Als er zu sterben wüntschte von Johann Christian Günther

Schreib an und las dir dieses Licht
Von nun an zum Gedächtnüß dienen!
Ich bin ein Mensch und weis es nicht,
Wo Kräuter meines Grabes grünen;
Auch weis ich nicht den Augenblick,
An dem mein Creuz und Ungelück
Sich miteinander schließen sollen;
Drum sprech ich dich noch, weil ich kan,
Um dieses Freundschaftszeichen an:
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Erzehl einmahl der Welt, wie viel wir leisten wollen.
 
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Mein treu Gemüthe nehm ich aus,
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Sonst bin ich nicht mehr Ich zu nennen;
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Nun mag ich keinen Lorbeerstraus,
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Als den mir Baar und Freundschaft gönnen.
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Es komme, was die Schickung will,
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Ich halte wie ein Krancker still
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Und weis nichts mehr von meinem Leben.
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Die Seelenruh, der Weißheit Frucht,
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So ich in Wißenschaft gesucht,
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Die, sag ich, las ich mir von der Verzweiflung geben.
 
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Dich und noch wenig, ja, kaum drey
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Bedaur ich mit betrübten Herzen;
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Sonst breche Mond und Erd entzwey,
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Es dienet mir zum bittern Scherzen.
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Und wie ein großes Theil der Welt
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Mich unwerth, toll und schimpflich hält,
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So lach ich nunmehr aller Sachen,
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Sie seyn auch noch so klug, gelehrt,
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Schön, weise, reich und hoch geehrt,
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Und nichts als Spott und Haß weis meine Lust zu machen.
 
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Auch diese Zeilen ärgern mich;
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O könt ich doch nur nichts gedencken!
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Mein eignes Wesen martert sich.
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Ist Gott zu schwach, mir Trost zu schencken,
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O warum hat er mir ein Pfand
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Von Kunst und Weißheit zugewand?
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Ich kan es doch zu nichts gebrauchen.
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Hör, ewige Gerechtigkeit:
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Verdient mein Herz nicht gute Zeit,
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So las es auf einmahl in Rauch und Glut verrauchen.
 
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Weist du noch was von Fried und Ruh,
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So mach es dir bey Zeiten nüze;
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Das Glücke fährt oft blindlings zu
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Und raubt uns mit geschwindem Blize.
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Es geh auch, kan's nicht anders seyn,
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Mein Seegen und Gedächtnüß ein,
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Ich wüntsche ganz und gar zu sterben.
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Folgt dir nur, was mir hier gebrach,
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Von nun an zweyfach glücklich nach,
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So tröstet noch mein Freund mein gänzliches Verderben.
Arbeitsblatt zum Gedicht
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Details zum Gedicht „Als er zu sterben wüntschte“

Anzahl Strophen
5
Anzahl Verse
50
Anzahl Wörter
325
Entstehungsjahr
1720
Epoche
Barock

Gedicht-Analyse

Der Autor des Gedichtes „Als er zu sterben wüntschte“ ist Johann Christian Günther. Der Autor Johann Christian Günther wurde 1695 in Striegau geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes geht auf das Jahr 1720 zurück. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her der Epoche Barock zuordnen. Der Schriftsteller Günther ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche.

Der Barock umfasst den Zeitraum von 1600 bis 1720. Die wörtliche Übersetzung des portugiesischen Begriffes „barocco“ lautet „unregelmäßig geformte Perle“. Die Bevölkerung Europas entwickelte sich nach dem Dreißigjährigen Krieg in unterschiedliche Richtungen. Der Krieg stellte dabei ein besonders prägendes Ereignis dar. Aber auch die Pest übte einen großen Einfluss auf die Verhältnisse der damaligen Zeit aus. Vornehmlich Pest und Krieg in der Literaturepoche des Barocks zeigen auch ein wichtiges Merkmal auf: der Gegensatz. Zum einen Armut, Elend und Tod, zum anderen Macht, Prunk und Glanz. So lebte die einfache Bevölkerung in bitterer Armut, während Adelige einen pompösen Lebensstil bevorzugten. In der Lyrik des Barocks trat das Deutsche an die Stelle des Lateinischen, welches die Sprache der wichtigsten deutschen Lyriker im 16. Jahrhundert gewesen war. Dessen ungeachtet war auch künftig die Elite Träger der Literatur. Herausragende Vertreter des Barocks waren etwa: Martin Opitz, Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau, Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen, Christian Weise und Andreas Gryphius.

Das Gedicht besteht aus 50 Versen mit insgesamt 5 Strophen und umfasst dabei 325 Worte. Weitere Werke des Dichters Johann Christian Günther sind „Der Unruh wird noch mehr, wenn Wieg- und Nahmenfest“, „Warum man mich in keiner Kirche sieht?“ und „Kein Schulpferd ist so gut zum Springen abgericht“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Als er zu sterben wüntschte“ weitere 264 Gedichte vor.

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