Als er Gott um Beständigkeit im Guten anflehte von Johann Christian Günther

1	Welch süß- und holder Gnadenstrahl
2	Verwandelt mich von innen?
3	Was raubt mir so bald auf einmahl
4	Die alten Wüntsch und Sinnen?
5	Mein Herz ist froh, mein Geist wird frey
6	Und reißt der Lüste Band entzwey,
7	An dem er starck gehangen.
8	Ach Gott, erhalt den guten Trieb
9	Und treib aus Funcken Flammen;
10	Jezt hab ich deine Rechte lieb,
11	Jezt lern ich mich verdammen,
12	Jezt find ich Lust in Creuz und Pein:
13	Die Seele muß geläutert seyn
14	Und über Felsen steigen.
15	Las jezo die Barmherzigkeit,
16	Mein Vater, dich nicht halten,
17	Nein, las vielmehr durch Schlag und Leid
18	Mein festes Herz zerspalten,
19	Schmeis deinen Zorn in Fleisch und Blut,
20	Weil so ein Schmerzen linder thut
21	Als Balsam auf der Scheitel.
22	Mein ewig Glücke kan kaum blühn,
23	Wofern ich ruhig lebe
24	Und, dort den rechten Schaz zu ziehn,
25	Mich nicht der Welt begebe.
26	Gewohnheit ist ein eisern Kleid,
27	Zerreiß es durch die Traurigkeit
28	Gewaltig starcker Pfeile.
29	Verflucht sey Sorgen, Fleiß und Zeit,
30	Die ich der Welt verpfändet
31	Und auf den Dienst der Eitelkeit
32	So sinnlos angewendet,
33	Verflucht sey alle Wißenschaft,
34	Die nicht mit deiner Weißheit Kraft
35	Des Nechsten Heil gebeßert!
36	Mein Heiland, hilf mir wider mich
37	Mit deiner Demuth kämpfen
38	Und lehre mich vernünftiglich
39	Auch fremde Schwachheit dämpfen!
40	Komm, stelle meine Sünd ans Licht
41	Und las dein holdes Angesicht
42	Mich stets zur Beßrung reizen.

Details zum Gedicht „Als er Gott um Beständigkeit im Guten anflehte“

Gedicht-Analyse

Der Autor des Gedichtes „Als er Gott um Beständigkeit im Guten anflehte“ ist Johann Christian Günther. Günther wurde im Jahr 1695 in Striegau geboren. In der Zeit von 1711 bis 1723 ist das Gedicht entstanden. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht der Epoche Barock zuordnen. Günther ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche.

Der Barock umfasst etwa den Zeitraum von 1600 bis 1720. Die wörtliche Übersetzung des portugiesischen Begriffes „barocco“ lautet „unregelmäßig geformte Perle“. Das Leben der damaligen Zeit war geprägt vom Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) und der Pest. Die Menschen lebten in schwierigsten Verhältnissen. Adelige erlaubten sich einen pompösen Lebensstil, wohingegen das normale Volk von Armut geplagt war. Die Fürsten wollten immer mehr Einfluss auf Lebensstil und Erziehung erlangen. Bauernaufstände und Unruhen führten jedoch zu einem langsamen Umdenken der Menschen und zu einem zunehmenden Selbstbewusstsein. Es herrschte in der Literaturepoche des Barocks ein antithetisches Weltbild. Verschwendung und Luxus des Adels standen Leid und Armut innerhalb der einfachen Bevölkerung gegenüber. Die Literatur des Barocks war ebenso geprägt von inhaltlichen Widersprüchen. Jenseits und Diesseits standen sich ebenso gegenüber wie Spiel und Ernst oder etwa Schein und Sein. In Deutschland kam es durch den Barock zu einer Ablösung der lateinischen Sprache im Schriftwerk - einschließlich der wissenschaftlichen und philosophischen Literatur - durch die deutsche Sprache. Bedeutsame Schriftsteller für die Zeit des Barocks waren beispielsweise: Martin Opitz, Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau, Christian Weise, Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen und Andreas Gryphius.

Das Gedicht besteht aus 42 Versen mit insgesamt 6 Strophen und umfasst dabei 220 Worte. Weitere Werke des Dichters Johann Christian Günther sind „Seele, wirf den Kummer hin“, „Am Abend“ und „Abendlied“. Zum Autor des Gedichtes „Als er Gott um Beständigkeit im Guten anflehte“ haben wir auf abi-pur.de weitere 264 Gedichte veröffentlicht.

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