Die Gruft der Fürsten von Christian Friedrich Daniel Schubart

Von Schubart auf Hohenasberg

Da liegen sie, die stolzen Fürstentrümmer,
Ehmals die Götzen ihrer Welt,
Da liegen sie vom fürchterlichen Schimmer
Des blossen Tags erhell’t.
 
Die alten Särge leuchten in der dunklen
Verwesungsgruft, wie faules Holz.
Wie matt die grossen Silberschilde funkeln
Der Fürsten letzter Stolz.
 
Entsetzen packt den Wandrer hier beym Haare
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Giesst Schauer über seine Haut,
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Wo Eitelkeit, gelehnt an eine Bahre,
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Aus holem Auge schaut.
 
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Wie fürchterlich ist hier des Nachhalls Stimme!
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Ein jäher Tritt stört seine Ruh,
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Kein Donner spricht mit schreckenvollerm Grimme:
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O Mensch, wie klein bist du!
 
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Denn ach, hier liegt der edle Fürst, der Gute
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Zu Völker Seegen einst gesandt,
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Wie der, den Gott zur Nationenruthe
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Im Grimm zusammenband.
 
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An ihren Urnen weinen Marmorgeister,
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Doch kalte Thränen nur von Stein,
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Und lächelnd grub vielleicht ein welscher Meister
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Sie einst in Marmor ein.
 
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Da liegen Schädel mit verloschnen Blicken,
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Die ehmals hoch herabgedroht;
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Der Menschheit Schrecken, denn an ihrem Nicken
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Hieng Leben oder Tod.
 
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Nun ist die Hand hinweg gewelkt zum Knochen,
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Die oft mit kaltem Federzug
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Den Weisen, der am Thron zu hart gesprochen,
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In harte Fesseln schlug.
 
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Zur morschen Ripp’ ist nun die Brust geworden,
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Einst eingehüllt in Goldgewand,
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Woran ein Stern und ein entweihter Orden
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Wie zwey Kometen stand.
 
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Vertrocknet und verfault sind die Kanäle
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Wo geiles Blut wie Feuer floss,
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Das schäumend Gift der Unschuld in die Seele,
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Wie in den Körper goss.
 
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Sprecht Höflinge, mit Ehrfurcht auf der Lippe,
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Nur Schmeicheley ins taube Ohr,
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Beräuchert das durchlauchtige Gerippe
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Mit Weyrauch, wie zuvor.
 
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Es steht nicht auf, euch Beyfall zuzulächeln,
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Und wiehert keine Zoten mehr,
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Damit beschminkte Zofen ihn befächeln
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Schaamlos und geil, wie er.
 
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Sie, die im erznen Busen niemals fühlten
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Die Schrecken der Religion,
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Und Gottgeschaffne bessre Menschen hielten
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Für Vieh, bestimmt zum Frohn.
 
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Die das Gewissen, jenen mächt’gen Kläger,
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Der unsre Schulden niederschreibt,
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Durch Trommelschlag, durch wälsche Trillerschläger
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Und Jagdhorn, übertäubt.
 
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Die Hunde nur, und Pferd’ und geile Dirnen
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Mit Gnade lohnten, und Genie
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Und Tugend darben liessen – denn das Zürnen
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Der Geister weckte sie. –
 
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Da liegen nun in dieser Schauer-Grotte
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Mit Staub und Würmern zugedeckt,
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Wie stumm, wie ruhmlos! Noch von keinem Gotte
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Zum Leben aufgeweckt.
 
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Weckt sie nur nicht mit eurem bangen Aechzen,
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Ihr Schaaren, die sie arm gemacht,
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Verscheucht die Raben, dass von ihren Krächzen
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Kein Wütrich hier erwacht.
 
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Hier klatsche nicht des armen Landmanns Peitsche,
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Die Nachts das Wild vom Acker scheucht,
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An diesem Gitter weile nicht der Deutsche,
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Der siech vorüber keucht.
 
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Hier weine nicht der bleiche Waisenknabe
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Dem ein Tyrann den Vater nahm,
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Nie fluche hier der Krüppel an dem Stabe
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Von fremden Solde lahm:
 
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Damit die Quäler nicht zu früh erwachen;
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Seyd menschlicher, erweckt sie nicht!
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Ha, früh genug wird über ihnen krachen
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Der Donner am Gericht;
 
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Wo Todesengel nach Tyrannen greifen
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Wenn hier im Zorn der Richter weckt,
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Und ihre Greu’l zu einem Berge häufen,
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Der flammend sie bedeckt.
 
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Ihr aber, bess’re Fürsten, schlummert süsse
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Im Nachtgewölbe dieser Gruft,
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Schon schreitet euer Geist im Paradiese
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Gehüllt in Blütenduft.
 
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Jauchzt nur entgegen jenem grossen Tage,
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Der aller Fürsten Thaten wiegt.
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Wie Sternenklang tönt euch des Richters Waage,
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Drauf eure Tugend liegt.
 
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Ach unterm Lispeln eurer frohen Brüder,
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– Ihr habt sie satt und froh gemacht, –
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Wird eure volle Schaale sinken nieder,
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Wenn ihr zum Lohn erwacht.
 
