Gedicht „Die Industrie.“

Autor
Georg Weerth
Anzahl Strophen
11
Anzahl Verse
88
Anzahl Wörter
608
Entstehungsjahr
nach 1838
Epoche
Junges Deutschland & Vormärz

Gedicht-Analyse

Dieses Gedicht stammt von Georg Weerth, einem deutschen Schriftsteller und Journalisten, der von 1822 bis 1856 lebte. Es ist schwierig, eine genaue zeitliche Einordnung vorzunehmen, da das Gedicht keine explizite Bezugnahme auf eine spezifische historische Situation enthält.

Der erste Eindruck des Gedichts ist durch den Gebrauch von starken und pathetischen Ausdrücken geprägt. Es wird eine emotionale und beinahe hymnische Stimmung erzeugt.

Der Inhalt des Gedichts lässt sich zusammenfassend wie folgt wiedergeben: Das lyrische Ich äußert Bewunderung für die Fähigkeiten und Errungenschaften der Menschheit, die durch ihre Industrie und Kunst in der Lage ist, die Natur zu beherrschen und neue Welten zu entdecken. Es wird betont, dass der Mensch seine eigene Bestimmung und Freiheit schaffen kann und dass die Industrie eine göttliche Macht ist, die den Menschen voranbringt. Trotzdem wird auch auf die negativen Auswirkungen der Industrie, wie Umweltverschmutzung und soziale Ungerechtigkeit, hingewiesen.

Das Gedicht besteht aus elf Strophen, von denen jede acht Verse hat. Die Sprache ist poetisch und enthält viele bildhafte Ausdrücke. Es werden Metaphern verwendet, um die Errungenschaften der Menschheit zu beschreiben, sowie rhetorische Fragen, um den Leser zum Nachdenken anzuregen. Das Gedicht enthält auch eine gewisse antike und mythologische Symbolik, indem es Hephaistos erwähnt, den Gott des Feuers und der Schmiedekunst in der griechischen Mythologie. In Bezug auf die Form verwendet das Gedicht ein regelmäßiges Reimschema und einen gleichmäßigen Rhythmus, was zu seinem melodischen Klang beiträgt.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Die Industrie.“ des Autors Georg Weerth. Der Autor Georg Weerth wurde 1822 in Detmold geboren. Im Zeitraum zwischen 1838 und 1856 ist das Gedicht entstanden. In Zürich ist der Text erschienen. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her der Epoche Junges Deutschland & Vormärz zuordnen. Der Schriftsteller Weerth ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das vorliegende Gedicht umfasst 608 Wörter. Es baut sich aus 11 Strophen auf und besteht aus 88 Versen. Die Gedichte „Gebet eines Irländers“, „Herüber zog eine schwarze Nacht“ und „Sie saßen auf den Bänken“ sind weitere Werke des Autors Georg Weerth. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Die Industrie.“ weitere 12 Gedichte vor.

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Zum Autor Georg Weerth sind auf abi-pur.de 12 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.