Die Hunde von Frank Wedekind

Es waren einmal zwei Hunde,
Wie war das Herz ihnen schwer!
Sie liefen wohl eine Stunde
Hintereinander her.
 
Sie hofften, in liebendem Bunde
Werd’ ihnen leicht und frei,
Und waren doch nur zwei Hunde,
Und keine Hündin dabei.
 
Das ist die soziale Misere,
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Die Sphinx in der Hundewelt,
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Daß man vom Hundeverkehre
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Die Hündinnen ferne hält.
 
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Die Hündinnen werden ja häufig
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Gleich nach der Geburt ersäuft,
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Und wird eine Hündin läufig,
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Verhindert man, daß sie läuft.
 
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Man läßt sie aus ihrem Kerker
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Tag und Nacht nicht heraus;
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Knurrend liegt Bella im Erker
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Zu Füßen der Tochter vom Haus.
 
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Lisettchen starrt in die Zeilen
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Und zittert wohl mit den Knien,
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Zuckt mit den Lippen bisweilen,
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Und Beide denken an ihn.
 
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Wallt man im Familienvereine
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Sonntags vors Tor hinaus,
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Bella geht an der Leine
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Zugleich mit der Tochter vom Haus.
 
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Hier rücken heran die Studenten,
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Dort naht sich Nero galant;
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Wie wird von beiden Enden
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Die arme Leine gespannt!
 
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In einem Rudel Hunde
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Kam schließlich man überein,
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Es möge nun in der Runde
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Jeder mal Hündin sein.
 
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Das Auge, angstvoll, trübe,
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Schweift ferne zum Horizont,
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Als spräch’s: Und das hat der Liebe
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Himmlische Macht gekonnt.
 
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Der kleine Fritz ging vorüber
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Und sagte: Lieber Papa,
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Sage mir doch, du Lieber,
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Was machen die Hunde da?
 
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Papa entgegnet: Das nennt man,
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Darf dir nicht sagen wie;
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An diesen Greueln erkennt man
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Das lausige Hundevieh.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (27 KB)

Details zum Gedicht „Die Hunde“

Anzahl Strophen
12
Anzahl Verse
48
Anzahl Wörter
231
Entstehungsjahr
1905
Epoche
Moderne

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Die Hunde“ wurde von Frank Wedekind verfasst, der am 24. Juli 1864 geboren und am 9. März 1918 verstorben ist. Wedekind war ein deutscher Schriftsteller, Dramatiker und Lyriker. Das Gedicht kann zeitlich in die Zeit um die Jahrhundertwende, also Ende des 19. Jahrhunderts bis Anfang des 20. Jahrhunderts, eingeordnet werden.

Beim ersten Lesen des Gedichts entsteht der Eindruck einer einfachen, fließenden und rhythmischen Erzählung. Die Reime in jeder Strophe vermitteln einen harmonischen Klang.

Der Inhalt des Gedichts handelt von zwei Hunden, die zusammen sein wollen, aber keine Hündin dabei haben. Das lyrische Ich beschreibt dies als soziale Misere in der Hundewelt. Es wird angedeutet, dass Hündinnen oft getötet oder eingesperrt werden, um die Fortpflanzung zu kontrollieren. Die männlichen Hunde in der Nachbarschaft reißen an der Leine, wenn sie eine Hündin sehen. Schließlich beschließt ein Rudel Hunde, dass jeder von ihnen mal eine Hündin sein wird. Das Gedicht endet mit einem skeptischen Blick auf die Liebe, ausgedrückt durch das Auge eines Hundes.

Die Form des Gedichts besteht aus zwölf vierzeiligen Strophen. Jede Strophe hat einen festen Reimschema (ABCB). Die Sprache des Gedichts ist leicht verständlich und simpel. Wedekind verwendet keine komplexen Metaphern oder sprachlichen Stilmittel. Die Worte sind einfach und beschreiben die Situation der Hunde auf direkte Weise.

Insgesamt kann das Gedicht als Kritik an der sozialen Kontrolle und Unterdrückung von bestimmten Lebewesen, hier symbolisiert durch Hündinnen, interpretiert werden. Es zeigt auf poetische Weise die Auswirkungen solcher sozialen Missstände auf das Leben der Hunde und wirft dabei auch Fragen zur Liebe und ihrem Einfluss auf die Welt auf.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Die Hunde“ ist Frank Wedekind. Der Autor Frank Wedekind wurde 1864 in Hannover geboren. Das Gedicht ist im Jahr 1905 entstanden. Erscheinungsort des Textes ist München. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zur Epoche Moderne zu. Bei dem Schriftsteller Wedekind handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das vorliegende Gedicht umfasst 231 Wörter. Es baut sich aus 12 Strophen auf und besteht aus 48 Versen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Frank Wedekind sind „An Elka“, „An Francisca de Warens“ und „An Madame de Warens“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Die Hunde“ weitere 114 Gedichte vor.

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