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Wie wirds euch seyn, wenn ihr am Sonnenthrone
98 
Des Richters Stimme wandeln hört,
99 
Ihr Brüder, nehmt auf ewig hin die Krone,
100 
Ihr seyd zu herrschen werth.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (33.3 KB)

Details zum Gedicht „Die Gruft der Fürsten“

Anzahl Strophen
25
Anzahl Verse
100
Anzahl Wörter
571
Entstehungsjahr
1786
Epoche
Sturm & Drang

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Die Gruft der Fürsten“ wurde von Christian Friedrich Daniel Schubart geschrieben, der von 1739 bis 1791 lebte. Es lässt sich zeitlich in die Epoche der Aufklärung einordnen, die im 18. Jahrhundert stattfand.

Der erste Eindruck des Gedichts ist düster und geheimnisvoll. Es wird eine Grabstätte beschrieben, in der die Überreste von Fürsten liegen. Die Sprache und Stimmung des Gedichts verleihen ihm eine beklemmende Atmosphäre.

Der Inhalt des Gedichts beschreibt die Grabstätte, in der einst mächtige Fürsten liegen. Die Verse betonen die Vergänglichkeit ihrer Macht und Herrlichkeit. Das lyrische Ich stellt fest, dass die einst stolzen Fürsten nun in einem dunklen und verwesenden Zustand liegen. Es entsteht ein gruseliges Bild von verfallenen Särgen und Silberschilden. Der Wanderer, der die Grabstätte betritt, wird von Entsetzen erfasst, da er mit der Vergänglichkeit des Menschen und der Leere der Eitelkeit konfrontiert wird. Die Stimme des Nachhalls spricht von der Kürze des menschlichen Lebens und wie klein der Mensch im Vergleich zur unerbittlichen Zeit ist. Es wird auch erwähnt, dass einer der Fürsten einst als „edel und gut“ galt, jedoch nun ebenfalls in der Gruft liegt. Das Gedicht verdeutlicht, dass der Ruhm und die Macht der Fürsten vergänglich sind und ihre Monumente und Kunstwerke nur noch kalte Tränen und faules Holz sind. Die Fürsten werden als Tyrannen und Unterdrücker gezeigt, die mit ihrem Verhalten gegenüber dem Volk ihren eigenen Untergang besiegeln. Das Gedicht fordert die Höflinge auf, weiterhin Schmeicheleien auszusprechen, da sie keine Bewunderung mehr von den toten Fürsten erwarten können. Das Gedicht endet mit einer Botschaft an die „besseren Fürsten“, die in der Gruft schlafen und auf den Tag des Gerichts warten. Sie werden dazu aufgefordert, vor der göttlichen Waage zu erscheinen, auf der ihre Taten gewogen werden. Das Gedicht schließt mit der Idee, dass diese Fürsten würdig sind, zu herrschen.

Das Gedicht besteht aus 25 Strophen, von denen jede 4 Verse enthält. Es handelt sich um ein klassisches Gedicht in reimender Form. Die Sprache des Gedichts ist sehr bildhaft und verwendet oft Metaphern, um die Vergänglichkeit und den Verfall der Fürsten darzustellen. Die Worte sind gewählt, um eine düstere und beklemmende Atmosphäre zu erzeugen, die die Vergänglichkeit des menschlichen Lebens betont. Die Sprache ist poetisch und vermittelt die Botschaft des Gedichts auf eindringliche Weise.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Die Gruft der Fürsten“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Christian Friedrich Daniel Schubart. Geboren wurde Schubart im Jahr 1739 in Obersontheim. Im Jahr 1786 ist das Gedicht entstanden. Berlin ist der Erscheinungsort des Textes. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text der Epoche Sturm & Drang zugeordnet werden. Bei Schubart handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche.

Zwischen den Epochen Empfindsamkeit und Klassik lässt sich in den Jahren zwischen 1765 und 1790 die Strömung Sturm und Drang einordnen. Geniezeit oder zeitgenössische Genieperiode sind häufige Bezeichnungen für diese Literaturepoche. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts dominierte der Geist der Aufklärung das philosophische und literarische Denken in Deutschland. Der Sturm und Drang kann als eine Protest- und Jugendbewegung gegen diese aufklärerischen Ideale verstanden werden. Das Auflehnen gegen die Epoche der Aufklärung brachte die wesentlichen Merkmale dieser Epoche hervor. Die Vertreter der Epoche des Sturm und Drang waren häufig Autoren im jungen Alter, die sich gegen die vorherrschende Strömung der Aufklärung wandten. In den Gedichten wurde darauf geachtet eine geeignete Sprache zu finden, um die persönlichen Empfindungen des lyrischen Ichs zum Ausdruck zu bringen. Die Nachahmung und Idealisierung von Schriftstellern aus vergangenen Epochen wie dem Barock wurde abgelehnt. Die alten Werke wurden dennoch geschätzt und dienten als Inspiration. Es wurde eine eigene Jugendkultur und Jugendsprache mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Wiederholungen und Halbsätzen geschaffen. Schiller, Goethe und die anderen Autoren jener Zeit suchten nach etwas Universalem, was in allen Belangen und für jede Zeit gut sei und entwickelten sich stetig weiter. So ging der Sturm und Drang über in die Weimarer Klassik.

Das 571 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 100 Versen mit insgesamt 25 Strophen. Christian Friedrich Daniel Schubart ist auch der Autor für Gedichte wie „Gefühl am ersten Oktober 1781“, „Kaplied“ und „Lisels Brautlied“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Die Gruft der Fürsten“ keine weiteren Gedichte vor.

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