Als Leonore sich endlich zum Lieben bewegen lies von Johann Christian Günther
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Eleonore lies ihr Herze |
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Nicht länger unempfindlich seyn, |
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Sie räumt es nach so langem Schmerze |
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Dem wohlbekandten Dichter ein |
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Und lies ihn unter Schwur und Küßen |
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Den Anfang ihrer Neigung wißen. |
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Sie nahm ihn in die treuen Armen |
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Und sprach bey zärtlicher Gewalt: |
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Hat ja der Himmel ein Erbarmen, |
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So gönnt er mir den Aufenthalt, |
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Bis daß ich in dem sanften Grabe |
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Das Ziel der Angst erlanget habe. |
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Drauf schwieg sie mit verwandten Blicken |
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Und strich des Dichters Angesicht, |
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Ergözt ihn durch ein Händedrücken |
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Und sprach von neuem: Ach, mein Licht! |
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Ach, wird auch dieses mein Verbinden |
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Dein Herz beständig rein erfinden? |
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Bedencke nur, wie viel ich wage |
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Und was ich deinetwegen thu! |
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Ich eile mit Gefahr und Plage |
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Nach deinen schönen Lippen zu |
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Und breche dir allein zu Liebe |
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Die Ketten meiner ersten Triebe. |
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Ich habe nichts als dein Gemüthe, |
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Worauf ich mich verlaßen kan; |
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Verläst mich jemahls deßen Güte, |
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So ist es ganz um mich gethan, |
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So werd ich allen auf der Erden |
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Ein Mährchen und ein Greuel werden. |
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Dies sagte sie mit naßen Wangen |
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Und zog ihn eilends brünstig fort |
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Und führte sein bestürzt Verlangen |
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An den schon oft besuchten Ort, |
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Wo nichts als Graus und Nacht regieret |
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Und Tod und Stille triumphieret. |
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Hier fing sie brünstig an zu weinen |
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Und rief: Ihr Todten zeuget mir, |
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Bey meiner Eltern Leichensteinen |
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Und ihrer Asche schwör ich dir, |
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Daß mich dein Herz allein vergnüge, |
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Bis daß es hier versammlet liege. |
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Du wirst die Redligkeit erkennen |
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Und, bin ich gleich ein armes Kind, |
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Mir ewig deine Seele gönnen. |
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Ich weis zwar, wie die Männer sind; |
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Aus Liebe glaub ich deinen Schwüren, |
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Sie werden mich wohl nicht verführen. |
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Der Dichter trocknet' ihre Thränen |
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Mit tausend warmen Küßen ab, |
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Und als das weich- und stumme Sehnen |
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Ihm endlich Zeit zur Antwort gab, |
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So zog er die geliebten Glieder |
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Mit diesem Trost ins Graß darnieder: |
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Komm her, du Nahrung meiner Flammen, |
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Komm, lege dich an meine Brust; |
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Hier wohnen Glut und Treu beysammen, |
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Hier wallen sie nur dir zur Lust, |
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Hier wird, so oft das Herze schläget, |
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Dein Bildnüß fester eingepräget. |
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Ich lebe dir allein zu eigen, |
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Und leb ich gleich vorjezt gedrückt, |
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So wird sich bald ein Mittel zeigen, |
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Das unsre Tugend höher rückt; |
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Alsdenn soll unser Rosenbrechen |
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Die Misgunst in das Auge stechen. |
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Du bist mein einziges Ergözen, |
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Ich bin nechst Gott dein Schuz und Schild; |
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Und wie der Werth von allen Schäzen |
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Mir gegen dein Verdienst nicht gilt, |
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So soltu auch nach langen Jahren |
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Die Dauer meiner Lieb erfahren. |
Details zum Gedicht „Als Leonore sich endlich zum Lieben bewegen lies“
Johann Christian Günther
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72
419
1719
Barock
Gedicht-Analyse
Johann Christian Günther ist der Autor des Gedichtes „Als Leonore sich endlich zum Lieben bewegen lies“. Geboren wurde Günther im Jahr 1695 in Striegau. Die Entstehungszeit des Gedichtes geht auf das Jahr 1719 zurück. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text der Epoche Barock zugeordnet werden. Günther ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche.
Der die Jahre 1600 bis 1720 umfassende Zeitraum gilt als Literaturepoche des Barocks, die sich im deutschen Sprachraum während und nach dem Dreißigjährigen Krieg entfaltete. Der Dreißigjährige Krieg begann 1618 und endete im Jahr 1648. Als Epochenbezeichnung wird das aus dem Portugiesischen stammende Wort „Barock“ erst seit Mitte des 19. Jahrhunderts genutzt. Das Zeitalter des Barocks wurde durch den Dreißigjährigen Krieg geprägt – Hunger, Seuchen (insbesondere die Pest), Vergewaltigung und Tod sorgten für großes Elend bei der Bevölkerung Europas. So verkleinerte sich die Bevölkerung in Deutschland von etwa 28 Millionen im Jahr 1615 auf 11 Millionen Menschen am Ende des Krieges im Jahr 1648. Die Erfahrungen mit dem Krieg und seinen dramatischen Folgen spiegeln sich in einem gegensätzlichen Weltbild wider. Dies entspricht der damaligen Lebenswirklichkeit der Menschen: Das Leben der einfachen Bevölkerung war beeinflusst von bitterer Armut und Pessimismus, während bei den Adeligen nach dem Vorbild des französischen Absolutismus Luxus und Verschwendung herrschten. In der Dichtung wird der Gebrauch solcher inhaltlichen Gegensätze als Antithetik bezeichnet. Im Zeitalter des Barocks wurde das Lateinische von der deutschen Sprache abgelöst. Da in der Zeit des Barocks der Wohlklang und die äußere Ästhetik eines literarischen Werkes eine bedeutende Rolle spielten, war die bevorzugte Literaturform das Gedicht. In den Gedichten wurden sehr gerne Symbole, Metaphern und Hyperbolik verwendet.
Das Gedicht besteht aus 72 Versen mit insgesamt 12 Strophen und umfasst dabei 419 Worte. Weitere bekannte Gedichte des Autors Johann Christian Günther sind „Was man von galanten Kindern“, „Ich will lachen, ich will scherzen“ und „Gedacht und auch geschehn. Ihr Pierinnen lacht“. Zum Autor des Gedichtes „Als Leonore sich endlich zum Lieben bewegen lies“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 264 Gedichte vor.
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