Als er Lenchens Augen küste von Johann Christian Günther

Ihr Bogen voller güldnen Pfeile,
Ihr schwarzen Augen voller Glut,
Erlaubt mir, daß ich mich verweile,
Und führt den Kuß in Nerv und Blut,
Damit er Lenchens Herze lehre,
Wie nah ich ihm schon angehöre.
 
Ich schmeck auf euch, ihr warmen Lider,
Die Frucht, so dort in Eden stund;
Ihr wälzt euch brünstig hin und wieder
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Und streift den aufgelegten Mund
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Und wist mit euren weichen Sachen
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Der Lippen Spielwerck nachzumachen.
 
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Die Venus hat viel treue Seelen,
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Der Zehnte kennt die Wollust nicht;
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Mein Kind, wir wollen sie verheelen,
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Und wenn ein andrer Rosen bricht,
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So küß ich deine Sonnenlichter
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Und mercke keinen Splitterrichter.
 
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So zwinckert unter meiner Zunge,
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So, schönen Augen, küzelt sie;
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So geht die Regung halb zu Sprunge,
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So kostet's mich nur halbe Müh,
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Zu sehn, zu fühlen und zu glauben:
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Ihr könt die Freyheit zwiefach rauben.
 
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Doch fürchtet euch vor keinen Bißen
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Und glaubt nur, daß ihr sichrer seyd,
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Als wenn mein geil- und starckes Küßen
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Den Mund mit Narden überstreut;
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Ich will euch drücken und nicht schonen,
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Ihr müst mir nur die Lust verlohnen.
 
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Ihr müst euch nehmlich abwärts lencken,
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Wenn Nebenbuhler prächtig gehn;
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Will Lenchen einen Blick verschencken,
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So sollt ihr mir zu Diensten stehn.
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Verschliest euch Fremden, die ihr dienen,
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Und öfnet euch vor meinen Mienen.
 
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Bekommt sie ein Versuchungsschreiben,
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In dem viel süße Worte sind,
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So last den hellen Vorwiz bleiben
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Und stellt euch wie mein Amor blind;
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Hingegen, will sie meines lesen,
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So thut, als wäret ihr genesen.
 
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Und darum mach ich euch die Freude
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Und darum küß ich euch so scharf,
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Jezt dies, jezt das, jezt alle beide,
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Damit nicht eines zürnen darf
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Und, wenn ich mit dem rechten spiele,
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Das linck' aus Rach aufs andre schiele.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (27.4 KB)

Details zum Gedicht „Als er Lenchens Augen küste“

Anzahl Strophen
8
Anzahl Verse
48
Anzahl Wörter
287
Entstehungsjahr
1695 - 1723
Epoche
Barock

Gedicht-Analyse

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Als er Lenchens Augen küste“ des Autors Johann Christian Günther. Günther wurde im Jahr 1695 in Striegau geboren. In der Zeit von 1711 bis 1723 ist das Gedicht entstanden. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text der Epoche Barock zugeordnet werden. Der Schriftsteller Günther ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche.

Barock stammt vom portugiesischen Wort „barroco“ ab und bedeutet so viel wie „schiefrunde Perle“. Die Bezeichnung für barock als Adjektiv wurde zunächst abwertend gebraucht. Der Begriff Barock als Epochenbezeichnung konnte sich erst um die Mitte des 19. Jahrhunderts durchsetzen und gibt der Literaturepoche im Zeitraum zwischen 1600 und 1720 den Namen. Der Dreißigjährige Krieg(1618–1648) gilt als das maßgebende Bezugselement des Barocks. Der Dreißigjährige Krieg hinterließ ein politisch, wirtschaftlich und kulturell verfallenes Deutsches Reich. Aufgrund der kriegerischen Auseinandersetzungen wurden ganze Landstriche entvölkert. Es wurden Gewalt, Tod und Zerstörung zum Teil des Alltags der Menschen der damaligen Zeit. Schwere Hungersnöte und Seuchen, wie die Pest, verschlimmerten die bedrohliche Situation der Bevölkerung weiter. Allein der Ausbruch der Pest dezimierte die Bevölkerung um ein Drittel. Die Epoche des Barocks zeichnet sich vordergründig durch die Antithetik, also einem von Gegensätzen und Widersprüchen geprägtem Bewusstsein, aus. Durch die Antithetik kommt es in der Epoche des Barocks vermehrt zur Verwendung von Gegensatzpaaren, wie zum Beispiel: Diesseits und Jenseits, Tugend und Wollust oder Weltzugewandtheit und Weltverneinung. Im Zeitalter des Barocks löste die deutsche Sprache das Lateinische ab. Die meisten Autoren gehörten dem Gelehrtenstand an: Akademiker, Theologen, Beamte und Adelige. Berühmte Literaten des Barocks sind insbesondere Andreas Gryphius, Martin Opitz, Daniel Caspar von Lohenstein, Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau oder Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen.

Das vorliegende Gedicht umfasst 287 Wörter. Es baut sich aus 8 Strophen auf und besteht aus 48 Versen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Johann Christian Günther sind „Rosen“, „So aber sucht man ihm die Wege vorzuschreiben“ und „Der Unruh wird noch mehr, wenn Wieg- und Nahmenfest“. Zum Autor des Gedichtes „Als er Lenchens Augen küste“ haben wir auf abi-pur.de weitere 264 Gedichte veröffentlicht.

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